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324 JVG – Sicherheitsbestimmungen nicht beachtet

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324 JVG – Sicherheitsbestimmungen nicht beachtet, Jagdunfälle auf Drückjagden

324 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ § 229 Strafgesetzbuch 2. „Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ § 222 Strafgesetzbuch 3. „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht (zum Beispiel Jagdausübungsrecht) eines Anderen widerrechtlich verletzt, ist dem Anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch 4. Wird infolge einer Verletzung die Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert, so ist dem Verletzten durch eine Geldrente Schadensersatz zu leisten. Kommt es zum Todesfall und war der Getötete einem Dritten zum Unterhalt verpflichtet, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch eine Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen wäre. §§ 843 und 844 Bürgerliches Gesetzbuch

II. Erster Sachverhalt
Maisjagd auf Schwarzwild. Die Schützen umstellen das Feld, der Häcksler erntet die Frucht. Als nur noch vier bis sieben Reihen stehen und einzelne Teilnehmer bereits ihre Stände verlassen haben und sich in Gruppen sammeln, ohne dass ein „Hahn in Ruh“ erklungen ist, schießt Jäger J. auf einen Fuchs, der entlang des Maisstreifens flüchtet. Sein Büchsengeschoss verfehlt das Ziel, durchschlägt den schmalen Maisstreifen und trifft beide Knie des auf der anderen Seite unsichtbar in einer Gruppe stehenden Jagdleiters P. (Pächter). P. verlangte Schadensersatz, Verdienstausfall und Schmerzensgeld.

III. Erstes Urteil
Das Gericht verurteilte den Schützen zum Ersatz von zwei Dritteln aller gegenwärtigen und künftigen Schäden aus dem Unfall sowie zu einem Schmerzensgeld von 40 000 Euro. J. habe den Unfall durch Nichtbeachtung der Sicherheitsbestimmungen und damit fahrlässig verursacht, indem er einen Schuss abgegeben habe, ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass niemand gefährdet werde. Auch dürfe in Richtung von Personen weder angeschlagen noch geschossen werden, das Schießen mit Büchsengeschossen in das Treiben hinein sei nur mit Genehmigung des Jagdleiters erlaubt. Den Verletzten treffe ein Mitverschulden in Höhe von einem Drittel, weil er als Jagdleiter die Schützen weder ordnungsgemäß belehrt noch eingewiesen habe. Er habe keineswegs davon ausgehen können, dass die Schützen ohne entsprechende Belehrung das Wild erst nach Passieren der Schützenlinie beschießen würden. Außerdem habe er seinen Stand vorzeitig verlassen und als Jagdleiter vorschriftswidrig die Jagd nicht durch eindeutige Signale beendet. Das an sich angemessene Schmerzensgeld in Höhe von 60 000 Euro sei daher um ein Drittel auf 40 000 Euro zu vermindern gewesen. Landgericht Erfurt, Urteil vom 21.7.2006 – 3 O 1672/04

IV. Zweiter Sachverhalt
Auf einer Drückjagd im Schwarzwald wurde ein Revierförster, der als Durchgehschütze eingesetzt war, durch einen Kugelschuss tödlich verletzt. Nach einem Pressebericht hatte er sich während des Treibens so auf einen Holzklotz hinter einen Baum gesetzt, dass der Schütze lediglich einen Teil des linken Rumpfes sehen konnte. Der Förster trug einen dunkelgrünen Faserpelzmantel und einen dunkelgrünen Wollponcho, der Schütze verwechselte ihn mit einem Stück Schwarzwild. Sein aus rund 60 Metern abgegebener Schuss verletzte ihn tödlich. Das Opfer hinterlässt eine Frau und zwei kleine Kinder. V. Zweites Urteil Der Schütze wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hatte fahrlässig gehandelt, weil er sich vor Abgabe des Schusses nicht genügend vergewissert hatte, dass er niemanden gefährden würde. Zwar müssen Treiber und Durchgehschützen nach den Unfallverhütungsvorschriften gelbe Regenbekleidung oder orangene Sicherheitswesten tragen; sofern der Getötete hiergegen verstoßen haben sollte, begründet das zwar ein Mitverschulden, schließt aber die Fahrlässigkeit des Schützen nicht aus. Auch in diesem Fall wird es um hohen Schadensersatz gehen, da die Ehefrau und die Kinder ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehemann und Vater verloren haben, in dessen Höhe die Jagdhaftpflichtversicherung auf Dauer Ersatz leisten muss. Jagdschein und Waffenbesitzkarte wurden eingezogen, die Waffen abgegeben.

