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349 JVG – Die Knackpunkte bei Wildschäden (2)

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349 JVG – Die Knackpunkte bei Wildschäden (2) Fehlende Schutzvorrichtung

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

1. „Der Wildschaden, der an Weinbergen, Gärten, Obstgärten, Baumschulen, Alleen, einzel stehenden Bäumen, Forstkulturen, die durch Einbringen anderer als der im Jagd-bezirk vorkommenden Hauptholzarten einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, oder Freilandpflanzungen von Garten- oder hochwertigen Handelsgewächsen entsteht, wird, soweit die Länder nicht anderes bestimmen, nicht ersetzt, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen.“ 32 Abs. 2 BJagdG

2. „Als übliche Schutzvorrichtungen, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung von Wildschäden ausreichen, sind außer anderen geeigneten Mitteln anzusehen: wilddichte Zäune gegen Rot-, Dam-, Sika- und Muffelwild in Höhe von 1,80 Meter (m), gegen Rehwild von 1,50 m, gegen Schwarzwild, Hasen und Wildkaninchen in Höhe von 1,20 m über und 0,30 m in der Erde.“ § 1 DVO LJagdG NRW (ähnlich in den übrigen Ländern)

II. Der Sachverhalt

An einem Golfplatz entstanden erhebliche Wühlschäden durch Schwarzwild. Der Geschädigte verlangte vom Jagdpächter Schadensersatz, da Golfplätze in § 32 Abs. 2 BJagdG nicht genannt werden. Der Jagdpächter entgegnete, dass das Schwarzwild von dem teuren Rasen besonders angelockt worden sei. Das Amtsgericht gab dem Pächter recht, der Geschädigte ging in die Berufung.

III. Das Urteil

Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen, weil der Geschädigte keine üblichen Schutzvorrichtungen errichtet hatte. Zur Begründung wies das Gericht darauf hin, dass § 32 Abs. 2 BJagdG dem Zweck diene, eine gerechte Risikoverteilung herbeizuführen. Weil der Ersatzpflichtige auch ohne eigenes Verschulden für Wildschäden hafte, müsse der Geschädigte dann übliche Schutzvorrichtungen erstellen, wenn er Pflanzungen anlege, die entweder erhöht gefährdet oder besonders hochwertig seien.

Bei Golfplätzen könne von dem gepflegten Rasen, ähnlich wie bei Gärten und Obstgärten, eine besondere Verlockung ausgehen, weil Schwarzwild hier gerne nach Engerlingen breche. Deshalb könnten Golfplätze einem Garten gleichgestellt werden. Außerdem sei der Schaden besonders hoch, weil die Wiederherstellung des Rasens etwa fünfmal so teuer sei wie bei Wiesen und Weiden. Nach dem Zweck des § 32 Abs. 2 solle der Ersatzpflichtige vor hohen Schäden bewahrt werden, auch wenn die Pflanze, wie bei hochwertigen Handelsgewächsen, selbst keine erhöhte Anziehung auf das Wild ausübe. Es sei daher gerechtfertigt, auch bei Golfplätzen die Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen zu verlangen, wie dies bei Gärten und hochwertigen Handelsgewächsen der Fall sei.

Dem stehe nicht entgegen, dass die Errichtung eines Schutzzaunes aus Gründen des Landschaftsschutzes unzulässig sei. Denn dieses Verbot falle in die Risikosphäre dessen, gegen den sich das Verbot richte, mithin gegen den Grundstücksnutzer. Ebenso sei es zum Beispiel, wenn der Errichtung wasserrechtliche Vorschriften entgegenstünden.

Landgericht Hannover, Urteil vom 8.9.1982 – 16 S 371/81-; ebenso: Landgericht Koblenz, Urteil vom 5.5.2010 – 12 S 212/09- (Fußballplatz); Amtsgericht Walsrode, Urteil vom 11.4.1990 – VII C 102/90 – (Modellflugzeugplatz)

IV. Anmerkungen

1. Schutzvorrichtungen im Feld

Der Zweck des § 32 Abs. 2 besteht in der gerechten Verteilung des Wildschadensrisikos:

• Schäden an Feldpflanzen (zum Beispiel Getreide, Mais, Kartoffeln, Raps, Rüben) hat der Jagdpächter zu ersetzen, der Geschädigte muss keine Schutzmaßnahmen ergreifen. Will der Jagdpächter Schäden verhindern, muss er selbst tätig werden, zum Beispiel durch Errichtung eines Elektro-Zaunes oder verstärkter Bejagung.

• Schäden an Gartengewächsen (Gemüse, Obst, Sonnenblumen, Weintrauben, Zierpflanzen und hochwertige Handelsgewächse) muss der Geschädigte durch Errichtung und Instandhaltung der üblichen Schutzvorrichtungen schützen, andernfalls gibt es keinen Ersatz. Der Grund besteht in der stärkeren Gefährdung dieser Pflanzen sowie in deren erhöhtem Wert.

• Zu beachten ist hierbei, dass die Errichtung von Schutzzäunen im Außenbereich nach dem Baurecht grundsätzlich unzulässig ist, außer in Sonderfällen, wie zum Beispiel bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (§ 35 Baugesetzbuch). Kein „Betrieb“ in diesem Sinne ist aber beispielsweise eine Anpflanzung zur Versorgung der Familie und naher Bekannter, aus Liebhaberei oder bei hobbymäßiger Haltung von Tieren.

2. Schutzvorrichtungen im Wald

Ähnlich ist es bei Kulturen im Wald:

• Kulturen mit ausschließlich Hauptholzarten müssen nicht durch übliche Schutzvorrichtungen geschützt werden, solche mit (seltenen) Nebenholzarten stets, auch wenn sie nur beigemischt sind. Der Grund liegt in der größeren Anziehungskraft der Nebenhölzer.

Grundsätzlich kann jede heimische Baumart Hauptholzart sein, entscheidend ist allein ihre Häufigkeit im jeweiligen Revier. Als Faustregel kann daher gelten, dass alle standortgemäßen Baumarten, die im Altbestand zu mindestens zehn Prozent vorkommen und über eine ausreichende Naturverjüngung verfügen, zu den Hauptholzarten zählen. Alle übrigen Baumarten sind Nebenholzarten. Deren Kulturen sind, ob rein oder vermischt mit Hauptholzarten, durch übliche Schutzvorrichtungen zu schützen. Je weniger Haupthölzer, desto mehr muss der Geschädigte zäunen. In NRW ist die Sonderregelung des § 33 LJagdG zu beachten.

Jeder muss wissen, dass eine im Pachtvertrag vereinbarte Beteiligung an den Kosten zur Wildschadensverhütung die vom Gesetz vorgesehene obige Balance zu Lasten des Pächters verschiebt. Eine solche Beteiligung ist im Gesetz nicht vorgesehen, sie beruht auf der Vertragsfreiheit und ist somit eine freie „Erfindung“ der Verpächter. Für den Pächter macht sie nur Sinn, wenn lediglich Kulturen mit ausschließlich Hauptholzarten gezäunt werden und die Zäunung nach den Regeln der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft ausnahmsweise notwendig ist, um höhere Schäden zu verhindern (die der Pächter ersetzen müsste). Bei Nebenholzarten und gemischten Kulturen dient dieser Kostenbeitrag nur der Entlastung des Verpächters, da nach dem Gesetz allein er zur Erstellung der üblichen Schutzvorrichtungen verpflichtet ist.

3. Ausnahme:

Feldmäßiger Gemüseanbau

Eine Ausnahme von obiger „Balance“ bildet der feldmäßige Gemüseanbau. Wird ein Gartengewächs großflächig wie Feldpflanzen angebaut, wird es als Feldpflanze eingestuft, sodass es nicht durch übliche Schutzvorrichtungen geschützt werden muss. Hierfür müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

• Der feldmäßige Anbau des Gartengewächses muss sich auf ein Gebiet von deutlich mehr als einen Landkreis erstrecken;

• der gartenmäßige Anbau muss in diesem Gebiet im Vergleich zum feldmäßigen Anbau kaum noch eine Rolle spielen;

• der feldmäßige Anbau muss in der

Region schon seit Jahren nachhaltig betrieben werden und

• als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung „einiges Gewicht“ haben (Bundesgerichtshof, Urteil v. 3.12.2009 – III ZR 139/09 – (Spargel); WuH 13/2012, S. 72).

Einiges Gewicht hat der feldmäßige Anbau zum Beispiel nach seinem Anteil an der Gesamtackerfläche, auf den Anteil an der gesamten Gemüseanbaufläche kommt es nicht an. In der Regel genügt es nicht, wenn dieser Anteil unter einem Prozent liegt. Wo genau die Grenze liegt, ist noch nicht entschieden. Alle obigen Voraussetzungen muss der Geschädigte beweisen, zum Beispiel durch ein landwirtschaftliches Gutachten oder eine entsprechende Auskunft des zuständigen Landwirtschaftsamts.

Hinweis: Nach einem neuen Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11.12.12 (Az. W 4 K 12.594) ist die Errichtung eines Zaunes zum Schutze eines Golfplatzes vor Wildschäden im Außenbereich ohne eine Rechtsgrundlage im Bebauungsplan nach § 35 Baugesetzbuch unzulässig. Das Landratsamt habe daher die Beseitigung des Zaunes zu Recht ange-ordnet. Der Zaun diene weder einem land-oder forstwirtschaftlichen Betrieb noch einem sonstigen privilegierten Vorhaben. Er sei in der landwirtschaftlich genutzten Umgebung wesensfremd, zerschneide die freie Landschaft und beeinträchtige damit die natürliche Eigenart der Landschaft sowie Belange des Naturschutzes.

V. Ergebnis

1. Schäden an Feldpflanzen und Forstkulturen mit Hauptholzarten hat der Jagdpächter zu ersetzen. Der Geschädigte muss keine üblichen Schutzvorrichtungen erstellen, weil diese Pflanzen großflächig vorkommen und daher keine besondere Anziehung auf das Wild ausüben.

2. Schäden an Gartengewächsen, Zierpflanzen und hochwertigen Handelsgewächsen sowie an Forstkulturen mit Nebenholzarten – ausschließlich oder beigemischt – muss der Jagdpächter nur ersetzen, wenn der Geschädigte die übli-chen Schutzvorrichtungen errichtet und instand gehalten hat.

3. Wird ein Gartengewächs oder hochwertiges Handelsgewächs in einer größeren Region feldmäßig angebaut, kann das bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen zur Folge haben, dass es als Feldpflanze einzustufen ist und damit nicht durch übliche Schutzvorrichtungen geschützt werden muss.

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