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336 JVG – Wann zahlt die Kasko-Versicherung?

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336 JVG – Wildunfall, Wann zahlt die Kasko-Versicherung?

336 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Die Teilkasko umfasst Schäden … durch einen Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild im Sinne des § 2 BJagdG …, durch Marderbiss an Kabeln, Schläuchen und Leitungen… sowie durch Bruch an der Verglasung des Fahrzeugs.“ § 12 Abs. 1 Nr. I. d), e) und f) allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung 2. „Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt; bei grober Fahrlässigkeit ist er berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.“ 3. „Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und die Weisungen des Versicherers zu befolgen. 4. „Der Versicherer hat Aufwendungen des Versicherungsnehmers zur Abwendung des Schadens insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte.“ §§ 81 bis 83 Versicherungsvertragsgesetz

II. Der Sachverhalt
Fahrer F. fuhr mit seinem Pkw kurz nach Mitternacht auf der Autobahn. Plötzlich sah er kurz vor sich ein Stück Schwarzwild auf der Fahrbahn liegen, das sich nicht mehr bewegte. Beim Überfahren des Stückes löste der Seitenairbag aus, wodurch ein Schaden von rund 970 Euro entstand. Die Teilkaskoversicherung lehnte den Ersatz des Schadens ab, da tot auf der Fahrbahn liegendes Wild wie ein sonstiges Hindernis zu bewerten sei. Die typische Tiergefahr habe sich darin nicht verwirklicht. F. ging vor Gericht und machte geltend, dass es nach dem Wortlaut der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung nicht darauf ankomme, ob das Wild noch gelebt und sich bewegt habe.

III. Das Urteil
Das Gericht gab F. recht und verurteilte die Versicherung zum Schadensersatz. Zur Begründung führte es aus, dass nach dem klaren Wortlaut des § 12 der Versicherungsbedingungen nur das Fahrzeug in Bewegung sein müsse, nicht aber auch das Wild. Anders sei diese Vorschrift nicht zu verstehen. Außerdem habe sich auch bei einem bereits tödlich überfahrenen Stück Wild die Tiergefahr verwirklicht, da es unkontrolliert auf die Fahrbahn gelaufen und dort zu einem Hindernis geworden sei. Auch ein auf der Fahrbahn geblendet stehendes Stück verwirkliche die Tiergefahr. Die Versicherung habe daher den Schaden zu ersetzen. Landgericht Stuttgart, Urteil vom 7.2.2007 – 5 S .244/ 06 – ; ebenso Oberlandesgericht Nürnberg, NJW-RR 1994, S. 538

