ANZEIGE

355 JVG – Wildernde Hunde

3363

355 JVG – Wildernde Hunde DAS KANN DER JÄGER MACHEN

Mark G. v. Pückler

355 JVG

I. Die Rechtsgrundlage

1. „Als gefährlich gelten Hunde,

1. die sich als bissig erwiesen haben;

2. die durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie Wild oder Vieh hetzen oder reißen;

3. die in aggressiver oder Gefahr drohender Weise Menschen angesprungen haben.“ § 1 Abs. 1 Landeshundegesetz Rheinland-Pfalz

2. Außerhalb des befriedeten Besitztums sowie in Fluren und Treppenhäusern von Mehrfamilienhäusern sind gefährliche Hundeanzuleinen und mit einem Maulkorb zu versehen. § 5 Abs. 4 Landeshundegesetz Rheinland-Pfalz

3. Die übrigen Länder haben sehr ähnliche Gesetze.

II. Der Sachverhalt

Im Februar 2012 ging die Besitzerin zweier Schäferhunde mit ihren freilaufenden Tieren am Stadtrand spazieren. Dabei entfernten sich die Hunde. Sie hetzten und verletzten ein Reh, sodass es vom Jäger erlöst werden musste.

Daraufhin stufte die Behörde die Hunde als „gefährliche Hunde“ ein und ordnete an, dass die Tiere nur noch getrennt, angeleint und mit einem Maulkorb versehen ausgeführt werden dürfen. Des Weiteren wurde der Halterin auferlegt, den mit der Haltung gefährlicher Hunde verbundenen Verpflichtungen nachzukommen. Um weitere Schäden zu verhindern, wurde die „sofortige Vollziehung“ angeordnet.

Die Halterin ging vor Gericht und erklärte,dass diese Maßnahmen unverhältnismäßig seien, da es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe und sich seitdem keine weiteren Verstöße ereignet hätten. Durch das plötzliche Auftauchen des Rehes seien ihre Hunde „nicht mehr zu bremsen“ gewesen.

III. Die Gerichtsentscheidung

Vor Gericht hatte die Hundehalterin keinen Erfolg. Ihr Antrag auf Beseitigung der sofortigen Vollziehung wurde kostenpflichtig abgelehnt, da die angeordneten Maßnahmen „offensichtlich rechtmäßig“ seien.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Landeshundegesetz gelten Hunde als gefährlich, wenn sie Wild gehetzt oder gebissen haben. Das sei hier geschehen. Nach dem Gesetz genüge bereits ein einmaliger Vorfall, sodass die angeordneten Maßnahmen nicht unverhältnismäßig seien. Im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr müssten keine weiteren Vorfälle abgewartet werden. Der Einwand der Halterin, dass der Jagdtrieb der Hunde durch das plötzliche Auftauchen des Rehes geweckt und die Hunde dann nicht mehr zu bremsen gewesen seien, spreche gerade für die Gefährlichkeit ihrer Tiere.

Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 3.7.2012 – 1 L 828/12.MZ –

IV. Anmerkungen

1. Leinen- und Maulkorbzwang

Die Landesgesetze über gefährliche Hunde, vielen völlig unbekannt, sind quasi eine „Geheimwaffe“ für uns Jäger. Denn erstens wi

derstrebt es uns sehr, einen Hund zu töten, zweitens gibt es in der Regel großen Ärger, selbst wenn der Abschuss rechtmäßig war, und drittens deutet viel darauf hin, dass der Jagdschutz künftig in grünen Jagdgesetzen gestrichen wird. Misslingt gar der Beweis des Wilderns, liegt – je nach Landesrecht – die Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund vor (Straftat), sodass der Jagdschein gefährdet ist. All dies wird durch die Nutzung der Gesetze vermieden, ohne dass dem Hund etwas angetan wird. In den meisten Bundesländern ist ein Hund „gefährlich“, wenn er Wild gehetzt oder gerissen hat. Beides muss nicht vorliegen. In einigen Ländern muss das Hetzen „unkontrolliert“ gewesen sein (zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen). Das heißt, dass der Hundeführer nicht in der Lage war, den Hund am Hetzen oder Reißen zu hindern (siehe unten Nr. 4.1.). Der Jäger muss die Voraussetzungen beweisen (zum Beispiel durch Zeugen, Fotos oder Film, auch Angehörige sind Zeugen) und dem zuständigen Ordnungsamt mitteilen. Alles Weitere ist dann deren Sache.

Ist ein Hund als gefährlich einzustufen, treffen den Halter einschneidende Maßnahmen. Je nach Landesrecht gilt,

• dass der Hund außerhalb des befriedeten Besitztums nur angeleint und mit einem Maulkorb versehen geführt werden darf;

• dass der Hund das befriedete Besitztum nicht verlassen kann;

• dass die Zucht, die Vermehrung und der Handel mit diesen Tieren verboten ist;

• dass die Unfruchtbarmachung des Hundes angeordnet werden kann;

• dass die Haltung der Erlaubnis bedarf, die nur erteilt wird, wenn die Person 18 Jahre alt, zuverlässig und sachkundig ist;

• dass eine Haftpflichtversicherung über 500 000 Euro für Personenschäden und über 250 000 für sonstige Schäden abzuschließen ist;

• dass der Hund durch einen elektronisch lesbaren Chip gekennzeichnet ist.

Jagdhunde sind hiervon grundsätzlich ausgenommen, soweit sie im Rahmen befugter Jagdausübung dem Wild nachstellen.

