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313 JVG – Führende Bache erlegt

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313 JVG – Keine grobe Fahrlässigkeit, Führende Bache erlegt

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich ein notwendiges Elterntier erlegt. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.“ (§ 38 BJagdG) 2. „Wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheines begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheines eintreten oder der Behörde bekannt werden, so ist die Behörde verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen.“ (§ 18 BJagdG) 3. „Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen eine jagdrechtliche Vorschrift verstoßen haben.“ (§ 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG)

II. Der Sachverhalt
An einem Abend im Juni 2008 bemerkte Jäger J. zwei unterschiedlich große Sauen. Nach eingehender Beobachtung (20 Minuten) erlegte er das geringere Stück, das er als Überläufer mit einem Gewicht von 25 bis 30 Kilogramm ansprach. Zuvor hatte er weder „Striche“ am Bauch noch Frischlinge festgestellt. Die Sau brach weg und wurde bei der Nachsuche verendet gefunden. Nach Einschätzung des Nachsuchenführers handelte es sich um eine Bache mit rund 50 Kilogramm Gewicht, bei der vier Striche „kurz angesogen“ waren. In der Annahme, ein notwendiges Elterntier erlegt zu haben, erstattete J. Selbstanzeige. Daraufhin erklärte die Untere Jagdbehörde unter Anordnung des sofortigen Vollzugs seinen Jagdschein für ungültig und zog ihn ein, weil das Erlegen eines notwendigen Elterntieres einen gröblichen Verstoß gegen jagdrechtliche Vorschriften darstelle. Vor Gericht beantragte J. den sofortigen Vollzug aufzuheben, da er nicht grob fahrlässig gehandelt habe.

III. Die Gerichtsentscheidung
Vor Gericht hatte J. Erfolg. Das Verwaltungsgericht Hannover hob das sofortige Einziehen des Jagdscheins auf, weil der Bescheid voraussichtlich rechtswidrig sei (Beschluss vom 24.11.2008 – 11 B 4687/08 –). Die fehlerhafte Einschätzung des Gewichts sowie das Nichterkennen von vier „kurz angesogenen“ Strichen sei auf Grund der gegebenen Sichtverhältnisse nicht als grob fahrlässiges Fehlverhalten einzustufen. Da nach zwanzigminütigem Warten auch keine Frischlinge zu sehen gewesen seien, könne lediglich von einfacher Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Ein „gröblicher“ Verstoß gegen jagdrechtliche Vorschriften liege aber nur vor, wenn die Zuwiderhandlung schwerwiegend sei und grob fahrlässig begangen wurde (vergleiche Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg, Beschluss vom 22.11.1996 – 5 S 2661/96 –). Das Oberverwaltungsgericht schloss sich dieser Begründung an. Ergänzend wies es darauf hin, dass nach den in das Verfahren eingeführten und von den Beteiligten unwidersprochen gebliebenen Empfehlungen des Ökologischen Jagdverbands Sachsen über die Bejagung des Schwarzwildes der fehlerhaften Einschätzung des Gewichts keine Bedeutung zukomme. Denn das Gewicht sei kein sicheres Altersmerkmal, weil es je nach Fraßangebot, Jahreszeit und Geburtstermin stark schwanke. Zudem brächten Frischlinge und Überläufer über 80 Prozent des Nachwuchses, weshalb in diesen Klassen der Schwerpunkt der Bejagung liegen müsse. Frischlingen müssten daher so bejagt werden, „als wolle man sie ausrotten“, ohne dabei die Bejagung der Überläufer zu vernachlässigen, führende Bachen ausgenommen. Deshalb sei davon auszugehen, dass das Gewicht des erlegten Stückes zur Beantwortung der Frage, ob es führt, letztlich nicht entscheidend sei. Da während der zwanzigminütigen Beobachtung auch keine Frischlinge aufgetaucht und die vier angesogenen Striche auf Grund der Entfernung und der Sichtverhältnisse nur schwer erkennbar gewesen seien, habe der Jäger angesichts der gebotenen scharfen Bejagung des Schwarz wildes voraussichtlich keine gröbliche Pflichtverletzung begangen. (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.3.2009 – 11 ME 476/08 –)

