ANZEIGE

359 JVG – Wildschadensersatz

2020

359 JVG – Wildschadensersatz FEHLERHAFTES VORVERFAHREN UNBEACHTLICH

Mark G. v. Pückler

359 JVG

I. Die Rechtsgrundlage

1. In Wild- und Jagdschadenssachen kann der ordentliche Rechtsweg (Amts- und Landgericht) erst beschritten werden, wenn das Vorverfahren durchgeführt ist. § 35 Abs. 1 LJG NRW

2. Ist ein Wild- oder Jagdschaden rechtzeitig angemeldet, ordnet die Gemeinde unverzüglich einen Termin am Schadensort an, um eine gütliche Einigung herbeizuführen. Beteiligt sind die Geschädigten und die Ersatzpflichtigen. § 37 Abs. 1 LJG NRW

3. Ist im Vorverfahren keine gütliche Einigung zustande gekommen, kann der Geschädigte binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Niederschrift Klage erheben. § 41 LJG NRW

4. In anderen Bundesländern erlässt die Gemeinde zum Abschluss des Vorverfahrens bei Nichtzustandekommen einer gütlichen Einigung einen Vorbescheid, gegen den beide Beteiligten innerhalb einer Frist von zwei Wochen (je nach Landesrecht auch vier Wochen oder einen Monat) ab Zustellung beim Amtsgericht Klage erheben können.

II. Der Sachverhalt

Der Landwirt hatte einen Wildschaden an feldmäßig angebauten Buschbohnen rechtzeitig angemeldet. Der Jagdpächter lehnte einen Ersatz ab, weil das Vorverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sei. Auch handle es sich nach seiner Auffassung um ein Gartengewächs, das der Geschädigte durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen hätte schützen müssen. Das Gericht musste entscheiden.

III. Das Urteil

Das Oberlandesgericht wies die Klage des Landwirts in letzter Instanz kostenpflichtig ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Zulässigkeit der Klage nicht davon abhänge, ob das Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Denn nach § 35 Abs. 1 LJG NRW sei nur erforderlich, dass ein Vorverfahren überhaupt durchgeführt wurde, nicht aber, dass dies fehlerfrei erfolgt ist.

Die Klage sei jedoch unbegründet. Denn der Wildschaden sei nicht zu ersetzen, weil der Geschädigte keine Schutzvorrichtungen errichtet habe. Buschbohnen seien ein Gartengewächs, das nicht allein schon dadurch als Feldpflanze gelte, weil es vorliegend feldmäßig angebaut wurde. Hierzu seien nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weitere Voraussetzungen erforderlich, zum Beispiel, dass der Anbau in einer größeren Region als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung „einiges Gewicht“ habe (siehe WuH 13/2012, S. 72). Hieran fehle es, weil nach Auskunft der Landwirtschaftskammer der Anteil des Anbaues von Buschbohnen an der Gesamtackerfläche der Region lediglich 0,5 Prozent betrage.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 18.2.2008 – 16 U 26/07 –

IV. Weiteres Urteil

Ein Landwirt meldete seinen Wildschaden an. Im Termin am Schadensort waren er und der Jagdpächter anwesend, eine gütliche Einigung kam nicht zustande. Zum späteren Termin mit dem Wildschadensschätzer wurde der Jagdpächter nicht ge

laden. Er beantragte daher die Aufhebung des Vorbescheids.

Zu Recht, erklärte das Gericht. Selbst wenn man davon ausgehe, dass Mängel im Vorverfahren grundsätzlich unbeachtlich seien (siehe oben), sei in einem solchen Fall der Vorbescheid aufzuheben. Denn der Jagdpächter sei nicht zum Schätztermin geladen worden, sodass er vor Ort keine Einwendungen gegen die Schätzung habe vorbringen können. Dies stelle einen derart schweren Verfahrensfehler dar, dass der Vorbescheid wegen Nichtigkeit insgesamt aufzuheben sei.

