319 JVG – Biogasanlagen Wildschäden an, Energiemais
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
1. „Wird ein Grundstück, das zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehört, durch Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen beschädigt, so hat die Jagdgenossenschaft dem Geschädigten den Wildschaden zu ersetzen. … Hat der Jagdpächter den Ersatz … übernommen, so trifft ihn die Ersatzpflicht.“ § 29 Abs. 1 BJagdG 2. „Der Wildschaden, der an … Freilandpflanzungen von … hochwertigen Handelsgewächsen entsteht, wird … nicht ersetzt, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist … .“ § 32 Abs. 2 BJagdG
II. Der Sachverhalt
Landwirt L. meldete im Mai und Oktober einen Wildschaden an Silomais auf verschiedenen Parzellen an. Beim Ortstermin, der erst im Oktober stattfand, bewertete der Schätzer alle Schäden und vermerkte einen Gesamtschaden von 1 400 Euro. Auf dieser Grundlage erließ die Gemeinde einen Vorbescheid über diesen Betrag. Die Jagdpächter waren damit nicht einverstanden. Sie erhoben Klage und machten geltend, dass der Mais nicht für eine landwirtschaftliche Nutzung bestimmt gewesen sei, sondern für eine Biogasanlage, also für einen Gewerbebetrieb. Im Übrigen handle es sich bei Mais für Biogasanlagen um ein „hochwertiges Handelsgewächs“, sodass ein Schaden nur bei Bestehen der üblichen Schutzvorrichtungen zu ersetzen sei.
III. Das Urteil
Das Gericht gab den Jagdpächtern recht. Es hob den Vorbescheid auf, weil hinsichtlich der im Mai gemeldeten Schäden kein Vorverfahren stattgefunden hatte. Die im Oktober rechtzeitig gemeldeten Schäden mit den Schäden vom Mai waren untrennbar vermischt, sodass die Höhe des Schadens vom Oktober nicht bestimmt werden konnte. Die Klage der Pächter hatte schon aus diesen Gründen Erfolg. Das Gericht ließ offen, ob Schäden an Energiemais überhaupt zu ersetzen sind, weil er nicht als Nahrungsmittel verwendet wird, sondern zur industriellen Herstellung von Energie. Ebenso wenig ging das Gericht darauf ein, ob Energiemais ein hochwertiges Handelsgewächs ist, das durch übliche Schutzvorrichtungen geschützt werden muss. Amtsgericht Daun, Urteil v. 28.2.2007 – 3 C 624/06
IV. Anmerkungen
1. Verlust des Anspruchs durch Vermischung Zu den häufigsten Fehlern beim Ersatz von Wildschäden gehört, dass der Schaden verspätet angemeldet wird oder ein rechtzeitig angemeldeter Schaden untrennbar mit nicht zu ersetzenden Schäden vermischt ist. Nach § 34 erlischt der Anspruch, wenn der Geschädigte den Schaden nicht binnen einer Woche, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Beachtung gehöriger Sorgfalt Kenntnis erhalten hätte, bei der zuständigen Stelle angemeldet hat. Aus den Worten „bei Beachtung gehöriger Sorgfalt Kenntnis erhalten hätte“ leiten die Gerichte und die juristische Literatur den allgemeinen Grundsatz ab, dass Schäden, die bei Kenntniserlangung bereits älter als ein Monat sind, nicht mehr zu ersetzen sind, weil der Landwirt seine Felder mindestens monatlich kontrollieren muss (Mitzschke/Schäfer, § 34 BJagdG, RandNr. 7; Leonhardt, Jagdrecht, § 34 Anmerkung 6). Bei erhöht gefährdeten Flächen beträgt diese Frist zwei Wochen (beispielsweise bei in der Vergangenheit wiederholt beschädigten Grundstücken), fortlaufende Schäden müssen sogar fortlaufend kontrolliert und angemeldet werden. Eine untrennbare Vermischung von zu ersetzenden Schäden mit nicht zu ersetzenden Schäden führt zum Verlust des Anspruchs. Eine solche Vermischung kann mit verspätet angemeldeten Schäden eintreten, mit Schäden von anderem Wild (Dachsen, Tauben usw.), von Haustieren, von Unwettern (Hagel, Überschwemmung), von unangemeldeten Schäden. Denn sobald eine solche Vermischung nicht in einen Teil aufgelöst werden kann, der zu ersetzen ist, und einen oder mehrere andere Teile, die nicht zu ersetzen sind, kann der Geschädigte die Höhe des zu ersetzenden Schadens nicht beziffern und damit auch nicht beweisen. 2. Energiemais ersatzpflichtig 2.1 Kein hochwertiges Handelsgewächs Ein besonderes Problem stellen die weiträumigen, uneinsehbaren Maisschläge dar. Sie dienen der Energiegewinnung durch Biogas. Derzeit werden rund zwei Millionen Hektar Land mit nachwachsenden Rohstoffen bewirtschaftet, die Zahl der Biogasanlagen ist auf über 4 000 gestiegen. Überwiegend wird Silomais zur Energiegewinnung angebaut, weil er die Sonnenenergie am besten aufnehmen und speichern kann. Aber auch andere Pflanzen kommen zur Herstellung von Biogas in Betracht. So erzielen beispielsweise 1,2 Hektar Getreide-Silage den gleichen Biogasertrag wie ein Hektar Maissilage. Eine negative Folge der Anpflanzungen zur Energiegewinnung ist, dass auch Stilllegungsflächen mit nachwachsenden Rohstoffen wie Mais bepflanzt werden dürfen, sodass dem Niederwild, aber auch zahlreichen Insekten und anderen Tierarten, ein wertvoller Lebensraum verloren geht. Wildschäden an Mais und anderen Feldfrüchten, die zur Energiegewinnung angepflanzt werden (Getreide, Raps usw.), sind nach derzeitig überwiegender Meinung zu ersetzen. Denn es handelt sich um normale Feldgewächse, die auch zu Futterzwecken angebaut werden und daher nicht durch übliche Schutzvorrichtungen geschützt werden müssen. Allein die Tatsache, dass Mais nicht als Lebens- oder Futtermittel verwendet wird, sondern der gewerblichen Energiegewinnung dient, führt nicht dazu, dass die Schäden nicht zu ersetzen sind. Auch Schäden an Blumen, Zierpflanzen und Farbgewächsen dienen nicht der Ernährung und sind zu erstatten. Außerdem bestimmt § 29 Abs. 1 BJagdG ganz allgemein, dass Schäden „an Grundstücken“ zu ersetzen sind, unabhängig von der Pflanzenart. Selbst Wühl- und Zaunschäden fallen unter die Ersatzpflicht. Energiemais ist Silomais, er unterscheidet sich nicht von Futtermais und ist daher nicht wertvoller als dieser. Allein der andere Verwendungszweck macht ihn nicht zu einem hochwertigen Handelsgewächs. Auch ein großflächiger Anbau ändert daran nichts. Obergerichtlich abgesichert ist das aber noch nicht. Denn nach der Rechtsprechung sind „hochwertige Handelsgewächse“ Pflanzen, die nicht für den direkten Endverbrauch geeignet sind, jedoch „den Rohstoff für wertvolle Waren abgeben“ (Bundesgerichtshof, Urteil v. 22.7.2004 – III ZR 359/03, WuH 1/2005, S. 104; ebenso Mitzschke/Schäfer, BJagdG, § 32 RandNr. 22). Hierzu gehören z. B. Arzneimittel- und Farbpflanzen, die nicht zum direkten Endverbrauch geeignet sind, im Gegensatz zu Gemüse, Getreide und Futtermittel. Mais ist auf den ersten Blick zum direkten Verbrauch als Futtermittel geeignet und danach kein technischer Rohstoff. Die entscheidende Frage lautet daher, ob er zum Rohstoff wird, wenn er im konkreten Fall nur zur Energiegewinnung angebaut wird. Wird das bejaht und zusätzlich die gewonnene Energie als hochwertig eingestuft, könnte der Mais ein hochwertiges Handelsgewächs sein, sodass er durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen geschützt werden müsste. Denn nach der Definition muss nicht der Rohstoff hochwertig sein, sondern das Endprodukt. Trotzdem wird in der Praxis wegen des Gesetzeswortlauts und des Gesetzeszwecks immer auch ein hoher Wert des Rohstoffs verlangt. Denn nach § 32 Abs. 2 BJagdG sind „hochwertige Handelsgewächse“ durch übliche Schutzvorrichtungen zu schützen, das heißt, die Gewächse müssen hochwertig sein, nicht das Endprodukt. Zuckerrüben, Gerste und Raps beispielsweise, die industriell zu Zucker, Bier und Öl verarbeitet werden, stellen daher kein hochwertiges Handelsgewächs dar, während Hybridmais (Zuchtmais) allein wegen seines hohen Pflanzenwertes (23mal so teuer wie normaler Mais) als hochwertiges Handelsgewächs anerkannt wurde, obwohl er überhaupt nicht als Rohstoff für eine industrielle Verarbeitung bestimmt ist (AG Bruchsal, Urteil vom 4.4.1996 – 2 C 511/95 -, WuH 23/1996, S. 58). Auch der Zweck des Gesetzes spricht dafür, dass die Pflanze hochwertig sein muss. Denn § 32 Abs. 2 BJagdG verfolgt das Ziel, die Gefahr eines besonders hohen Schadens vom Ersatzpflichtigen abzuwenden und auf den Geschädigten zu verlagern, weil er mit dem Anpflanzen der wertvollen Gewächse die erhöhte Gefahr begründet hat. Der an der Energiepflanze Mais entstehende Schaden ist aber nicht höher als bei Futtermais. Deshalb hat der Energiemais insgesamt wohl nur geringe Chancen, künftig als hochwertiges Handelsgewächs eingestuft zu werden, sodass Schäden an ihm auch ohne übliche Schutzvorrichtungen zu ersetzen sind. In der Regel sind die Kosten für die Beschaffung von Ersatzmais, ansonsten für andere für Biogas geeignete Pflanzen, zu ersetzen. Nicht zu erstatten ist ein eventueller Stromverlust, weil dieser Schaden nicht am Grundstück, sondern am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und damit an einem anderen Rechtsgut entstanden ist. 2.2 Besondere Schutzmaßnahmen des Landwirts notwendig Zu berücksichtigen ist aber, dass die Gefahr hoher Wildschäden bei Energiemais vor allem darauf beruht, dass er großflächig angebaut wird und diese Flächen kaum zu schützen und nur schwer zu bejagen sind. Weil „Schadensverhütung vor Schadensvergütung“ geht, ist hier eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Jäger erforderlich. Da der Landwirt durch den großflächigen Anbau die Gefahrenerhöhung verursacht hat, muss er in erhöhtem Maße an der Schadensverhütung mitwirken, damit ihn kein Mitverschulden trifft. Als geeignete Maßnahmen kommen in Betracht: . die Freihaltung eines ausreichenden Randstreifens zur Errichtung von Zäunen jeder Art, insbesondere von Elektrozäunen, . die Einhaltung eines ausreichenden Waldabstands als Schussschneise mit deckungsloser Bepflanzung (z. B. Rüben oder Kartoffeln), . die Freihaltung von niedrig bepflanzten Schussschneisen innerhalb des Maisfeldes, . die Gestattung der Errichtung von Hochsitzen zwecks effektiver Bejagung des Schwarzwildes, . sofortige Information der Jagdausübungsberechtigten über Aussaat, Milchreife und Ernte sowie festgestelltem oder gefährtetem Schwarzwild in den Schlägen. Da die Freihaltung von Schussschneisen und Waldabständen in der Praxis oft vom Landwirt verweigert wird, ist eine sichere Lösung des Problems nur durch eine Haftungsbegrenzung im Pachtvertrag zu erreichen. Denn den Landwirten kann im Pachtvertrag keine Mithaftung für Wildschäden und auch keine das Mitverschulden übersteigende Mitwirkung an der Schadensverhütung auferlegt werden, weil sie nicht Vertragspartner sind. Nur durch einen zusätzlichen Vertrag mit ihnen selbst könnte das erreicht werden, was aber nicht realistisch ist.
V. Ergebnis
1. Eine obergerichtliche Entscheidung zum Ersatz von Wildschäden an Energiemais gibt es noch nicht. Die nachfolgenden Ausführungen sind daher noch nicht gerichtlich abgesichert. 2. Allein die Verwendung zur Herstellung von Biogas steht dem Ersatz nicht entgegen. 3. Energiemais ist üblicher Silomais und daher eher kein hochwertiges Handelsgewächs, sodass er nicht vom Landwirt mit Schutzvorrichtungen umzäunt werden muss. 4. Bei großflächigen und waldnahen Anpflanzungen obliegt dem Geschädigten eine deutlich erhöhte Mitwirkungspflicht zur Verhütung von Wildschäden, andernfalls trifft ihn ein erhebliches Mitverschulden, das seinen Ersatzanspruch vermindert.