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351 JVG – Jagdgenossenschaft kann klagen, Pächter nur mindern

2002

351 JVG – Jagdgenossenschaft kann klagen, Pächter nur mindern. bei Hoheitlichen Eingriffen

351 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

„Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts … begehrt werden (Anfechtungsklage). Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt … in seinen Rechten verletzt zu sein.“ § 42 Verwaltungsgerichtsordnung

II. Der Sachverhalt

Eine Jagdgenossenschaft wehrte sich gegen eine Maßnahme der Flurbereinigungsbehörde, die in ihr Jagdausübungsrecht eingriff. Das Oberverwaltungsgericht ging davon aus, dass sich Jagdgenossenschaften zwar gegen rechtswidrige öffentlich-rechtliche Eingriffe wehren können, zum Beispiel gegen den Bau einer Straße durch das Revier. Das gelte aber nicht für Änderungen der Eigentumsverhältnisse in Flurbereinigungsverfahren, die den Wegfall des Jagdbezirks und damit den Untergang der Jagdgenossenschaft zur Folge hätten. Denn durch diese Maßnahme werde unmittelbar nur die Eigentumslage verändert, der Untergang des Jagdbezirks sei lediglich eine mittelbare Folge aus dem Gesetz.

III. Die Gerichtsentscheidung

Das sah das Bundesverwaltungsgericht anders. Es entschied, dass Jagdgenossenschaften aufgrund ihres Jagdausübungsrechts befugt sind, gegen flurbereinigungsrechtliche Maßnahmen zu klagen, die eine Änderung der Eigentumslage herbeiführen, wenn dadurch eine Veränderung ihres Jagdbezirks oder dessen Wegfall bewirkt wird.

Eine Jagdgenossenschaft könne sich auf den eigentumsrechtlichen Schutz ihres Jagdausübungsrechts grundsätzlich in gleicher Weise berufen wie ein Eigenjagdinhaber. Sie sei daher befugt, eine hoheitlich bewirkte Änderung der Eigentumsverhältnisse mit der Begründung anzufechten, dass diese Maßnahme auf einer fehlerhaften Abwägung ihres Interesses am unveränderten Fortbestand ihres Jagdbezirks und ihres Jagdausübungsrechts beruhe. Es sei daher zu prüfen, ob die Zwecke der Flurbereinigung den Eingriff in das Jagdausübungsrecht rechtfertigten, oder ob die Maßnahme – wie vorliegend behauptet wurde – nur dazu diene, einem Dritten zu einem Eigenjagdbezirk zu verhelfen.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.5.2011 – 9 B 97.10 –

Hinweis: Normalerweise ist es egal, wer Eigentümer des Grundstücks ist. Die Fläche bleibt bei einem Wechsel des Eigentümers im gemeinschaftlichen Jagdbezirk. Anders ist es, wenn dadurch ein Eigenjagdbezirk entsteht oder die Fläche zu einem bestehenden Eigenjagdbezirk hinzukommt. In diesen Fällen verkleinert sich der gemeinschaftliche Jagdbezirk, bei Unterschreitung der Mindestgröße erlischt er. Bis zum Ende des laufenden Pachtvertrages ist der Pächter noch befugt, diese Grundstücke zu bejagen (§ 14 BJagdG). Die Jagdgenossenschaft kann sich dagegen wehren, wenn die Maßnahme rechtswidrig ist.

IV. Weitere Urteile

1. Dem Eigentümer eines im Jagdbezirk (Außenbereich) gelegenen Grundstücks wurde eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Gebäudes erteilt. Diese Genehmigung war rechtswidrig, da der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden darf (wichtigste Ausnahme: bauliche Anlagen von land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Betrieben, § 35 Baugesetzbuch).

Die Jagdgenossenschaft klagte gegen die Baugenehmigung, weil durch die Bebauung ein befriedeter Bezirk entstehen und dadurch sich die bejagbare Fläche ihres Jagdbezirks vermindern würde. Zu Recht, entschied das Gericht, weil darin ein rechtswidriger Eingriff in ihr Jagdausübungsrecht liegt (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil v. 26.2.1988 – 1 A 56/86 –).

Hinweis: Nur die Jagdgenossenschaft/der Eigenjagdinhaber kann gegen eine rechtswidrige Baugenehmigung klagen. Der Jagdpächter kann das nicht, weil ihm das Jagdausübungsrecht nicht wegen seines Eigentums zusteht, sondern zeitlich begrenzt aufgrund des Jagdpachtvertrages. Auch der Eigentümer eines Nachbargrundstücks ist nicht klagebefugt, weil das Bauverbot des § 35 Baugesetzbuch im Außenbereich nicht seinem Schutz dient, sondern dem der Allgemeinheit. Es soll die freie Außenbereichslandschaft im öffentlichen Interesse erhalten und eine planlose Zersiedlung verhindern. Dem Jagdpächter bleibt nur die Möglichkeit, den Pachtpreis zu mindern, wenn die Bebauung den Jagdwert wesentlich verringert.

2. Wird ein Jagdbezirk durch den Neubau einer Straße oder Bahnlinie zerschnitten, ist ebenfalls nur die Jagdgenossenschaft/der Eigenjagdinhaber befugt, den zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschluss der Straßenbaubehörde wegen Rechtswidrigkeit anzufechten. Ist dieser rechtmäßig, kann nur sie eine Entschädigung wegen Enteignung verlangen. Dem Jagdpächter bleibt auch hier nur die Möglichkeit, den Pachtpreis zu mindern (Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 4.3.1983 – 4 C 74/1980 –; Bundesgerichtshof, Urteil v. 20.1.2000 – III ZR 110/99 – (WuH 22/2000, S. 78).

3. Ebenso ist es bei der Errichtung einer Windkraftanlage, einer Biogasanlage und eines Gewerbetriebes im Außenbereich. Auch hier kann nur die Jagdgenossenschaft/der Eigenjagdinhaber gegen die behördliche Genehmigung vorgehen. Dem Pächter verbleibt das Recht zur Minderung des Pachtpreises (Verwaltungsgericht Saarland, Urteil v. 30.7.2008 – 5 K 6/08 –, WuH 3/2011, S. 107).

Hinweis: Dass die Jagdgenossenschaft klagen „kann“, bedeutet aber nur, dass ihre Klage zulässig (zugelassen) ist. Ob sie auch Erfolg hat, also begründet ist, hängt davon ab, ob der von ihr angefochtene Bescheid (Verwaltungsakt) rechtmäßig oder rechtswidrig ist, zum Beispiel weil ihm eine Rechtsgrundlage fehlt oder die Behörde ihr Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt hat.

V. Ergebnis

1. Gegen hoheitliche Eingriffe in das Jagdausübungsrecht kann nur die Jagdgenossenschaft/der Eigenjagdinhaber klagen, nicht der Pächter. Dieser kann den Pachtpreis mindern, wenn sich dadurch der Jagdwert wesentlich verringert hat.

2. Eine solche Klage hat nur Erfolg, wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass der angegriffene Verwaltungsakt (Bescheid, Maßnahme) rechtswidrig.

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