2. Anzeige erstatten

Außerdem ist der Führer des wildernden Hundes anzuzeigen. Denn wer einen Hund in einem fremden Jagdbezirk unbeaufsichtigt laufen lässt, begeht nach Landesrecht eine Ordnungswidrigkeit. „Unbeaufsichtigt“ ist ein Hund, der entweder außer Ruf- oder Sichtweite ist, sodass er nicht kontrolliert oder zurückgerufen werden kann (fehlende Einwirkungs- und Überwachungsmöglichkeit), oder der sich der Kontrolle der Aufsichtsperson entzogen hat und eigenmächtig herumstöbert, ohne den Rückruf zu befolgen. Hierbei ist nicht die Entfernung zwischen Herr und Hund entscheidend, obgleich sie eine große Rolle spielt, sondern die jederzeitige Herrschaft über den Hund. Diese kann auch schon im Nahbereich fehlen. Nicht erforderlich ist, dass der Hund bereits Wild hoch gemacht und gehetzt hat; denn das Verbot setzt schon vorher an, um einer akuten Gefährdung des Wildes vorzubeugen.

3. Unterlassungsklage erheben

Häufig ist eine Anzeige wenig erfolgreich. Ein geringes Bußgeld ist schnell gezahlt, und schon darf der Vierläufer wieder seinen Instinkten folgen. Davor schützt in hartnäckigen Fällen eine Unterlassungsklage. Denn bei ihr muss der Hundehalter, wenn er unterliegt, alle Gerichts- und Anwaltskosten zahlen, auch die des Jägers, was oft ein Vielfaches der Geldbuße bedeutet. Geht das Stöbern, Hetzen oder gar Reißen nach dem Urteil weiter, wird das Gericht gegen den Halter auf Antrag ein Ordnungsgeld verhängen, das ebenfalls sehr hoch ist und von Mal zu Mal gesteigert werden kann.

Eine Unterlassungsklage setzt nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch voraus, dass erstens das Jagdausübungsrecht rechtswidrig gestört oder beeinträchtigt wurde und zweitens Wiederholungsgefahr besteht. Beide Voraussetzungen muss der Jagdausübungsberechtigte beweisen.

Eine rechtswidrige Störung liegt vor, wenn der Hund „unbeaufsichtigt“ (außer Kontrolle, siehe oben) nach Wild stöbert oder es gar hetzt oder reißt. Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn dies schon einmal erfolgt ist, sodass mit weiteren Störungen zu rechnen ist, oder wenn der Halter des Hundes sich erkennbar durch Worte oder Verhalten uneinsichtig gezeigt hat (Amtsgericht Remscheid, Urteil vom 17. 9. 1987 – 7 C 459/87 –).

Am besten ist es, eine schriftliche Zusage des Inhalts anzufordern, dass künfti

ge Störungen verhindert werden und im Falle einer Wiederholung eine Vertragsstrafe in Höhe von 300 Euro (bei Hochwild mehr) fällig wird. Bleibt diese Anforderung unbeantwortet oder wird sie abgelehnt, liegt Wiederholungsgefahr vor.

4. Weitere Urteile

1. Ein Ehepaar ging mit seinen beiden Rhodesian-Ridgeback im Wald spazieren. Als plötzlich ein Rudel Muffelwild über den Weg flüchtete, verfolgte der jüngere Hund ein Schaf, um es zu fassen. Daraufhin gab das Ordnungsamt dem Halter auf, seine Hunde von einem beamteten Veterinär auf ihre Gefährlichkeit begutachten zu lassen und sie bis zur Vorlage des Gutachtens nur angeleint und mit einem Maulkorb versehen auszuführen.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Gericht ab. Der Einwand des Halters, sein Hund sei dem Wild nur spielerisch und mit Abstand gefolgt, sei unerheblich. Entscheidend sei nicht die Motivation des Hundes, sondern ob das verfolgte Wild bedroht geflüchtet sei. Ein „Hetzen“ liege vor, wenn der Hund das Wild nachhaltig, das heißt intensiv, zielstrebig und andauernd verfolge. Ein typisches Zeichen hierfür sei sein Hetzlaut. „Unkontrolliert“ sei das Hetzen, wenn der Hundeführer nicht in der Lage sei, seinen Hund am Hetzen oder Reißen zu hindern.

Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 21.11.2011 – 6 K 2159/10 –

2. Der frei laufende Hund des A. griff unvermittelt den angeleinten Hund der B. an und verbiss sich in ihn, sodass dieser am Abend in der Tierklinik starb. Daraufhin stufte das zuständige Ordnungsamt den angreifenden Hund als gefährlich ein und ordnete einen Anlein- und Maulkorbzwang an, ferner die Kennzeichnung des Hundes mit einem Chip und die Vorlage eines Sachkundenachweises über die Haltung von Hunden.

Zu Recht, entschied das Gericht, da sich der Hund als gefährlich erwiesen habe und daher eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Nur so sei eine effektive Gefahrenabwehr gewährleistet, die Anordnung sei nicht unverhältnismäßig.

Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom. 16.1.2013 – 1 L 1740/12.TR

3. Für die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes reicht es grundsätzlich aus, dass er einen anderen Hund oder ein sonstiges Tier gebissen hat.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 18.1.2012 – 11 ME 423/11 –

V. Ergebnis

Gegen wildernde Hunde sind außer dem (umstrittenen) legalen Abschuss folgende Maßnahmen möglich:

1. Mitteilung an das Ordnungsamt zwecks Einstufung als „gefährlicher Hund“ (Folge: Anlein- und Maulkorbpflicht);

2. Anzeige wegen „unbeaufsichtigten“ Laufenlassens im Jagdbezirk (Ordnungswidrigkeit);

3. Unterlassungsklage gegen künftige Fälle.


ANZEIGE
Aboangebot