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281 JVG – Forstlich unsinnig

1962

281 JVG – Kein Geld für großflächige Einzäunungen Forstlich unsinnig

281 JVG
Großflächige Einzäunungen musste der Pächter nicht bezahlen. Eventuell kann er sogar den Pachtpreis mindern. FOTOS: WOLFGANG RADENBACH

I. Die Rechtsgrundlage
„Der Pächter hat die Kosten für die allgemein üblichen und vom Forstamt für notwendig erachteten Wildschadensverhütungsmaßnahmen  (Einzel oder Flächenschutz) in den Waldungen aller Besitzarten in vollem Umfang zu ersetzen. Die Ersatzpflicht erstreckt sich sowohl auf die Material- als auch auf die Lohnkosten (einschließlich  Sozialzulagen).“ § 8 des Jagdpachtvertrages

II. Der Sachverhalt
E. ist Eigentümer eines etwa 57 Hektar großen Waldgrundstückes, das er zum Schutz  gegen Wildschäden eingezäunt hat (Zaunlänge rund 3,1 Kilometer). Er verlangte vom Pächter des Jagdbezirks Ersatz seiner Aufwendungen in Höhe von 13 572 DM Materialkosten und 7 420 DM Lohnkosten. Zur Begründung machte er geltend, dass der Jagdpächter laut Pachtvertrag verpflichtet sei, die Kosten für  Wildschadensverhütungsmaßnahmen in vollem Umfang zu ersetzen. Die Einzäunung sei notwendig und stelle eine übliche Maßnahme zur Abwehr vom Wildschäden im Senchtal/Schwarzwald dar. Der Jagdpächter verweigerte die Zahlung. Er entgegnete, dass eine Fläche dieser Größenordnung nicht wilddicht zu halten sei. Der Zaun sei daher zur Verhütung von Wildschäden ungeeignet.

III. Das Urteil
Das Gericht gab dem Pächter Recht. Es wies die Klage des Eigentümers ab, da der Zaun weder „allgemein üblich“ noch vom Forstamt „für notwendig“ erachtet worden sei. Bei der in § 8 des Pachtvertrages getroffenen Regelung handle es sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter, nämlich zu Gunsten der Waldeigentümer. Denn der Pachtvertrag sei zwischen der Jagdgenossenschaft und dem Pächter abgeschlossen worden, die darin enthaltene Regelung berechtige aber die am Vertrag nicht beteiligten Waldeigentümer, vom Pächter Ersatz für notwendige Wildschadensverhütungsmaßnahmen zu verlangen. Hierdurch erlangten die Waldeigentümer einen eigenen Anspruch gegen den Jagdpächter. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs seien jedoch nicht erfüllt. Die Einzäunung sei weder „allgemein üblich“ noch vom Forstamt „für notwendig“ erachtet worden. Nach den Zeugenaussagen der Forstdirektoren A. und B. stehe fest, dass Zäune dieses Umfangs auch im Renchtal „nicht üblich“ oder gar „jenseits aller Vernunft“ seien. Die umzäunten Flächen sollten nicht größer als etwa ein Hektar sein, damit sie sicher  überwacht und wilddicht gehalten werden könnten. Bei größeren Einzäunungen bestehe die Gefahr, dass sie unkontrollierbar seien und Schlupflöcher entstünden, so dass sie keinen wirksamen Schutz entfalteten. Tatsächlich sei der Zaun auch nicht wilddicht gewesen, weil öffentliche Straßen das Gebiet durchquerten. Außerdem habe das Forstamt den Zaun zu keinem Zeitpunkt „für notwendig“ erachtet. Vielmehr habe es den Eigentümer darauf hingewiesen, dass eine Gesamteinzäunung des großen Grundstücks nicht vertretbar sei. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass sich Einzäunungen dieser Größenordnung spürbar zum Nachteil benachbarter Waldeigentümer auswirken könnten. Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 3. 4. 1992 – 14 U 188/91 –

IV. Anmerkungen
In vielen Pachtverträgen sind die Verpächter dazu übergegangen, den Pächtern nicht nur den vollen Wildschaden aufzubürden, sondern ihnen auch noch die Kosten für  Wildschadensverhütungsmaßnahmen im Wald in Rechnung zu stellen. Denn Zweck dieser Maßnahmen ist es, die Wildschäden zu senken und damit die Ersatzpflicht der  Pächter zu vermindern.
Durch solche Regelungen gerät die im Gesetz vorgesehene „Balance“ zwischen  Grundeigentümer und Ersatzpflichtigem zu Lasten des Pächters aus dem Gleichgewicht. Denn nach § 32 Abs. 2 BJG sind Wildschäden in Forstkulturen mit Nicht-Hauptholzarten nur zu ersetzen, wenn der Geschädigte die üblichen Schutzvorrichtungen erstellt hat. Hat der Pächter diese Kosten übernommen, so zahlt er für Zäune und Schäden, der Eigentümer muss nur noch seine Forderungen anmelden. Keinesfalls sollte der Pächter auch noch die Unterhaltung und Instandhaltung der Anlage übernehmen, weil er dann auch  noch für Schäden haftet, die durch defekte Zäune entstanden sind. Wer gleichwohl die Kosten für Verhütungsmaßnahmen – ganz oder teilweise – übernimmt, sollte in den Pachtvertrag eine Begrenzung aufnehmen, die eine Zahlungspflicht für unsinnige oder unvorhersehbare Maßnahmen ausschließt.
Beispiel: „Der Pächter übernimmt die Kosten für Wildschadensverhütungsmaßnahmen im Wald zu … v.H. (oder:“ … bis zu einem Betrag von … Euro“; oder: „… in Höhe von … Euro/ha“), sofern diese Maßnahmen geeignet und erforderlich sind und den Regeln der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft entsprechen.“
Oder: „Der Pächter übernimmt die Kosten für Wildschadensverhütungsmaßnahmen im Wald (oder einen Anteil davon), sofern und soweit diese vom Forstamt nach den Regeln der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft angeordnet und ausgeführt wurden.“ Auch die Zahlung von Pauschalen für Verhütungsmaßnahmen ist üblich. Anders als bei  Wildschadensersatzpauschalen entstehen hier in der Regel keine Gültigkeitsprobleme, da es nicht um Schadensersatz geht. Lediglich bei einer gemeinsamen Pauschale für Wildschadensersatz und Wildschadensverhütungsmaßnahmen kommt es vor, dass diePauschale insgesamt ungültig ist.
Beispiel: „Der Pächter zahlt zur Abgeltung der Wildschäden und der  Wildschadensverhütungsmaßnahmen eine Pauschale von insgesamt … Euro (oder:“ … Euro/ha“).“ Eine solche Pauschale ist unwirksam, weil nicht zu ersehen ist, wie hoch der Betrag für Wildschäden und der für Verhütungsmaßnahmen ist. Die gezahlte Pauschale kann grundsätzlich zurückgefordert werden (siehe hierzu WuH 10/2000, S. 56).
Beispiel: „Der Pächter zahlt eine Pauschale von … Euro zur Abgeltung der Wildschäden und eine Pauschale von … Euro für Verhütungsmaßnahmen.“ Eine solche Pauschale ist hinsichtlich der Verhütungsmaßnahmen in der Regel wirksam, weil die Höhen beider Pauschalen genau festgelegt sind. Eine mögliche Unwirksamkeit der  Wildschadensersatzpauschale aus anderen Gründen (siehe hierzu WuH 10/2000, S. 56) tangiert die Verhütungspauschale nicht.
Einzäunungen nehmen dem Wild Lebensraum. Sie sind daher jagdlich kaum zu nutzen und vermindern so den Wert der Jagd. Überschreiten sie das übliche Ausmaß, so kann das einen Mangel begründen, der zur Minderung des Pachtpreises berechtigt (siehe hierzu WuH-Exklusiv „Jagdrecht (1)“, S. 26–41).
Zäune sind im Außenbereich grundsätzlich unzulässig, damit die freie Landschaft nicht zerschnitten wird (§ 35 Baugesetzbuch). Eine Ausnahme bilden Zäune land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, sofern sie notwendig sind und auch unter dem  Gesichtspunkt einer optimalen Schonung des Außenbereichs einer  ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entsprechen.
Deshalb sind Wildschutzzäune grundsätzlich zu entfernen, die nicht notwendig oder gar unsinnig sind, oder die durch Zeitablauf nicht mehr benötigt werden, weil die eingezäunten Forstpflanzen keines Schutzes mehr bedürfen.

V. Ergebnis
1. Großflächige Einzäunungen sind in der Regel forstlich unsinnig. Sie entsprechen nicht den Regeln ordnungsgemäßer Forstwirtschaft und sind daher vom Pächter nicht zu bezahlen.
2. In den Pachtvertrag sollte die Einschränkung aufgenommen werden, dass die Maßnahme notwendig sein und den Regeln ordnungsgemäßer Forstwirtschaft entsprechen muss, damit nicht munter drauflos gezäunt wird.
3. Ungeeignete und nicht notwendige Zäune sind baurechtlich unzulässig und grundsätzlich zu entfernen, da sie ein vernünftiger Forstwirt aus ökonomischen und landschaftsschonenden Gründen nicht errichten würde.
4. Je nach Sachlage können solche Anlagen den Wert einer Jagd so erheblich reduzieren, dass der Pächter den Pachtpreis mindern kann.

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