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379 Wildschaden KEINE MITSCHULD DES LANDWIRTS

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379 JVG – Wildschaden KEINE MITSCHULD DES LANDWIRTS

Mark G. v. Pückler

379 JVG

I. Die Rechtsgrundlage

1. Wird ein Grundstück, das zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehört, durch Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen beschädigt, so hat die Jagdgenossenschaft dem Geschädigten den Wildschaden zu ersetzen. Hat der Jagdpächter den Ersatz des Wildschadens ganz oder teilweise übernommen, so trifft die Ersatzpflicht diesen. § 29 Abs. 1 BJagdG

2. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu ersetzenden Schadens von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Geschädigten darauf beschränkt, dass er es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. § 254 Bürgerliches Gesetzbuch

II. Der Sachverhalt

In einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk entstanden kurz nach der Aussaat von Mais auf zwei Flächen Wildschäden. Der geschädigte Landwirt hatte die Jagdpächter im einen Fall am Tag der Aussaat, im anderen Fall am folgenden Tag von dem Säen unterrichtet, also noch vor Eintritt der Schäden. Die zuständige Behörde erließ einen Vorbescheid über die volle Höhe des Schadens. Die Pächter erhoben dagegen Klage. Sie waren der Ansicht, dass sie zu spät informiert worden seien.

Das Amtsgericht hat den Vorbescheid geändert und jeder Seite die Hälfte des Schadens auferlegt, da den Landwirt ein Mitverschulden in Höhe von fünfzig Prozent treffe. Auf die Berufung des Landwirts hat das Landgericht das Urteil aufgehoben und die Klage der Pächter abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Landwirt überhaupt verpflichtet gewesen sei, die Pächter vor der Aussaat zu informieren. Denn jedenfalls hätte ein Verstoß hiergegen die Schäden nicht mitverursacht.

Ein Mitverschulden liege nur dann vor, wenn die vom Geschädigten verlangte Handlung (hier: die vorherige Benachrichtigung) eine Minderung der Schäden bewirkt hätte. Maßgebend sei daher, ob der Schaden bei rechtzeitiger Ankündigung ganz oder teilweise unterblieben wäre. Das sei vorliegend nicht der Fall. Denn die Pächter hätten nicht dargelegt, welche Maßnahmen sie bei früherer Kenntnis zur Verhütung oder Verminderung der Schäden ergriffen hätten. In der Zeit zwischen der Benachrichtigung von der Aussaat und dem Eintritt der Schä

den hätten sie noch Schutzmaßnahmen treffen können, stattdessen aber an anderer Stelle gejagt. Weshalb wirksame Verhütungsmaßnahmen, wie beispielsweise eine verstärkte Bejagung oder die Erstellung von Schutzzäunen, nur bei vorheriger Mitteilung erfolgreich seien, sei nicht nachvollziehbar.

Landgericht Trier, Urteil vom 29.1.2016 – 1 S 181/15 –

III. Anmerkungen

Das Mitverschulden des Geschädigten ist im gesamten Schadensersatzrecht von größter Bedeutung. Es ist das wichtigste Kriterium, um einen gegebenen Ersatzanspruch zu verringern oder sogar ganz auszuschließen. Voraussetzung ist natürlich, dass sich die Handlung oder die Unterlassung auf die Entstehung oder den Umfang des Schadens ausgewirkt hat, also mitursächlich gewesen ist. Daran fehlte es im vorliegenden Verfahren, weil die Pächter nach erfolgter Mitteilung untätig blieben und keine Verhütungsmaßnahmen durchführten. Das Urteil gibt Anlass, die wichtigsten Fälle eines Mitverschuldens kurz darzustellen.

1. Mitverschulden des Geschädigten

Ein Mitverschulden liegt in der Regel vor bei:

• unterlassener Mitteilung von Aussaat und Eintritt der Milchreife bei Mais an einen kenntnislosen Pächter, wenn auf dieser Fläche bereits wiederholt Schäden entstanden sind (AG Betzdorf, Urteil vom 14.1.1998 – 11 C 378/96 –).