IV. Anmerkungen
Jahr für Jahr ereignen sich weit über 200 000 Wildunfälle auf unseren Straßen mit einem Schaden von rund 500 Millionen Euro. Viele Autofahrer haben daher eine Kaskoversicherung abgeschlossen, um sich vor solchen Schäden zu schützen. Mit einer Vollkaskoversicherung gibt es in der Regel keine Probleme. Sie ersetzt die Schäden am Fahrzeug, auch wenn sie erst durch das Ausweichen und anschließende Schleudern entstanden sind. 1. Teilkaskoversicherung Anders ist es bei einer Teilkaskoversicherung. Sie tritt grund sätzlich nur ein bei Schäden, die entstanden sind . durch einen Zusammenstoß mit lebendem Haarwild (BGH, Urteil vom 18.12.1996 – IV ZR 321/ 95 -); . durch einen Zusammenprall mit totem Haarwild (siehe oben III.); . durch abruptes Ausweichen oder Abbremsen vor lebendem oder totem Haarwild ab Rehwildgröße mit anschließendem Aufprallgegen ein Hindernis, zum Beispiel gegen einen Baum oder eine Leitplanke (BGH, Urteil vom 18.12.1996 – IV ZR 321/95 – und vom 25. 6.2003 – IV ZR 276/02 -). . Wichtige Obliegenheit: Der Versicherte ist grundsätzlich gehalten, den Schaden nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu vermindern. Hierzu gemachte Aufwendungen (Maßnahmen zur Schadensverhinderung) sind ihm vom Versicherer zu erstatten, soweit er sie nach den konkreten Umständen für geboten halten durfte (§ 83 Versicherungsvertragsgesetz). Ein gefährliches Ausweichen oder Abbremsen vor einem Tier ist aber nur „geboten“, wenn der dadurch drohende Schaden nicht größer ist als der Schaden, der durch den Zusammenstoß mit dem Tier entstehen würde. . Hieraus folgt als Faustregel, dass ein riskantes Ausweichen/ Abbremsen vor Wild bis einschließlich Fuchsgröße in der Regel nicht geboten und daher zu unterlassen ist, weil dadurch die Gefahr höherer Sach- und Personenschäden begründet wird. Ab Rehwildgröße ist ein Ausweichen und Abbremsen grundsätzlich geboten und dadurch entstehende Schä den zu ersetzen. Im Einzelfall kann es hiervon je nach Verkehrssituation auch Ausnahmen geben, insbesondere für Motorradfahrer. . Wichtig ist immer auch ein Blick in den eigenen Versicherungsvertrag, weil abweichende Vereinbarungen vorgehen. So haben beispielsweise gute Versicherer die Haftung auf Zusammenstöße mit „Tieren aller Art“ ausgedehnt, also auch mit Vögeln (zum Beispiel Fasanen und Greife). Außerdem werden Glasschäden durch Federwild und Vögel sowie Schäden durch Marderbiss an Schläuchen und Leitungen ersetzt. Nicht erstattet werden jedoch hierdurch entstandene Folgeschäden. Fährt beispielsweise ein Fahrer wegen einer zerbissenen Bremsleitung oder eines gegen die Windschutzscheibe geflogenen Vogels in den Graben, wird der dadurch eintretende Schaden nicht ersetzt. 2. Haftpflichtschäden Wird ein anderer Verkehrsteilnehmer bei einem Wildunfall geschädigt oder verletzt, so kann das auch im allgemeinen Haftungsrecht erhebliche Auswirkungen haben, insbesondere beim Mitverschulden. Wer zum Beispiel auf einer befahrenen Straße trotz Hintermannes wegen Haarwildes bis einschließlich Fuchsgröße unvermittelt stark abbremst und dadurch einen Auffahrunfall verursacht, trägt eine erhebliche Mitschuld am Schadenseintritt. Er muss daher einen Teil seines Schadens selbst tragen, häufig ein Drittel. Die übrigen zwei Drittel des Auffahrunfalls fallen dem Hintermann zur Last, weil er einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten oder nicht aufgepasst hat. 3. Beweis- und Anzeigepflicht Wer einen Wildunfall geltend macht, muss diesen im Zweifel beweisen. Hierfür sind Spuren am Fahrzeug und Unfallort ebenso wichtig wie Zeugenaussagen der Mitfahrer oder anderer Verkehrsteilnehmer, die den Unfall gesehen haben. Spuren am Fahrzeug sind in der Regel erst nach Zustimmung der Versicherung zu entfernen. Wird die Polizei oder der Jagdausübungsberechtigte hinzugezogen, können auch sie den Wildunfall durch eine Wildunfallbescheinigung bestätigen. Bei Fahrten durch den Wald muss jederzeit miteinem plötzlichen Auftauchen von Wild auf der Fahrbahn gerechnet werden. Ein entsprechendes Warnschild ist nicht erforderlich. Solche Hinweisschilder („Wildwechsel“) befinden sich nur an erhöht gefährdeten Stellen. Wildschutzzäune sind nur in Ausnahmefällen zu errichten. In den meisten Bundesländern muss der Fahrer einen Unfall mit Schalenwild unverzüglich dem zuständigen Jagdausübungsberechtigten oder der nächsten Polizeidienststelle anzeigen. Das dient nicht nur dem Tierschutz (Fangschuss, Nachsuche) und dem Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten, sondern kann auch versicherungsrechtlich von erheblicher Bedeutung sein. Zuwiderhandlungen wer den als Ordnungswidrigkeit verfolgt (so in Baden- Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig- Holstein und Thüringen). 4. Wildunfall oder Jagdunfall? Kein Wildunfall, sondern ein Jagdunfall liegt vor, wenn bei einer Drückjagd in Straßennähe Wild in Richtung der Straße durchbricht und einen Unfall verursacht, weil die Straße und der Verkehr nicht genügend gesichert wurden. Denn hier liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bei Gesellschaftsjagden vor, weil das Wild absichtlich hoch gemacht wurde und die nahe liegende Straße nicht genügend abgesichert wurde. Ein Wildunfall liegt nur vor, wenn das Wild „freiwillig“ die Straße überquert oder unbeabsichtigt durch Spaziergänger, Land- oder Forstwirtschaft oder durch eine Einzeljagd in nicht unmittelbarer Straßennähe aufgescheucht wird und über die Straße flüchtet. Bei einem Jagdunfall haftet die Jagdhaftpflichtversicherung, bei einem Wildunfall die Kaskoversicherung.

V. Ergebnis
1. Bei einer Vollkaskoversicherung werden Unfallschäden durch Wild grundsätzlich ersetzt. 2. Bei einer Teilkaskoversicherung werden in der Regel nur Schäden durch den Zusammenstoß mit Haarwild erstattet. Kommt es infolge eines riskanten Abbremsens oder Ausweichens nicht zu einer Kollision mit dem Wild, werden Schäden durch das Abbremsen/Ausweichen mit anschließender Kollision mit einem Hindernis grundsätzlich . bei Haarwild ab Rehgröße ersetzt, . bei Haarwild bis einschließlich Fuchsgröße und Federwild nicht ersetzt. 3. Glasschäden von Federwild und sonstigen Vögeln werden erstattet, desgleichen Schäden durch Marderbiss an Schläuchen und Leitungen. 4. In den meisten Bundesländern sind Unfälle mit Schalenwild unverzüglich dem Jagdausübungsberechtigten oder der nächsten Polizeidienststelle anzuzeigen. Zuwiderhandlungen sind Ordnungswidrigkeiten

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