389 JVG – Verspätet und vermischt WILDSCHADENERSATZ ABGELEHNT
Mark G. v. Pückler
I. Der Fall
Der Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes stellte eines Tages fest, dass Schwarzwild auf seinen Wiesenflächen Schäden verursacht hatte. Er verlangte vom Jagdpächter Schadenersatz. Dieser hatte im Pachtvertrag den Ersatz von Wildschäden auf „land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen“ im gesetzlichen Umfang übernommen.
Zur weiteren Begründung gab der Landwirt an, dass die Schäden am 10. und 15. November entstanden seien. Drei Tage später habe er sie angemeldet. Bis zur Schätzung am 1. Dezember seien noch weitere Schäden hinzugekommen, die in die Schätzung und in seine Forderung eingegangen seien. Der Jagdpächter entgegnete, dass bereits im September Wildschäden festgestellt worden seien, die sich in der Folgezeit sukzessive vergrößert hätten. Eine Einigung war nicht zu erreichen, das Gericht musste entscheiden.
II. Das Urteil
Das Amtsgericht wies die Klage des Landwirts kostenpflichtig ab. Dieser habe weder nachgewiesen, dass er den Schaden ordnungsgemäß und rechtzeitig angemeldet hat (1.), noch habe er den Umfang des Schadens wegen Vermischung genau bestimmen können (2.).
1. Eine ordnungsgemäße Anmeldung setzt voraus, dass der Geschädigte angibt, wann, wo und welche Schäden er festgestellt hat, damit die zuständige Behörde imstande ist, die geschädigte Fläche nach Lage, Art, Entstehungszeit und Schadensumfang zu überprüfen und zu bewerten. Dies ist hier nicht erfolgt. Den Angaben des Geschädigten ist nicht zu entnehmen, wann er vor der Schadensfeststellung zuletzt seine Flächen kontrolliert hat. Damit bleibt ungeklärt, ob er bei Anwendung gehöriger Sorgfalt schon früher von den Schäden Kenntnis erhalten hätte, sodass die Anmeldung verspätet wäre. Fest steht nur, dass es bereits im September einen Vorschaden gegeben hat, der sich erweiterte. Ob es sich hierbei um den angemeldeten oder einen anderen Schaden handelte, konnte mangels präziser Angaben des Landwirts insbesondere zur Lage der Schäden nicht geklärt werden. Eine Unterscheidung zwischen Alt- und Neuschäden befindet sich auch nicht in der Niederschrift des Schätzers.
2. Auch der Umfang der angemeldeten Schäden konnte nicht bestimmt werden. Da sowohl unangemeldete Altschäden als auch unangemeldete Nachschäden vorliegen, hätten diese von den angemeldeten Schäden getrennt werden müssen. Dies war jedoch nicht möglich, weder durch die Angaben des Landwirts noch anhand der Niederschrift des Schätzers. Es ist Sache des Geschädigten, die rechtzeitige Anmeldung und das Ausmaß des angemeldeten Schadens nachzuweisen, andernfalls erlischt der Ersatzanspruch (Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 8.3.2017 – 22 C 263/16 –).
III. Anmerkungen
Ein Fall, der zwei typische Mängel bei der Geltendmachung von Wildschäden aufzeigt: (1.) Verspätete Anmeldung und (2.) Vermischung des rechtzeitig angemeldeten Schadens mit anderen, nicht oder nicht mehr ersatzpflichtigen Schäden. Dies können unangemeldete Alt- oder Neuschäden von Schalenwild oder Wildkaninchen sein oder nicht ersatzpflichtige Schäden von Wildgänsen, Wildtauben, Feldhasen, Haustieren, Mäusen, Insekten, Unwettern oder Bakterien, sodass der Umfang des rechtzeitig angemeldeten Teiles nicht ausreichend exakt bestimmt werden kann. Sowohl die rechtzeitige Anmeldung als auch den Umfang des Schadens muss der Geschädigte beweisen, andernfalls gibt es keinen Ersatz.
1. Rechtzeitige Anmeldung
Nach § 34 BJagdG und den entsprechenden Landesjagdgesetzen erlischt der Anspruch auf Wildschadenersatz,
wenn der Schaden nicht innerhalb von einer Woche, nachdem der Geschädigte von ihm Kenntnis erhalten hat oder bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erhalten hätte, bei der zuständigen Behörde angemeldet wird (NRW: zwei Wochen). Die kurze Dauer dient einerseits dazu, die Ursachen des Schadens möglichst sicher festzustellen, andererseits den ersatzpflichtigen Jäger möglichst schnell zu informieren, damit er weitere Schäden verhindern kann.
Die Wochenfrist berechnet sich so, dass sie jeweils am gleichen Tag der Folgewoche um 24.00 Uhr endet, zum Beispiel von Mittwoch zu Mittwoch. Ist der Endtag ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag, so endet die Frist erst am folgenden Werktag, zum Beispiel vom Freitag vor Karfreitag bis Dienstag nach Ostern. Zum Beweis der fristgerechten Anmeldung muss der Geschädigte nachweisen, dass er (1.) erst innerhalb der Woche vor der Anmeldung Kenntnis erlangt hat und er (2.) bei Beachtung gehöriger Sorgfalt nicht schon früher davon erfahren hätte. Denn nach der Rechtsprechung verlangt diese Sorgfalt, dass der Geschädigte seine Flächen während der schadensanfälligen Zeit regelmäßig binnen einer Monatsfrist kontrolliert (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.4.2010 – III ZR 216/09 -, WuH 14/2010, S. 96).
Bei Flächen mit erhöhter Wildschadensgefahr (beispielsweise aufgrund der Lage, Frucht oder früherer Schäden) muss in kürzeren Abständen kontrolliert werden, etwa zweiwöchig oder gar einwöchig.
Diese Monatsfrist bedeutet zum Beispiel vom 8. Juli bis 8. August (circa 4 Wochen), nicht etwa einmal im Monat, wie 8. Juli bis 20. August (circa 7 Wochen). Hieraus folgt, dass Schäden, die bei Kenntniserhalt bereits älter als ein Monat sind, in der Regel verspätet angemeldet wurden und daher nicht mehr zu ersetzen sind. Endet der Folgemonat früher, so endet die Frist am letzten Tag des Folgemonats, beispielsweise 31. August bis 30. September. Fortlaufend sich vergrößernde Schäden müssen grundsätzlich wöchentlich angemeldet werden, nachträglich hinzugekommene Neuschäden sind neu anzumelden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 5.5.2011 – III ZR 91/10 –).
2. Vermischung des Schadens
Ist der rechtzeitig angemeldete Schaden mit unangemeldeten oder nicht ersatzpflichtigen Schäden (siehe IV.)
vermischt, sodass er von diesen nicht sicher abgegrenzt und geschätzt werden kann, so entfällt der Anspruch. Ein Landwirt, der erst kurz vor oder bei der Ernte alle bis dahin aufgelaufenen Schäden zusammengefasst anmeldet, kann daher allenfalls nur die im letzten Monat entstandenen Schäden ersetzt erhalten, sofern diese nicht mit Alt- oder sonstigen Schäden untrennbar vermengt sind.
IV. Ergebnis
1. Der Geschädigte muss die Rechtzeitigkeit der Anmeldung und die Höhe des Schadens beweisen, andernfalls erlischt sein Ersatzanspruch.
2. Bei einer Vermischung des angemeldeten Schadens mit unangemeldeten oder verspätet angemeldeten Schäden entfällt in der Regel der Ersatzanspruch, weil eine exakte Trennung und damit auch eine zuverlässige Berechnung der Höhe des Schadens unmöglich ist.