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Tod und Verderben?

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Wintersterblichkeit – Kein Grund zur Sorge:
Die Auswirkungen des Winters auf die verschiedenen Wildpopulationen sind unter Jägern wohl seit Jahrhunderten ein alljährlich wiederkehrendes Thema. In den Diskussionen wird allerdings viel vermenschlicht und nur allzu oft überbewertet. Denn für die heimischen Wildarten ist der Winter – von wenigen Katastrophen abgesehen – ganz sicher kein Schreckgespenst.

 

Vor etwa fünf Wochen wurden in vielen Regionen Deutschlands Temperaturen gemessen, die den Minusrekord für diese Jahreszeit seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in unserem Land darstellen. In dieser bis dato einzigartigen dezemberlichen Kälteperiode ist dieser Beitrag entstanden. Das Thermometer zeigte gebietsweise weniger als minus zehn Grad Celsius, und der schneidende Wind senkte zumindest für uns Menschen die „gefühlten Temperaturen“ teilweise auf unter 25 Minusgrade ab – es herrschte im wahrsten Sinne des Wortes Eiseskälte.

Verluste in der jeweiligen Population?

Als Jäger und Naturfreund denkt man mit jedem weiteren Kältegrad noch intensiver darüber nach, wie die heimischen Wildtiere mit solchen Fronten wohl klarkommen, und ob es schon jetzt oder vielleicht später im Winter zu spürbaren Verlusten in der jeweiligen Population kommen kann, die sich dann im Frühjahr und Frühsommer offenbaren. Wie viel Hasen werden die Scheinwerferzählungen im Frühjahr bringen? Wie viel Fasanenhähne und Hennen werden wir zur Balz beobachten können, wie viel rufende Rebhähne registrieren wir, und wie wird sich der Winter auf das Schalenwild auswirken? Fragen über Fragen, deren Beantwortung aus vielerlei Gründen sehr schwer fällt, wenn nicht unmöglich ist.

Zum einen kennen wir die individuelle Verfassung der Tiere nicht. Hatten sie von den Äsungsbedingungen her und zeitlich die Möglichkeit, sich ausreichend Fettreserven anzulegen? Oder sprachen dauerhafte Störungen und/oder ein sehr dürftiges Nahrungsangebot dagegen? Zum anderen gilt es, zwischen den Wildarten, ihren Überwinterungsstrategien und ihrer in gewissen Grenzen arteigenen Kälteresis-tenz zu unterscheiden. Während zum Beispiel nach mehreren Tagen bei „nur“ minus 12 oder 13 Grad Barfrost ohne Schnee und scharfem Ostwind die Rebhühner auf dem Acker erfrieren können, setzt beim Rotwild unter diesen Bedingungen noch nicht mal das Kältezittern der Muskulatur ein. Hinzu kommt, dass sich die unterschiedliche Ausstattung der Reviere hinsichtlich der vorhandenen Äsung und Deckung gerade in extrem harten Wintern bemerkbar machen kann. Denn anders als die Schalenwildarten, die ihr winterliches Heil ohnehin im Waldbestand oder in mehr oder minder großen Feldgehölzen suchen, benötigen die klassischen Niederwildarten im Feldrevier neben einem ausreichenden Äsungsangebot vor allem dichte Deckung vor Niederschlägen, Wind und Beutegreifern.

Ein „normaler Winter“ – kein Grund zur Sorge

All dies sind zunächst Faktoren, die beim Thema Wintersterblickeit eine Rolle spielen. Doch kann trotzdem schon an dieser Stelle eigentlich Entwarnung gegeben werden. Denn sowohl beim Niederwild inklusive des Rehwildes als auch beim Hochwild sind die Verluste, die tatsächlich auf Kälte und/oder Schnee zurückzuführen sind zumindest im mitteleuropäischen Flach- und Hügelland äußerst gering. Sie sind in Prozenten kaum messbar und in Bezug auf die Gesamtmortalität im Jahreslauf meist völlig unbedeutend.

