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Weltklasse aus der Weltstadt

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Rothirsche im Duvenstedter Brook (Teil 2):
In WILD UND HUND Nr. 3 beleuchtete Horst Rohleder die Geschichte der Brook-Hirsche von 1939 bis 1979. Doch erst in den achtziger Jahren begann die Ära der Ausnahmehirsche, die nicht nur die Jäger um das Brook, sondern auch die Hamburger Bevölkerung in Atem hielten und immer noch halten.

 

Der „Ammersbecker“ vom zwölften Kopf während der Brunft 2002

Von Horst Rohleder

Die Geschichte der Brookhirsche begann Ende der dreißiger Jahre. Doch erst 40 Jahre später wuchsen die Geweihten heran, die nicht nur für Deutschland Maßstäbe setzen sollten…

Der leitende Revierbeamte der Försterei Duvenstedter Brook, Hans-Jürgen Unger, beobachtete 1977 einen ungeraden Zwölfer vom zweiten Kopf, der ihn durch seine außergewöhnliche Geweihmasse stark beeindruckte. Die später gefundenen Abwurfstangen brachten es zusammen auf stattliche 2,44 Kilogramm. Im folgenden Jahr zeigte sich dieser Hirsch als gerader 14-Ender und hatte sein Geweihgewicht mehr als verdoppelt! Die Abwürfe wurden mit 167,71 Punkten bewertet. Der vierte Kopf machte die Experten fassungslos. Der Hirsch, dem Alter nach eigentlich noch ein Schneider, erschien im Brook als ungerader 24-Ender. Die Abwürfe wogen 7,9 Kilogramm!

Allerdings besaß dieser Geweihte noch keinen Namen. Man tat sich bei dieser Ausnahmeerscheinung sichtlich schwer. Erst Hans Ungers Sohn Michael meinte eines Tages: „Wenn ihr ihn denn alle so gigantisch findet, dann nennt ihn doch auch so!“ – Der Hirsch hieß von nun an „Gigant“ und machte seinem Namen alle Ehre. Mit dem fünften Kopf schob er ein Geweih mit ungeraden 22 Enden. Seine beiden Abwurfstangen brachten 10,4 Kilogramm auf die Waage und kamen auf 234,35 CIC-Punkte. Die interessierte Hamburger Bevölkerung nahm regen Anteil an der Entwicklung dieses neuen Wahrzeichens des Naturschutzgebietes Duvenstedter Brook. So ist der aufgeklärte Bürger auch der Verbündete der Jagd. Denn nur was der Bürger kennt, ist er auch bereit zu erhalten!

Mit dem sechsten Kopf zeigte sich dieser Ausnahmehirsch als ungerader 30-Ender! Wann war je in Westeuropa ein Hirsch solcher Stärke in freier Wildbahn beobachtet worden?

Am 12. Dezember 1982 jedoch fanden Teilnehmer eines Jungjägerlehrganges im Eigenjagdbezirk Hoisbüttel einen verluderten Rothirsch – es war der „Gigant“! Über das „Warum“ wurde heftig spekuliert. Vom Waidewundschuss bis zum Herztod gingen die Vermutungen. Selbst DER SPIEGEL widmete dem verendeten Ausnahmehirsch eine komplette Seite. Radiologische Untersuchungen brachten auch keine weiteren Erkenntnisse über den frühen Tod des „Giganten“. Über sein letztes Geweih brauchte man nicht zu spekulieren: Mit geraden 26 Enden und 12,3 Kilogramm Geweihgewicht erhielt es auf der Jagdausstellung „Wildtier und Umwelt“ 1986 in Nürnberg 250,79 Internationale Punkte. Damit war es mit Abstand zu dieser Zeit Deutschlands stärkstes Hirschgeweih aus freier Wildbahn! Diese Spitzenstellung sollte es bis zum 17. September 1997 halten.

Die Hirsche im Duvenstedter Brook wurden in den folgenden Jahren immer stärker.

Ins Optimum gekommen

Erst als die regelmäßige Winterfütterung eingestellt wurde, gingen die Geweihgewichte eigenartigerweise nach oben! Warum der Hirsch im Duvenstedter Brook nun so stark wird, dafür gibt es bis heute keine Erklärung. Ganz sicher stimmt der Lebensraum, auch wenn er sich „nur“ über insgesamt knapp 10 000 Hektar erstreckt.

Der Rapsanbau hat seit den siebziger Jahren stark zugenommen, besonders im Schleswig-Holsteiner Raum, wo die meisten Brook-Hirsche ihren Winter- und Feisteinstand haben. Vom Winter bis zum Verholzen der Rapsstengel und manchmal darüber hinaus steht den Hirschen somit ein gutes halbes Jahr genau in der Zeit, wo sie ihre Geweihe schieben, eiweißreiche Äsung zur Verfügung. In dem fast undurchdringlichen Rapsdschungel sind die Hirsche völlig ungestört und können somit diese hochwertige Äsung optimal aufschließen. Außerhalb dieser Zeit findet das Rotwild in den großen Weichholzdickichten und auf den Wildwiesen des Brooks hervorragende Äsung.