IV. Anmerkungen
Sehr zu begrüßen ist, dass beide Gerichte unter den gegebenen Verhältnissen wenigstens einen groben Verstoß gegen jagdrechtliche Vorschriften verneint haben. Denn jeder Jäger weiß, wie schwierig es ist, führende Bachen bei schlechter Sicht sicher anzusprechen. Der Druck zwischen effektiver Bejagung einerseits und dem Schutz notwendiger Elterntiere andererseits ist enorm. In solchen Situationen gilt, Ruhe zu bewahren und das Stück und seine Umgebung genau zu beobachten, ehe man den Finger krümmt. Denn schon normale Fahrlässigkeit reicht aus, um wegen Erlegens eines notwendigen Elterntieres nach § 38 Abs. 2 BJagdG bestraft zu werden. Und wer will schon wegen einer führenden Bache seinen Jagdschein riskieren? Im vorliegenden Fall wurde ein Strafverfahren eingeleitet, das aber nachträglich wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage eingestellt wurde. Immerhin hatte der Jäger zwanzig Minuten gewartet und die Sau beobachtet, ehe er sich zum Schuss entschloss. Dass er dabei die „kurz angesogenen“ Striche nicht erkannte, war ihm unter den gegebenen Verhältnissen kaum vorzuwerfen. Inzwischen ist vielen Behörden und Gerichten bekannt, dass das Erlegen einer führenden Bache trotz bestem Willen und aller Vorsicht nie ganz auszuschließen ist, so dass keineswegs automatisch Fahrlässigkeit gegeben ist. Von einem ähnlichen Fall aus Heidelberg berichteten wir in WuH 5/2000, Seite 52. Damals hatte ein Jäger Anfang Juli eine, seiner Ansicht nach, schwache Bache aus einer Rotte starker Sauen erlegt, bei der er keine Frischlinge gesehen hatte. Nachträglich stellte sich dann heraus, dass es sich um ein säugendes Elterntier handelte. Das Amtsgericht Heidelberg (Urteil vom 26.9.1997 – 13 AK 49/97 Cs –) sprach den Jäger mangels Fahrlässigkeit frei, woraufhin die Staatsanwaltschaft in Berufung ging. Das Landgericht forderte ein ausführliches Sachverständigengutachten, das zu dem Ergebnis gelangte, der Jäger habe fahrlässig gehandelt. Wer im Sommer aus einer Rotte ein voll verfärbtes Stück erlege, ohne es vorher genau angesprochen zu haben, müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer führenden Bache rechnen. Daraufhin legte der Verteidiger ein Gegengutachten vor. Hieraus er gab sich, dass deutlich ausgebildete Zitzen nicht zwingend bedeuten würden, die Bache habe bei ihrer Erlegung tatsächlich Frischlinge geführt. Denn bei einem Verlust ihrer Frischlinge könne es eine Woche dauern, bis sich das Gesäuge zurückgebildet habe. Angesichts dieser konträren Situation stellte das Gericht das Verfahren ein (Landgericht Heidelberg, Beschluss vom 21.4.1999 – 4 Ns 23 Js 24079/96 –).

V. Ergebnis 1. Eine gröbliche Verletzung jagdrechtlicher Vorschriften, die in der Regel die Unzuverlässigkeit begründet, liegt nur vor, wenn der Verstoß schwerwiegend ist und außerdem grob fahrlässig begangen wurde. 2. Wurde trotz sorgfältiger Beachtung der jagdlichen Sorgfaltspflichten ein notwendiges Elterntier erlegt, liegt in der Regel keine Fahrlässigkeit und damit auch keine Straftat vor.

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