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262 JVG – Wildunfall verspätet gemeldet

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Kein Schadensersatz für verhitztes Reh
Wildunfall verspätet gemeldet

262 JVG

Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das
Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen
zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ „Die gleiche Verpflichtung
trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt.“ § 823 Abs. 1 und Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch. „Mit Geldbuße kann belegt
werden, wer als Führer eines Fahrzeugs Schalenwild durch An- oder Überfahren verletzt
oder tötet und dies nicht unverzüglich entweder dem Revierinhaber oder der nächst erreichbaren Polizeidienststelle anzeigt.“ Art. 56 Abs. 2 Nr. 12 b Bayerisches Jagdgesetz.

II. Der Sachverhalt

Pkw-Fahrer F. überfuhr im Hochsommer gegen 13.30 Uhr ein Stück Rehwild, das verendete. Gegen 18.00 Uhr, also rund viereinhalb Stunden später, meldete er den Unfall bei der zuständigen Polizeidienststelle. Zu diesem Zeitpunkt war das Stück bereits verhitzt, so dass es nicht mehr verwertet werden konnte. Der Pächter verlangte von F. Schadensersatz wegen verspäteter Anzeige eines Wildunfalles. Dieser lehnte eine Zahlung
ab und wandte ein, es sei nicht nachgewiesen, dass der Schaden durch die verspätete Anzeige eingetreten und das Wildbret nach dem Unfall überhaupt noch verwertbar gewesen
sei.

III. Das Urteil
Das Gericht wies die Klage des Pächters auf Schadensersatz ab. Zwar sei Art. 56 Abs. 2 Nr.
12 b Bayerisches Jagdgesetz ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch, dessen Zweck darin bestehe, den Jagdausübungsberechtigten vor Schaden zu bewahren; jedoch sei vorliegend die verspätete Anzeige des Unfalls nicht für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen. Es fehle am Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt, weil der Schaden auch bei rechtzeitiger Meldung eingetreten wäre. „Unverzüglich“ bedeute nämlich nach § 121 Abs. 1 Satz
1 Bürgerliches Gesetzbuch nur „ohne schuldhaftes Zögern“, also nicht sofort, sondern nach
einer angemessenen Überlegungsfrist, wobei die Erledigung wichtigerer Aufgaben
vorrang habe. Nach den Angaben des Sachverständigen habe wegen der sommerlichen Temperaturen lediglich ein Zeitraum von etwa einer Stunde zur Verfügung gestanden, innerhalb der eine Verwertung des Wildes möglich gewesen wäre. Angesichts dieses kurzen
Zeitraumes für Meldung und Auffinden des verunglückten Stückes sei die Kausalität zwischen verspäteter Meldung und eingetretenem Schaden „mehr als zweifelhaft“. Das gelte insbesondere dann, wenn davon auszugehen sei, dass der Fahrer ein schreiendes Baby im Auto gehabt habe, das er der Mutter habe abliefern wollen. Amtsgericht Landshut, Urteil vom 31.8.2001 – 1 C 1265/01 –

IV. Anmerkungen
Dem Urteil ist nur teilweise zuzustimmen. Zutreffend geht das Gericht davon aus, dass die landesrechtliche Pflicht zur Anzeige von Wildunfällen mit Schalenwild ein Schutzgesetz im
Sinne des § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch ist, das den Jagdausübungsberechtigten
vor Schaden schützen soll. Daneben dient diese Meldepflicht natürlich auch dem Tierschutz,
indem sie eine rasche Nachsuche ermöglichen soll, um die Leiden des verletzten Tieres zu verkürzen. Zuzustimmen ist dem Gericht ferner, dass „unverzüglich“ nicht sofort bedeutet,
sondern nur „ohne schuldhaftes Zögern“, also ohne schuldhaftes Hinausschieben der Erledigung. Das ist weniger als sofort, weshalb dringendere Erledigungen Vorrang haben, beispielsweise ein Notarzt im Einsatz, eine Fahrt zu einem wichtigen unaufschiebbaren Termin oder ähnliches. Hier hat eine Abwägung zu erfolgen zwischen dem Schaden des Jagdausübungsberechtigten und den Leiden des verletzten Wildes einerseits sowie
der Dringlichkeit des hindernden Ereignisses andererseits. Leider ist dem Urteil nicht
zu entnehmen, ob der Fahrer ein Mobiltelefon bei sich hatte und wann er das Baby abgeliefert hat. Beim Besitz eines Handys hätte er meines Erachtens noch von der Unfallstelle aus anrufen können und müssen, da es bei der Anzeigepflicht –anders als bei der Anfechtung einer Willenserklärung – nichts zu überdenken gibt. Diese Pflicht besteht und ändert sich nicht, die Frage, ob Meldung zu machen ist, steht daher nicht zur Disposition. Angesichts der Kürze eines solchen Telefonats ist auch ein schreiendes Kind kein Hindernis, schon gar nicht bei einem Wildunfall mit einem verletzten und leidenden Stück. Maßgebend für ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“ kann daher nicht eine feste
Zeitspanne sein. Vielmehr liegt es an den Umständen, in denen unverzüglich gehandelt werden muss. Wenn hierbei eine gründliche Abwägung notwendig  ist, kann auch eine angemessene Überlegungsfrist zugebilligt werden. Eine einfache Unfallmeldung ist grundsätzlich gleich zu machen, sofern das möglich ist, und nicht wichtigere Dinge entgegenstehen. Andernfalls liefe das Schutzgesetz an heißen Sommertagen bei verendetem Wild leer, weil es nach einer Stunde bereits verhitzt wäre, während es in der übrigen Jahreszeit seinen Schutz entfalten würde – ein untragbares Ergebnis. Unfallwild muss grundsätzlich der Fleischuntersuchung zugeführt werden, wenn es für den menschlichen Verzehr vorgesehen ist. Das hat den wichtigen Nebeneffekt, dass sowohl
die Verwertbarkeit nach dem Unfall als auch der Zeitpunkt des Verhitzens von einem sachkundigen Zeugen festgestellt werden muss, so dass es hierüber im Prozess keine Beweisprobleme für den Jagdausübungsberechtigten gibt. War das Wildbret infolge
des Unfalles ohnehin unverwertbar plattgewalzt, scheidet ein Schadensersatzanspruch
wegen verspäteter Anzeige von vornherein aus. Denn in diesen Fällen ist Ursache des Schadens allein der Unfall, nicht aber die verspätete Anzeige.

V. Ergebnis
1. Wird ein Unfall mit Schalenwild nicht unverzüglich gemeldet, so steht dem Jagdausübungsberechtigten grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zu, wenn das Wildbret bei rechtzeitiger Meldung verwertbar gewesen wäre.
2. Das gilt nur in den Ländern, in denen eine solche Anzeigepflicht besteht (etwa in Baden-
Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-
Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen).
3. „Unverzüglich“ bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“, nicht sofort.

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