Die größte Stangenlänge erreichte der „Binsenhirsch“ (elfter Kopf, erlegt von Volker Manke am 1. August 1998,) mit 1,28 m im Mittel. Kapitale Hirsche kommen hier auf Wildbretgewichte von bis zu 230 Kilogramm (Feiste). Starke Alttiere wiegen bis zu 100 Kilogramm, 80 sind normal.

Vielendig

Meist auf der Einzeljagd wird im Duvenstedter Brook und den angrenzenden Revieren des Hochwildrings selektiv in den Bestand eingegriffen. Der höchste Eingriff erfolgt logischerweise in der Jugendklasse. Die Mittelklasse bleibt in der Regel unberücksichtigt. Fast alle Beständer der Reviere wohnen in unmittelbarer Nähe ihrer Reviere. Die Jäger sind somit häufig draußen, was sie in die Lage versetzt, wirklich selektiv mit der Büchse in den Bestand einzugreifen.

Am 4. September 1990 schlug die jägerische Sternstunde von Dr. Helmut Funke. Gegen Ende seiner Dienstzeit als Leitender Forstdirektor der Hansestadt Hamburg jagte er auf seinen Pensionshirsch, auf den so genannten „Regenbogenhirsch“. Als Hans-Jürgen Unger ihn zum ersten Mal als Hirsch vom zweiten Kopf beobachtete, war gerade über dem Junghirsch ein Regenbogen zu sehen, daher der Name. Das starke Jugendgeweih ließ auf eine ähnliche Entwicklung wie beim „Giganten“ hoffen. Der „Regenbogenhirsch“ hielt auch in seiner gesamten Entwicklung das, was er als Hirsch vom zweiten Kopf frühzeitig erkennen ließ. Brauchte dieser Hirsch später während der Brunft eine Ruhepause, senkte er einfach sein Haupt und stützte sich mit seinen kapitalen Stangen am Boden ab.

Als Helmut Funke, geführt von Hans-Jürgen Unger, auf diesen Hirsch waidwerkte, herrschte typisches Hamburger Schmuddelwetter. Der Hirsch trat mit seinem Brunftrudel aus. Dr. Funke stach seine Büchse ein und kam, innerlich aufgewühlt bei dem kapitalen Anblick, zu früh an den Abzug. Der Schuss ging raus und schlug hinter dem Hirsch in den Boden. Hirsch und Rudel waren augenblicklich im hohen Schilf verschwunden.

Am nächsten Morgen saßen die beiden Jäger wieder auf dem Hochsitz an der Brunftwiese. Die Niedergeschlagenheit wegen des Fehlschusses vom Tag zuvor wich augenblicklich, als sie die Stimme des Hirsches im Bestand vernahmen. Wenige Minuten später trat das Brunftrudel auf die Wiese aus, dahinter der hochkapitale Hirsch. Dr. Funke hob diesmal nicht sein eigenes Gewehr, sondern hatte sich das von Hans-Jürgen Unger ausgeliehen. Der Finger berührte den Abzug, aber kein Schuss löste sich. Nur ein hartes, metallisches Klicken war zu hören – Versager! Dr. Funke ist nach eigenen Angaben noch heute erstaunt, wie ruhig und gelassen er zu Hans Unger sagte: „Eine neue Patrone, bitte!“ Endlich fiel der erlösende Schuss, und die beiden Forstleute standen kurze Zeit später vor einem der stärksten Hirsche, die in deutscher Wildbahn je ihre Fährte gezogen haben. Gestreckt auf einem Brunftplatz, der sich nur 18 Kilometer Luftlinie von der Hamburger Innenstadt entfernt befindet.

Der alte Hirsch lebt gefährlich

In der Regel melden im Duvenstedter Brook die ersten Hirsche Ende August. Der Brunfthöhepunkt liegt zwischen dem 21. und 25. September. Besonders gefährdet sind aber die alten, reifen Hirsche in den Tagen der Nachbrunft. Ihre Kräfte sind in den anstrengenden Wochen zuvor fast völlig aufgebraucht. Wird dann beispielsweise Ende Oktober noch ein Tier brunftig, hält es auch den abgebrunftetsten Hirsch nicht mehr in der Dickung. An solchen Spätbrunfttagen kocht das Duvenstedter Brook. Der eine oder andere jüngere Geweihte stellt den verbrauchten, alten Recken zum Kampf, und dann passiert es! Schon fahren die spitzen Enden ihm in die Seite.

Die Abgänge bei den alten Hirschen durch tödliche Forkelverletzungen nahm im Brook stark zu. So entschlossen sich die Forstleute des Brooks und der Hochwildring Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre, das Erntealter vom bisher zwölften auf den zehnten Kopf abzusenken. Hans-Jürgen Unger ist sich übrigens sicher, dass im Brook der Hirsch vom 10. Kopf den Höhepunkt seiner Entwicklung, Körper und Geweih betreffend, erreicht hat – ähnlich wie damals bei den Rominter Hirschen, von Ausnahmen einmal abgesehen.

Manchmal irrt der Experte

Als 1997 nach 24-jähriger Leitung der Revierförsterei „Duvenstedter Brook“ Hans-Jürgen Ungers Pensionierung näherrückte, gab ihm der leitende Forstdirektor von Hamburg, Dr. Rainer Wujciak, einen Erntehirsch frei. Zu seiner großen Freude war es der „Hoisbüttler“, ein Hirsch, den er natürlich auch von frühester Jugend her kannte: An einem Sommerabend des Jahres 1990 saß der Forstmann am Rande einer Wiese und wollte nach den Kolbenhirschen sehen. Noch bei bestem Licht zog ein Rothirsch vom zweiten Kopf in die Wiese. Er notierte damals in sein Notizbuch: Fertig geschoben, abnorm, Augsprossen Fehlanzeige, Mittelsprossen nur links, beidseitig kurze Gabeln. Nach dem Ort der Begebenheit taufte er den Hirsch „Hoisbüttler“.

Seine Folgegeweihe schob dieser Hirsch meist relativ kurz, aber ausgesprochen knuffig. Auch in seiner Geweihsymmetrie nahm der „Hoisbüttler“ es eigentlich nie so genau, ließ auch schon mal eine Augsprosse weg. Mit dem achten Kopf zeigte er aber, was wirklich in ihm steckte: Ungerader 20-Ender war er plötzlich! Seine Abwurfstangen wogen 10,7 Kilogramm. Mit dem neunten Kopf zeigte der Hirsch sich als ungerader 16-Ender, seine Abwurfstangen hatten ein Gewicht von zwölf Kilogramm.

Mit großer Spannung erwartete Hans-Jürgen Unger 1997 den Aufgang der Rotwildjagd. Gibt er doch selber zu, dass es doch etwas anderes ist, ob man einen Kollegen auf einen Geweihten führt oder selbst auf seinen Lebenshirsch pirscht. Seine Bemühungen, den „Hoisbüttler“ in der Feistzeit zu erlegen, waren vergeblich. Am frühen Morgen des 17. Septembers saß der Forstmann auf seinem Sitzstock am Rande einer kleinen Wiese an. Kurz nach Büchsenlicht bemerkte er einen anwechselnden starken Hirsch: „Ich sah nur gewaltige Kronen und wusste gleich Bescheid: Dass, was da über die Wiese schaukelte, war mein Hirsch!“ Der Forstmann mahnte den Kapitalen kurz an, und als dieser daraufhin verhoffte, setzte er ihm die Kugel (.30-06) auf die Kammer. Nach kurzer Todesflucht verendete der Hirsch noch auf der kleinen Blöße.

Mit 253,78 Punkten bei einem Geweihgewicht von 13 Kilogramm stellte der „Hoisbüttler“ zu dieser Zeit das neue deutsche Spitzengeweih und übertraf damit das des „Giganten“ um 3,19 Punkte.

Einer vom anderen Stern

Nur fünf Jahre hielt sich der „Hoisbüttler“ an der Spitze der deutschen Rotwildgeweihe. Dann schrieben Brook und Hochwildring wieder neue Schlagzeilen: Am 8. August 2002 erlegte Volker Manke in seinem Pachtrevier Jersbek Forst den aktuellen deutschen Spitzenhirsch „Kastor“ (siehe WILD UND HUND 17/2002, Seite 34). Mit 270,43 CIC-Punkten und 14,6 Kilogramm Geweihgewicht steht er einsam an der Spitze der deutschen Rekordgeweihe. Unter den weltstärksten Rothirschgeweihen reiht er sich zwischen Platz fünf und sechs ein!

Wie lange sich „Kastor“ an der Spitze hält, kann keiner sagen. Aber ich erinnere mich nur zu gut an die Worte des leitenden Forstdirektor Dr. Rainer Wujciak vor Jahren: „Über kurz oder lang wird ein Hirsch im Duvenstedter Brook heranwachsen, der „Giganten“ und „Hoisbüttler“ in den Schatten stellt!“ Der Mann behielt recht!

Hirsche vom zweiten bis sechsten Kopf, die man in der Brunft 2002 im Duvenstedter Brook beobachten konnte, lassen vermuten, dass auch das Geweih des „Kastors“ vielleicht nur einige Jahre an der Spitze stehen wird. Und ganz ausgeschlossen ist es sicher nicht, dass irgendwann auch das weltstärkste Geweih aus der Freien und Hansestadt Hamburg kommen wird, wo Brunftplatz und Rathausmarkt sich beinahe berühren!

Teilnehmer eines Jungjägerlehrgangs fanden den verluderten „Gigant“ am 12. Dezember 1982 Im Lehrrevier Hoisbüttel

 

 


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