Ein „normaler Winter“ ist in unseren Breiten aus Sicht des Wildes und somit auch für uns Jäger wirklich kein Grund zur Sorge. Er gehört einfach dazu. Er hat unsere Ökosysteme und Lebensgemeinschaften über Jahrtausende entscheidend mitgeprägt, und sämtliche heimischen Wildarten sind durch ihre Entwicklungsgeschichte und Evolution sehr gut an die winterlichen Engpässe adaptiert.

Vom Schnee völlig unbeeindruckt

Weniger bedeutsam als gemeinhin angenommen ist zumindest im Flachland der Faktor Schnee. Sofern er die Fortbewegungsfähigkeit des Wildes nicht nachhaltig einschränkt oder die Äsung unerreichbar macht – kann er als Windschutz und/oder wärmende Schneehöhle sogar wichtige Vorteile mit sich bringen. Rot- und Rehwild aber auch Sauen lassen sich im Lager völlig unbeeindruckt einschneien. Raufußhühner und Rebhühner graben sich wärmende Verstecke im Schnee, vergleichbar mit den Iglus der Eskimos. Nichtsdestotrotz ist die durchschnittliche Höhe der winterlichen Schneelage nicht selten der entscheidende Faktor für die Verbreitung beziehungsweise die schwankenden Arealgrenzen einer Art.

Es sind aber vor allem extrem niedrige Temperaturen, die dem Wild das (Über-)Leben im Winter schwer machen können, besonders wenn zusätzlich ein mehr oder minder rauher Wind weht. Denn um die eigene, artspezifische Körpertemperatur aufrecht erhalten zu können, bedarf es einer gewissen Menge Energie, die „von außen“ über die Äsung oder durch körpereigene Fettreserven zur Verfügung gestellt werden muss. Doch ebenso wie bei der Höhe der Schneedecke kommt es auch bei extremen Minusgraden vor allem auf die Dauerhaftigkeit an.

So schnell verhungert kein Stück Wild

Am allerwenigsten brauchen wir uns um die Schalenwildarten zu sorgen. Im Tiefland können eigentlich nur die so genannten Katastrophenwinter mit lang anhaltenden und extrem hohen Schneelagen dem Schalenwild gefährlich werden. Mittelhohe Schneedecken führen normalerweise nur dann zu Engpässen, wenn die weiße Pracht nach zwischenzeitlichem Tauwetter an ihrer Oberfläche für längere Zeit eine feste, vereiste Harschkruste bildet. Derartige Schneelagen schränken die Fortbewegung stark ein und die Aktionsräume des Wildes bleiben vorübergehend sehr klein, was dann zu Äsungsmangel und folgerichtig zu einer Minderung der Kälteresistenz führen kann. Zumindest für den norddeutschen Raum aber kann ich mich für die zurückliegenden gut 20 Jahre nicht an solche Bedingungen über mehrere Wochen hinweg erinnern. Sind doch auch unsere Winter mehr als vorher von einer steten und oft sehr kurzfristigen Wechselhaftigkeit geprägt. Wie gesagt – so schnell verhungert kein Stück Wild. Kein Reh, kein Hirsch, aber auch kein Hase oder Rebhuhn.

Vielen von uns aber werden die beiden kälte- und extrem schneereichen Winter zum Ende der 1970er Jahre noch gut in Erinnerung sein – denn da ging es ans Eingemachte. Besonders die Niederwildbesätze wurden drastisch reduziert. Teilweise blieben nur kleine Restbesätze übrig, hier und da war die eine oder andere Wildart sogar ganz verschwunden. Letzteres galt insbesondere für Rebhuhn und Fasan. Schneehöhen ab etwa 30 Zentimetern verhindern, dass sich Rebhühner bis zur Äsung durchgraben. Was natürlich auch bei niedrigeren, aber verharschten Schneedecken der Fall ist.

Die „natürliche Verwertung“ greift sehr schnell

Von diesen Wintern haben sich die Niederwildbesätze vielerorts bis heute nicht erholt. Die Hintergründe dafür sind aber in landschaftlichen Veränderungen und der deutlich gewachsenen Zahl der Beutegreifer zu suchen. Die Besätze waren und sind in vielen Regionen zahlenmäßig einfach zu klein, als dass sie sich von sich aus wieder auf frühere Höhen schrauben könnten.