Amtsgericht Daun, Urteil vom 26.2. 2014 – 3a C 353/13 –; ebenso Amtsgericht Ahlfeld, Urteil vom 2.11.2009 – 4 C 195/09 –

V. Anmerkungen

Wer Wildschäden geltend macht, muss zunächst das Vorverfahren bei der zuständigen Gemeinde (in Schleswig-Holstein und Brandenburg: das Ordnungsamt) durchführen. Dieses Verfahren verfolgt zwei Ziele: 1. eine schnelle Feststellung des Schadens und seiner Ursachen sowie 2. die Herbeiführung einer gütlichen Einigung, um Prozesse zwischen dem Jagdpächter und den Jagdgenossen zu verhindern. Das entlastet die Gerichte und vermeidet dauerhafte Zerwürfnisse zwischen den Beteiligten. Deshalb können beide Seiten auch nicht auf die Durchführung des Vorverfahrens verzichten, wohl aber sich ohne Vorverfahren oder außerhalb des Vorverfahrens über die Schadensbegleichung einigen.

In Fällen, in denen sich aus der Schadensmeldung ergibt, dass der Geschädigte die Antragsfrist des § 34 BJagdG (eine Woche) nicht eingehalten hat oder ein ersatzpflichtiger Wildschaden offensichtlich nicht vorliegt (zum Beispiel Schäden von Feldhasen), weist die Gemeinde – je nach Landesrecht – den Antrag durch schriftlichen Bescheid ab. Hiergegen kann Klage erhoben werden (siehe hierzu unten).

In den übrigen Fällen wird das Vorverfahren durchgeführt. Es endet in den weit überwiegenden Fällen mit einer protokollierten, gütlichen Einigung, ansonsten durch einen schriftlichen Vorbescheid. Gegen ihn können beide Seiten innerhalb einer Frist von – je nach Landesrecht – zwei Wochen/vier Wochen/einem Monat ab Zustellung des Vorbescheids Klage vor dem Amtsgericht erheben. In NRW und Brandenburg wird den Beteiligten lediglich das Protokoll über das Scheitern einer gütlichen Einigung zugestellt. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Klagefrist.

Für die Zulässigkeit der Klage ist es nach überwiegender Rechtsprechung unerheblich, ob das Vorverfahren fehlerfrei verlaufen ist. Notwendig ist nur, dass es überhaupt durchgeführt wurde. Deshalb ist es stets bis zum Ende durchzuführen, also bis zur gütlichen Einigung oder zum Erlass des Vorbescheids. Lehnt die Gemeinde jedoch die Durchführung eines Vorverfahrens ab oder betreibt sie es nicht weiter, kann ebenfalls Klage erhoben werden, da die Beteiligten auf die Verfahrensführung der Gemeinde keinen Einfluss haben (strittig, wie hier Schuck, Bundesjagdgesetz, § 35 RandNr. 22 mit Nachweisen).

Die Gerichte sind weder an das Ergebnis des Vorverfahrens noch an die Schätzung des Wildschadensschätzers im Vorverfahren gebunden. Sie entscheiden frei und unabhängig über den Fall. Das bedeutet einerseits, dass sie eigene Erhebungen veranlassen, wenn sie Zweifel an den Ergebnissen des Vorverfahrens haben, andererseits können sie aber auch auf den Inhalt des Vorverfahrens und die Schadensschätzung zurückgreifen, wenn sie ordnungsgemäß zustande gekommen und in der Sache überzeugend sind. Nur bei besonders schwerwiegenden Mängeln im Vorverfahren hebt ein Teil der Gerichte den Feststellungsbescheid insgesamt wegen Nichtigkeit ohne weitere Prüfung in der Sache auf, zum Beispiel wenn der Geschädigte oder der Ersatzpflichtige nicht zum Termin zur Schadensschätzung geladen wurde (streitig, siehe oben Nr. IV). Ein Nichterscheinen trotz Ladung ist dagegen unerheblich.

VI. Ergebnis

1. Die Zulässigkeit einer Klage in Wildschadenssachen setzt nicht voraus, dass das Vorverfahren fehlerfrei durchgeführt wurde.

2. Wichtig ist nur, dass es überhaupt durchgeführt wurde. Fehler schaden in der Regel nicht.

3. Nur bei schweren Verfahrensfehlern heben manche Gerichte den Vorbescheid wegen Nichtigkeit auf.

4. Die Gerichte sind nicht an den Inhalt und Ausgang des Vorverfahrens gebunden. Sie entscheiden frei nach eigener Überzeugung und können bei Zweifeln weitere Beweise erheben.

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot