361 JVG – Zu hoch gepokert ENTSCHÄDIGUNG FÜR DIE STELLFLÄCHE EINER KANZEL
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
1. Der Jagdausübungsberechtigte darf auf einer land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grundfläche seines Jagdbezirkes eine jagdliche Anlage, wie Futterplatz, Ansitz oder Jagdhütte, nur mit Zustimmung des Eigentümers der Grundfläche errichten (Jagdeinrichtung). Der Eigentümer muss zustimmen, wenn ihm die Duldung der Anlage zugemutet werden kann und er eine angemessene Entschädigung erhält. § 30 Abs. 1 LJG Rheinland-Pfalz
2. Einigen sich die Beteiligten nicht über die angemessene Höhe der Entschädigung, so wird sie von der zuständigen Behörde auf Antrag festgesetzt. § 4 Abs. 2 LJG Rheinland-Pfalz
3. Gleichartige Vorschriften enthalten die übrigen Landesjagdgesetze, leicht abweichend Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
II. Der Sachverhalt
Jagdpächter P. hatte von seinem Vorgänger eine Kanzel und einen Kanzelbock ohne Aufbau übernommen. Der Grundeigentümer verlangte zunächst die Beseitigung dieser Anlagen, da sie ihn angeblich bei der Bewirtschaftung der Flächen behinderten. Der Streit ging vor das Amtsgericht. Dieses verurteilte den Grundeigentümer zur Duldung der Kanzeln auf den Flächen gegen eine angemessene Entschädigung.
Im Anschluss an diesen Prozess stritten die Beteiligten über die Höhe der Entschädigung. Beide Grundstücke wurden teilweise als Weideflächen genutzt, in ihren Randbereichen befand sich jeweils ein Strauch- und Baumbestand. Der Landkreis setzte die Entschädigung auf Antrag des Jagdpächters auf fünf Euro pro Jahr und Kanzel fest.
Hiergegen erhob der Grundeigentümer Widerspruch. Er machte geltend,
dass eine Entschädigung in Höhe von fünfzig Euro pro Jahr und Kanzel angemessen sei, weil außer den Ertragseinbußen und dem Verlust an Prämienanteilen vor allem die Bewirtschaftung der Flächen mit landwirtschaftlichen Maschinen nahezu unmöglich sei. Insbesondere in den Kanzelbereichen müsse die Pflege in aufwendiger Handarbeit erfolgen, um eine Verwilderung der Vegetation zu verhindern.
III. Die Entscheidung
Die Kreisverwaltung wies den Widerspruch auf Kosten des Grundeigentümers zurück, da die Festsetzung der Entschädigung auf fünf Euro pro Jahr und Kanzel rechtlich nicht zu beanstanden sei. Nachdem das Amtsgericht entschieden habe, dass dem Grundeigentümer die Kanzeln zumutbar seien und er sie daher dulden müsse, sei nur noch über die Angemessenheit der Entschädigung zu entscheiden.
Für die Höhe der Entschädigung seien die konkreten Verhältnisse vor Ort maßgebend, vor allem der ortsübliche Pachtpreis der Flächen sowie die Folgen einer verminderten und eventuell auch erschwerten Nutzbarkeit und dadurch verursachte Ertragseinbußen. Im gegebenen Fall sei von einem Pachtpreis von 100 bis 200 Euro je Hektar auszugehen, sodass auf die Grundfläche einer Kanzel bei vier Quadratmetern (zwei Meter [m] x zwei m) maximal 0,08 Euro entfielen (4 x 0,02), bei 16 Quadratemetern (4 m x 4 m) maximal 0,32 Euro. Ein Verlust an Agrarförderung sei ausgeschlossen, weil die Kanzeln in den mit Bäumen und Sträuchern bewachsenen Randstreifen lägen, die nicht beihilfefähig seien. Aufgrund dieses Standplatzes der Kanzeln sei auch nicht erkennbar, inwiefern nennenswerte „Bewirtschaftungshindernisse“ bestünden. Weder werde die Bearbeitung der Fläche mit modernen Maschinen behindert, noch werde die Art ihrer Nutzung beeinträchtigt. Eine aufwendige Handarbeit zur Abwehr einer Verwilderung der Fläche sei nicht erforderlich.
Widerspruchsbescheid vom 8.10.12 –1-1190.W-279-2012–
IV. Anmerkungen
Hochsitze und Kanzeln sind für die Jagd unerlässlich. Sie verhindern Gefahren für die Allgemeinheit durch einen sicheren Kugelfang, sie dienen dem Tierschutz durch ein sicheres Ansprechen und selektives Erlegen und sie ermöglichen die Erfüllung der Abschusspläne zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden in Wald und Feld. Sie gehören daher zu einer ordnungsgemäßen Jagdausübung dazu.
Aus diesem Grunde erlangt der Jagdausübungsberechtigte durch den Pachtvertrag grundsätzlich auch das Recht, notwendige jagdliche Ein-richtungen, wie zum Beispiel Hochsitze und Kanzeln, Fütterungen und Kirrungen, zu errichten, sofern dadurch dem Grundeigentümer kein wesentlicher Schaden entsteht, beispielsweise auf unbewirtschafteten Flächen, wie Ödland, Böschungen, steinigem Grund usw. (siehe Mitzschke/Schäfer, BJagdG, Anhang zu § 18 BJagdG, RandNr. 3; Leonhardt, Jagdrecht, Art. 36 BayJG, Anm. 1). Das gilt auch dann, wenn es im Pachtvertrag nicht ausdrücklich genannt wird. Ferner ergibt sich das daraus, dass nach dem Gesetz nur bei land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken die Genehmigung des Eigentümers erforderlich ist, nicht aber auch bei ungenutzten Flächen.
Bei land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen ist grundsätzlich die Zustimmung des Eigentümers erforderlich. Sie ist zu erteilen, wenn ihm die Anlage zuzumuten ist und er eine angemessene Entschädigung erhält. Bei der Zumutbarkeit sind die Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Jagdausübung einschließlich der Vermeidung übermäßiger Wildschäden gegen die Interessen des Grundeigentümers an einer unbeeinträchtigten Nutzung seines Grundstücks abzuwägen.
Auch Flächen, die nach EU-Recht stillgelegt wurden, aber vom Landwirt bearbeitet werden müssen, dürften als landwirtschaftlich genutzt gelten, desgleichen Flächen, für die der Eigentümer aufgrund land- oder forstwirtschaftlicher Förderprogramme für bestimmte extensive Bewirtschaftungsmaßnahmen Entgelte oder Ausgleichszahlungen erhält (siehe Leonhardt, Jagdrecht, Art. 36 RandNr. 2).
Bei der Zumutbarkeit ist davon auszugehen, dass je höher die Gefahr erheblicher Wildschäden ist und je geringer die Belastungen des Eigentümers sind, desto eher ist die Errichtung einer Kanzel zumutbar und desto näher liegt bei einer Verweigerung der Zustimmung ein Mitverschulden des Geschädigten an entstehenden Wildschäden. Wird zum Beispiel dem Landwirt voller Ersatz für die durch die Errichtung entstehenden Ertragseinbußen und Behinderungen zugesagt, weil die zu erwartenden Wildschäden deutlich höher sind, so ist ihm die Errichtung zumutbar. Eine Verweigerung führt hier zum Totalverlust des Ersatzanspruchs (siehe WuH 17/2013, S. 82, 84). Andererseits liegt beispielsweise Unzumutbarkeit vor, wenn eine Fütterung für Rotwild in der Nähe verbiss-und schälgefährdeter Waldbestände errichtet werden soll oder eine Suhle/Kirrung nahe an gefährdeten Feldfrüchten (siehe Drees/Thies/Müller- Schallenberg, Das Jagdrecht für NRW, § 28 LJG NRW, Anm. II).
Auf fremdem Grund und Boden errichtete jagdliche Einrichtungen bleiben im Eigentum des Jagdausübungsberechtigten/Errichters, auch wenn sie fest mit dem Boden verbunden sind (§ 95 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Zustimmung des Grundeigentümers zur Errichtung berechtigt nicht dazu, das notwendige Baumaterial (zum Beispiel Holz) ohne Genehmigung aus der Umgebung zu entnehmen (Sachbeschädigung, Diebstahl, Schadensersatz, siehe WuH 23/2012, S. 100).
V. Ergebnis
1. Auf land- oder forstwirtschaftlich ungenutzten Grundstücken dürfen jagdliche Einrichtungen, wie beispielsweise Hochsitze und Kanzeln, Fütterungen und Kirrungen, grundsätzlich ohne Zustimmung des Grundeigentümers errichtet werden.
Das folgt aus dem erlangten Jagdausübungsrecht sowie aus dem Umkehrschluss der gesetzlichen Bestimmung, die eine Zustimmung nur bei genutzten Flächen verlangt.
2. Auf land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken dürfen jagdliche Einrichtungen grundsätzlich nur mit Zustimmung des Grundeigentümers erstellt werden.
Dieser ist zur Zustimmung verpflichtet, wenn ihm die Anlage zuzumuten ist und er eine angemessene Entschädigung erhält.
3. Die Angemessenheit der Entschädigung bestimmt sich nach den jeweiligen örtlichen Verhältnissen, zum Beispiel Pachtpreis für die benötigte Grundfläche, Ertragseinbußen, Erschwerungen bei der Bewirtschaftung und Verlust an Beihilfen oder Ausgleichzahlungen.