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350 JVG – Die Knackpunkte bei Wildschäden (3)

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350 JVG – Die Knackpunkte bei Wildschäden (3) Mitverschulden und Wiederanbau

350 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

1. „Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist.

Das gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Geschädigten darauf beschränkt, dass er es unterlassen hat, … den Schaden abzuwenden oder zu mindern.“ § 254 Bürgerliches Gesetzbuch

2. „Bei der Feststellung der Schadenshöhe ist jedoch zu berücksichtigen, ob der Schaden nach den Grundsätzen einer ordentlichen Wirtschaft durch Wiederanbau im gleichen Wirtschaftsjahr ausgeglichen werden kann.“ § 31 Abs. 2 S. 2 BJagdG

II. Der Sachverhalt

In einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk hatte Schwarzwild erhebliche Schäden im Mais verursacht. Der geschädigte Landwirt meldete den Schaden bei der Gemeinde an, die Gemeinde verpflichtete den Jagdpächter, den Schaden voll zu ersetzen.

Hiergegen erhob der Jäger Klage. Zur Begründung machte er geltend, dass den Landwirt ein erhebliches Mitverschulden treffe, weil er ihm die Aussaat und den Eintritt der Milchreife nicht mitgeteilt hatte, obwohl in den vergangenen Jahren jeweils Wildschäden auf dieser Fläche entstanden waren. Er habe daher nicht rechtzeitig Abwehrmaßnahmen treffen können.

III. Das Urteil

Das Amtsgericht gab dem Jagdpächter Recht. Es kam zu dem Ergebnis, dass den Landwirt eine erhebliche Mitschuld am Eintritt des Schadens trifft, weil er ihm nicht die Aussaat und den Eintritt der Milchreife mitgeteilt hatte.

Dieses Mitverschulden ergebe sich daraus, dass es in den vergangenen Jahren jeweils zu Wildschäden auf diesen Flächen gekommen ist. Der Landwirt sei daher aufgrund seiner Schadensminderungspflicht gehalten gewesen, diese Mitteilung so rechtzeitig zu machen, dass der Jagdpächter Sicherungsmaßnahmen hätte erstellen können (zum Beispiel Elektrozaun). Dieses Mitverschulden sei „ganz überwiegend“ und betrage daher 75 Prozent, sodass der Jagdpächter lediglich ein Viertel des Schadens zu ersetzen habe.

Amtsgericht Betzdorf, Urteil vom 14.1.1998 – 11 C 378/96 -, Landgericht Koblenz, Urteil v. 29.7.1998 – 3 S 47/98 –; ebenso ganz neu zur Aussaat: Landgericht Lüneburg,, Urteil v. 4.7.2013 — 10 S 3/13 –

wenn der Geschädigte den Eintritt des Schadens dadurch mit verursacht, dass er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Je schwerer sein Beitrag am Schadenseintritt wiegt, desto mehr vermindert sich sein Ersatzanspruch (§ 254 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Das Gleiche gilt, wenn der Geschädigte diejenigen Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Schadensminderung vornehmen würde, um sich selbst vor Schaden zu schützen. Das verlangt die ihm obliegende Schadensabwendungsund -minderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch. Die Tatsache, dass ein anderer für den Schaden haftet, darf nicht dazu (ver)führen, untätig zu bleiben oder gar den Schaden „sehenden Auges“ als willkommen hinzunehmen, nur weil ein anderer ihn ersetzen muss. Der Gedanke „was ich habe, kann mir ein künftiges Unwetter nicht mehr nehmen“, ist völlig inakzeptabel. Im Übrigen ist für die Schadenshöhe nach § 31 Abs. 2 S.1 BJagdG der Erntezeitpunkt maßgebend, sodass Ursachen, wie zum Beispiel Gewitter oder Überschwemmungen, die zwischen der Schädigung und der Ernte den Schaden ebenfalls herbeigeführt hätten, grundsätzlich schadensmindernd zu berücksichtigen sind (streitig).

Elektrozaunes, eines Ansitzes oder einer Schussschneise mit niedriger Frucht ohne triftigen Grund untersagte, zum Beispiel obwohl der Jagdpächter bereit war, ihm den dadurch ausfallenden Ertrag zu ersetzen (Anspruch nicht gegeben, Mitzschke/ Schäfer, § 32 Anm. 5; Drees/Thies/Müller-Schallenberg, § 31 BJagdG);

-wenn der Landwirt es bei einer Umwandlung von Grünland in eine gefährdete Frucht (hier: Hafer) unterlies, den Jagdpächter auf die dadurch drohenden Wildschäden hinzuweisen (Landgericht Lüneburg, Urt. v. 20.12.1984 – 1 S 251/84 -);

-wenn der Landwirt den Jagdpächter nicht über den Neuanbau gefährdeter Pflanzen unterrichtete, die in der Umgebung noch nicht vorkommen und daher besonders angenommen werden;

-wenn der Landwirt vom Jagdpächter Mittel zur Errichtung geeigneter Schutzmaßnahmen erhielt, er sie aber abredewidrig nicht ausgeführt hat (Anspruch nicht gegeben, Mitzschke/Schäfer, § 35 Anm. 5).

Das Vorliegen eines Mitverschuldens muss grundsätzlich der Ersatzpflichtige beweisen. Bei der Bestimmung der Schadenshöhe sind alle ersparten Aufwendungen in Abzug zu bringen, zum Beispiel Ernte, Transport, Lagerungsund Bearbeitungskosten. Durch Wildschäden verursachte Aufräumkosten (zum Beispiel Beseitigung niedergetretener Pflanzen) hat der Ersatzpflichtige zu ersetzen.

2. Anbau am Waldrand

Ein Landwirt kann seine Flächen grundsätzlich nach freier Entscheidung nutzen, also selbst bestimmen, was er wo anbaut. Hierbei ist er bei Feldfrüchten nicht (!) verpflichtet, selbst übliche Schutzvorrichtungen (zum Beispiel Zäune) zu errich

Hiernach liegt ein Mitverschulden des Geschädigten zum Beispiel vor,

wenn der Landwirt die Ernte schuldhaft verspätet eingebracht hat, weil dadurch die Frucht unnötig lange und infolge der allgemeinen Äsungsverknappung einer erhöhten Wildschadensgefahr ausgesetzt war (Amtsgericht Stromberg, Urteil vom 30.6.1966 – 2 C 274/64 : Mitverschulden 50 Prozent);

-wenn der Landwirt nach der Maisernte zahlreiche Bruchkolben liegen ließ und sie anschließend mit der Einsaat einer neuen Frucht untergepflügt hat, sodass die neue Frucht durch das Brechen nach den Bruchkolben beschädigt wurde (Landgericht Schwerin, Urt. vom 8.11.2002 – 6 S 269/2001 -: Mitverschulden 100 Prozent, also Verlust des Anspruchs; WuH 5/2003, S. 66);

-wenn der Landwirt die Sauen auf seinem Feld gesehen, gehört oder gefährtet hat, gleichwohl aber den Jagdpächter nicht darüber informierte, sodass dieser infolge Unkenntnis keine weiteren Schäden verhindert hat (ähnlich zu obigem Fall);

-wenn der Landwirt die vom Jäger zur Abwehr von Wildschäden getroffenen Maßnahmen unwirksam machte (Anspruch nicht gegeben, § 32 Abs. 1 BJagdG);

-wenn der Landwirt die Errichtung eines

 

IV. Anmerkungen

1. Mitverschulden am Schadenseintritt

Ein Mitverschulden des Geschädigten wirkt sich im gesamten Haftungsrecht stets anspruchsmindernd aus. Je nach Schwere des Ursachenbeitrags und Verschuldens reduziert sich der Ersatzanspruch bis hin zu seinem vollständigen Erlöschen. Weil die Haftung für Wildschäden in gemeinschaftlichen Jagdbezirken auf Seiten des Ersatzpflichtigen kein Verschulden erfordert, wirkt sich ein Mitverschulden auf Seiten des Geschädigten besonders gravierend aus. Ein Mitverschulden liegt in der Regel vor,

ten, außer bei Sonderanpflanzungen wie beispielsweise Gartengewächsen (Umkehrschluss aus § 32 Abs. 2 BJagdG). Vielmehr ist die Erstellung von Schutzvorrichtungen bei Feldfrüchten nach der Risikoverteilung des § 32 Abs. 2 BJagdG allein Aufgabe des Jagdpächters (siehe hierzu WuH 16/2013). Das gilt nach der Rechtsprechung in der Regel auch für Flächen, auf denen in der Vergangenheit bereits erhebliche Wildschäden entstanden sind (Landgericht Trier, Beschluss v. 3.4.2012 – 1 S 247/11 ). Diese weite Anbaufreiheit endet erst – nach meiner Ansicht viel zu spät! – am Schikaneverbot des § 226 Bürgerliches Gesetzbuch, das heißt, wenn der Landwirt mit dem Anbau allein den Zweck verfolgt, den Jäger durch hohe Wildschäden zu schädigen (was dieser nur selten beweisen kann).

Macht der Landwirt von dieser Freiheit Gebrauch und bestellt ein Feld in gefährdeter Lage, auf dem es in der Vergangenheit schon zu erheblichen Wildschäden gekommen ist, so ist er dennoch nicht frei. Denn ihn treffen besondere Mitteilungsund Genehmigungspflichten, deren Verletzung zur Verminderung oder zum Verlust des Ersatzanspruchs führen. Diese Pflichten sind oben unter Nr. 2. dargestellt. Außerdem muss der Landwirt besonders gefährdete Flächen nicht nur monatlich, sondern mindestens zweiwöchig oder öfter kontrollieren, will er die Anmeldefrist des § 34 BJagdG nicht versäumen und dadurch seinen Anspruch verlieren (WuH 14/2013, S. 70).

3. Unterlassener Wiederanbau

Bei der Feststellung der Schadenshöhe ist nach § 32 Abs. 2 S. 2 BJagdG zu berücksichtigen, ob der Schaden durch einen Wiederanbau im gleichen Wirtschaftsjahr hätte ausgeglichen oder vermindert werden können (Nachsaat derselben Frucht oder einer anderen). Ist das nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft der Fall, ist der Geschädigte aufgrund seiner Schadensminderungspflicht gehalten, die Nachbestellung durchzuführen. Der Jagdpächter muss dann nur die Kosten der Nachbestellung sowie einen eventuellen Minderertrag ersetzen.

Hat der Geschädigte den Wiederanbau unterlassen, obwohl er noch möglich gewesen wäre, kann er nur den Betrag verlangen, den er bei ordnungsgemäßem Wiederanbau erlangt hätte. Ist ein Wiederanbau teurer als der zu erwartende Ertrag, muss er unterbleiben.

Wurde nach einem vollständigen oder teilweisen Totalschaden bereits Ersatz geleistet, so ist ein weiterer Schaden auf derselben Fläche im gleichen Wirtschaftsjahr nicht zu ersetzen, wenn die Nachbestellung nicht im Rahmen der üblichen Bewirtschaftung liegt. Denn sonst würde der Geschädigte mehr erhalten, als er ohne den Totalschaden bei ordnungsgemäßer Wirtschaft erlangt hätte (Mitzschke/Schäfer, § 31 Anm. 3).

V. Ergebnis

1. Trifft den Landwirt ein Mitverschulden an der Entstehung oder der Höhe des Schadens, vermindert sich oder erlischt sein Anspruch auf Wildschadensersatz.

2. Kann ein eingetretener Wildschaden durch Wiederanbau oder Ersatzanbau im selben Wirtschaftsjahr vermindert werden, ist der Geschädigte hierzu verpflichtet. Die Kosten hierfür sowie einen eventuellen Minderertrag hat der Ersatzpflichtige zu ersetzen.

3. Ein Landwirt kann zwar grundsätzlich frei bestimmen, wie er seine Flächen nutzt. Das bewahrt ihn aber nicht vor einem Mitverschulden. Insbesondere ein Anbau auf in der Vergangenheit bereits geschädigten Flächen führt in der Regel zu erhöhten Pflichten des Landwirts, deren Verletzung sich anspruchsmindernd auswirken können (zum Beispiel häufigere Kontrollen, Benachrichtigung des Jagdpächters, Genehmigung von Schutzmaßnahmen gegen Ersatz des dadurch bedingten Minderertrags).

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