VI. Anmerkungen
1. Folgen eines Jagdunfalls Die meisten Jagdunfälle ereignen sich auf Gesellschaftsjagden, weil sich dort viele Jäger und Treiber auf engem Raum befinden. Hier gilt es, die Sicherheitsbestimmungen der Unfallverhütungsvorschriften (siehe hierzu WuH 21/2009, S. 116) besonders strikt einzuhalten, damit niemand geschädigt wird, zumal viele Schützen nicht ortskundig sind. Führt die Missachtung einer Sicherheitsbestimmung zu einem Schaden, liegt in der Regel Fahrlässigkeit vor, sodass der Schütze dafür voll einstehen muss. Die Folgen sind: 1.1 Strafrechtlich: Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheits- oder Geldstrafe. Ein Mitverschulden des Verletzten kann sich strafmildernd, bei Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld sogar strafausschließend auswirken. 1.2 Zivilrechtlich: Verurteilung zu Schadensersatz und Schmerzensgeld, wobei grundsätzlich alle gegen wärtigen und zukünftigen Schäden zu ersetzen sind, die auf dem Unfall beruhen, gegebenenfalls vermindert durch ein Mitverschulden des Geschädigten. 1.3 Verwaltungsrechtlich: Ungültigkeitserkl.rung und Einziehung des Jagdscheins, Widerruf der Waffenbesitzkarte und Abgabe der Waffen und Munition an einen Berechtigten, Erlöschen des Jagdpachtvertrages und gegebenenfalls Schadensersatz an den Verpächter. 2. Reicht die Mindest-Haftpflichtversicherung? Nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 BJagdG beträgt die Haftpflichtversicherung für Jäger mindestens 500 000 Euro für Personenschäden und 50 000 Euro für Sachschäden. Viele fragen sich, ob diese seit 1976 bestehende Höhe heute noch ausreicht, weil sich die Kosten seitdem erheblich erhöht haben. Man stelle sich nur vor, beim zweiten Sachverhalt wäre ein gut situierter Arzt, Anwalt oder Architekt mit Ehefrau und Kindern getötet oder schwerstens verletzt worden, was in einem solchen Fall langjährig an Unterhaltsleistungen zu leisten wäre. Das neue Waffengesetz hat das bereits berücksichtigt und in § 4 Abs.1 Nr. 5 WaffG die Haftpflichtversicherung für Inhaber eines Waffenscheines oder einer Schießerlaubnis von ehemals 250 000 Euro um das Vierfache auf eine Million Euro pauschal erhöht. Damit wird zweierlei sichergestellt: Zum einen, dass der Geschädigte in der Regel vollen Ersatz erhält, zum anderen, dass der Ersatzpflichtige nicht um Haus und Hof zittern muss, weil er für den die Deckungssumme übersteigenden Betrag mit seinem Eigentum und Vermögen voll haftet.

VII. Ergebnis
1. Wird jemand durch Nichtbeachtung der Sicherheitsbestimmungen verletzt oder getötet, so wird der Schütze zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt. Er muss alle gegenwärtigen und künftigen Schäden ersetzen und verliert den Jagdschein, die Waffenbesitzkarte, die Waffen und das Revier. 2. Ein Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen begründet in der Regel Fahrlässigkeit. 3. Ein Mitverschulden des Geschädigten wird mindernd berücksichtigt. 4. Auch bei Unfällen mit Waffen gilt das allgemeine Haftungsrecht nach §§ 823 ff. BGB, sodass eine Haftung nur bei Verschulden (= Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Schützen gegeben ist. Ist ein Verschulden nicht nachzuweisen, entfällt jegliche Haftung.


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