Wirklich zählbar sind die Winterverluste naturgemäß nicht. Einerseits finden wir nur relativ selten eingegangene Stücke – was auch an der extrem niedrigen Zahl liegt –, andererseits greift die „natürliche Verwertung“ sehr schnell. Die wenigen wirklich klima- beziehungsweise äsungsbedingten Verluste in normalen Wintern – sofern überhaupt vorhanden(!) – werden wir deshalb trotz intensiver Revierbeobachtung in der Regel nicht finden. Das jeweils vorkommende Raubwild, allen voran der Fuchs, aber auch das Schwarzwild sowie Greifvögel, Aaskrähen und Kolkraben leisten meist in relativ kurzer Zeit ganze Arbeit. Oft sind es erst die Greif- oder Rabenvögel, die uns auf ein Stück Fallwild aufmerksam machen.

Gelege- und Jungwildräuber

Dass mehr oder minder hohe Schneelagen vielen Beutegreifern auch darüber hinaus in die Karten spielen, liegt auf der Hand, wovon in Mitteleuropa fast ausnahmslos die Niederwildarten, mit weitestgehender Ausnahme des Rehwildes, betroffen sind. Hühner und Fasanen, aber auch Hasen und Kaninchen werden vor allem für die Greifvögel – in erster Linie für den Habicht, mit Abstrichen aber auch für andere Arten – besser sichtbar und „greifbar“. Doch auch hier darf der Faktor Winter nicht überbewertet werden.

Bei den klassischen Niederwildarten übertrifft die Einflussnahme der vorkommenden Beutegreifer – besonders zur Setz-, Brut- und Aufzuchtzeit – durch Gelege- und Jungwildprädation die Zahl der Winterverluste um ein Vielfaches. Bei dieser Betrachtung müssen auch die fast flächendeckend, zumindest aber gebietsweise restlos überhöhten Schwarzwildbestände als Gelege- und Jungwildräuber erwähnt werden.

Doch apropos Setz-, Brut- und Aufzuchtzeit: Die witterungsbedingte Mortalität durch anhaltende Niederschläge und andere klimatische Unbilden ist in dieser Periode mit einiger Sicherheit ebenfalls höher als in normalen Wintern. Bei besonders krankheitsanfälligen Arten – allen voran beim Feldhasen – kommen Abgänge durch verschiedene Krankheiten hinzu, die in aller Regel ebenfalls die witterungsbedingten Winterverluste weit übertreffen. Beim Feldhasen stehen dabei Bakterien und Parasiten als Krankheitserreger im Vordergrund. Und last but not least: Die alljährlichen Verluste durch den Straßen- und Schienenverkehr übertreffen die wetterbedingten Winterabgänge bei fast allen Wildarten ohne jeden Zweifel ebenfalls um ein Vielfaches.

Den Nutzen nicht überbewerten

Was bleibt also? Zunächst die Erkenntnis, dass wirklich kälte- und/oder schneebedingte Wildverluste außer in den höheren Lagen der Mittelgebirge und in alpinen Höhenstufen weitestgehend unbedeutend sind. Die heimischen Wildarten sind sehr gut an die normalen winterlichen Engpässe angepasst. Um die Effizienz ihrer Winter-Strategien aber aufrecht zu erhalten, brauchen sie vor allem Ruhe. Ruhe ist wichtiger als Futter! Und sie brauchen im Sommer und Herbst Lebensraumbedingungen, die sie energetisch entsprechend „vorbereitet“ in den Winter gehen lassen.

Wo immer möglich sollten wir folgerichtig versuchen, die Wildlebensräume zu optimieren und Ruhezonen zu schaffen. Bei der Niederwildhege kommt eine intensive Raubwildbejagung hinzu. Mit diesen Maßnahmen erreichen wir letztlich weit mehr als durch winterliche Fütterungen. Natürlich spricht nach wie vor nichts dagegen, für den Hasen etwas Prossholz auszubringen und für die Fasanen oder Hühner dezentral einige Handvoll Korn in die Deckung zu streuen. Es macht einfach Spaß, das Wild an diesen Plätzen dann zu beobachten, doch sollten wir den Nutzen nicht überbewerten.

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