• Zurücklassen und Unterpflügen zahlreicher Bruchkolben von Mais, sodass die neue Aussaat vom brechenden Schwarzwild beschädigt wurde (Landgericht Schwerin, Urteil vom 8.11.2001 – 6 S 269701 –).

• Unterlassen rechtzeitigen Nachsäens (Landgericht Verden, Urteil v. 16.5.1984 – 2 S 424/83 –); hier sind nur die Kosten der Nachsaat und eines eventuellen Minderertrags zu ersetzen.

• Unterlassen einer Mitteilung an den Pächter, wenn der Geschädigte die Sauen im Mais wahrgenommen hat, dies aber nicht dem Pächter mitteilte, sodass dieser infolge seiner Unkenntnis keine Abwehrmaßnahmen getroffen hat.

• schuldhaft verspätetem Einbringen der Ernte, sodass die Frucht einer erhöhten Gefahr ausgesetzt war (Amtsgericht Stromberg, Urteil vom 30.6.1966 – 2 C 274/64 –).

2. Gesetzlicher Ausschluss

Kraft Gesetzes ausgeschlossen ist der Ersatzanspruch:

• Wenn der Schaden nicht innerhalb einer Woche (NRW: zwei Wochen) ab Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis angemeldet wurde (§ 34 BJagdG). Der Geschädigte ist grundsätzlich verpflichtet, seine Flächen alle vier Wochen, erhöht gefährdete sogar alle ein bis zwei Wochen, zu kontrollieren. Hat er das unterlassen, liegt fahrlässige Unkenntnis vor.

• Wenn der Schaden untrennbar vermischt ist mit nicht oder nicht mehr zu ersetzenden Schäden (z. B. Vermischung mit Schäden von Haustieren, Dachsen, Insekten, Bakterien/Pilze oder mit Altschäden, die nicht fristgerecht angemeldet wurden).

• Wenn bei Sonderkulturen die üb

lichen Schutzvorrichtungen nicht ordnungsgemäß erstellt wurden oder schadhaft waren und dadurch der Schaden entstanden ist (§ 32 Abs. 2 BJagdG).

• Wenn der Geschädigte die vom Pächter getroffenen Abwehrmaßnahmen unwirksam gemacht hat (§ 32 Abs. 1 BJagdG).

• Wenn der Geschädigte die Errichtung von Schutzmaßnahmen ohne triftigen Grund untersagt hat, etwa die Errichtung eines E-Zaunes, obwohl der Ersatzpflichtige angeboten hat, den dadurch eintretenden Schaden zu ersetzen (§ 32 Abs. 1 BJagdG analog).

• Wenn der Schaden durch eine Reserveursache später ohnehin eingetreten wäre, zum Beispiel durch Unwetter, Überschwemmung, Hitzeperiode, weil für die Schadensbemessung der Zeitpunkt der Ernte maßgebend ist (§ 31 Abs. 2 BJagdG).

3. Beweispflicht

Hier gilt der Grundsatz: Wer ein Recht geltend macht, muss es notfalls beweisen. Daher muss der Geschädigte alle Voraussetzungen für die Entstehung des Schadensersatzanspruchs beweisen. Hierzu gehören die Verursachung des Schadens durch Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen an Grundstücken oder an Bewuchs, rechtzeitige Anmeldung, keine Vermischung mit nicht zu ersetzenden Schäden sowie die Errichtung ordnungsgemäßer und intakter Schutzvorrichtungen bei Sonderkulturen.

Der Ersatzpflichtige muss alle Voraussetzungen beweisen, die zu einer Minderung oder einem Wegfall des Anspruchs führen, also etwa die Voraussetzungen für ein Mitverschulden des Geschädigten oder einen Ausschluss des Anspruchs kraft Gesetzes.

V. Ergebnis

1. Ein Mitverschulden des Geschädigten mindert seinen Ersatzanspruch oder bringt ihn ganz zum Erlöschen – je nach der Höhe des Verschuldens.

2. Es liegt vor, wenn der Geschädigte an der Entstehung oder der Höhe des Schadens pflichtwidrig und schuldhaft mitgewirkt hat.

3. Die Voraussetzungen für den Anspruch muss der Geschädigte, die Voraussetzungen für ein Mitverschulden der Ersatzpflichtige beweisen

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