Wo Schwarzstorch und Wanderfalke zu Hause sind sowie Wildkatze und Luchs Beute machen, will die Windkraftindustrie Einzug halten: Am Schauplatz der Grimmschen Märchen, im nordhessischen Reinhardswald, sollen bis Ende 2021 Medienberichten zufolge 20 Windkraftanlagen (WKA) errichtet werden. Doch der Widerstand gegen den Windpark in dem mit 220 km² größten, geschlossenen hessischen Waldgebiet mit alten Eichen- und Buchenbeständen ist groß.
Dieser Anblick könnte traurige Realität werden: Die Sababurg, auch Dornröschenschloss genannt, wäre von den 241 m hohen Windkraftanlagen umringt.
Foto: https://rettet-den-reinhardswald.de/
„Kommt ein Windpark, kommen weitere“, prognostizierte die Freie Wählergemeinschaft einem Bericht der Tageszeitung Hessische Niedersächsische Allgemeine (HNA) zufolge im November 2018 im Kasseler Kreistag. Denn der nordhessische Teilregionalplan Energie weist im „Schatzhaus der europäischen Wälder“, so der Schweizer Baumexperte Bernd Steiner, sieben Windvorrangflächen aus, die insgesamt ca. 20 km² umfassen und laut „Aktionsbündnis Märchenland“ (siehe rettet-den-reinhardswald.de) Platz für über 50 WKA bieten. Dafür könnten, laut Bündnis, 100 ha Wald gerodet, verdichtet, betoniert und zerstört werden. Das Projekt sei auch ein schwerer Schlag für den regionalen Tourismus.
Die Windenergie Reinhardswald GmbH beteuert als Planer und Betreiber auf ihrer Homepage, nur so viele 241 m hohe Windräder zu bauen, wie sie für Mensch und Umwelt verträglich seien. Die geplanten 20 WKA würden sich auf einer Länge von sieben Kilometern in ausreichendem Abstand zu ökologisch und touristisch wertvollen Bereichen erstrecken. Auf den WKA-Standorten hätten überdies Stürme bereits großflächig kahle Flächen hinterlassen.
Die Bürgerinitiative betont hingegen, dass Naturschutzgebiete direkt an die WKA-Flächen grenzten, die mit ihren Zuwegungen zudem das Ökoystem Reinhardswald zerstückelten. In einem im Internet nur noch über das Web-Archiv abrufbaren Porträt des zuständigen Forstamts Reinhardshagen wurden 2016 die Schutzgebietsflächen verschiedener Kategorien auf insgesamt 6 813 ha beziffert.
Als Gefälligkeitsgutachten disqualifizierte der Ornithologe und Naturschützer Jochen Tamm im Juli 2018 in einem Bericht des ZDF-Magazins Frontal 21 jene Öko-Expertisen, die die WKA-Planer selbst in Auftrag geben und bezahlen und dem Regierungspräsidium (RP) beim Genehmigungsverfahren vorlegen müssen. Tamm sei laut HNA vom 25. Juli 2018 selbst beim RP beschäftigt gewesen. Unlängst wurde bekannt, dass die Windparkplaner schon 20 WKA vom Typ „Vestas V 150“ bestellt haben, obwohl beim Kasseler RP noch kein Genehmigungsantrag vorliegt. „Bestellt ist nicht gebaut“, titelte dazu die HNA am 19. Mai. Denn alles stehe unter dem Vorbehalt des Zustandekommens der Finanzierung, der Genehmigung und vor allem der noch zu erfolgenden Ausschreibung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), unterstrich Trendelburgs Bürgermeister Martin Lange, einer der kommunalen Windpark-Kritiker. Und die HNA verwies darauf, dass die jüngste EEG-Ausschreibung der Bundesnetzagentur zur Stromeinspeisung durch WKA zu 55 Prozent unterzeichnet war. Grund sei laut Netzagentur auch die schwierige Lage bei den Genehmigungen. roe