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Das Ziel vor Augen

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Leuchtpunkt-Reflexvisiere:
Konkurrenz für Kimme, Korn & Co.? Leuchtpunkt-Reflexvisiere versprechen eine schnelle Zielerfassung bei einem Maximum an Überblick.
Claudia Elbing und Michael Schmid haben sechs Geräte
von Docter, Zeiss, Aimpoint, Tasco, Hakko und Bushnell in der Praxis getestet.

 

Von Claudia Elbing und Michael Schmid

Sauen fest“ … tönt es jubelnd aus dem Telefonhörer. Zwei Stunden später stehen wir auf einer Rückeschneise mit Blick in ein weiträumiges Buchenaltholz. Aus der vorgelagerten, tief verschneiten Fichtendickung schallt das „Hussassa“ der Treiber. Mit giftigem Laut mischen sich die Hunde ein, und in einer aufstaubenden Schneewolke verlässt der erste Überläufer die Dickung. Die Büchse fliegt an die Wange und der hell leuchtende Punkt des Reflexvisiers zeigt im Handumdrehen auf den „schwarzen Kugelblitz“. Den beiden geöffneten Augen entgeht weder das Ziel noch der in 20 Meter Entfernung folgende Terrier. Auch die plötzlich am Dickungsrand auftauchenden Treiber werden sofort registriert. Man genießt das volle „Panorama“ und erlebt die Situation quasi auf „Großleinwand“.

Drei Ebenen auf einer Linie

Kimme und Korn, Reflexvisier oder Zielfernrohr – wo liegen die Vor- und Nachteile der drei Zieloptionen beim Schuss auf schnelles Wild? Bei der offenen Visierung müssen drei Ebenen – Kimme, Korn und Wild – in eine Linie gebracht werden. Beim Scharfstellen dieses „Trios“ stößt das menschliche Auge, vor allem bei älteren Menschen, an seine Leistungsgrenzen. Eine sehr hohe Übungsschwelle ist die Folge. Klassische Zielfehler, wie zum Beispiel das „Verkanten“, quittieren auch moderne offene Visiere unnachsichtig mit Nachsuchen oder „Fahrkarten“. Überblick, Stabilität und natürlich die Unabhängigkeit von einer Energiequelle sind die Vorteile der „Offenen“.

Beim Reflexvisier sind lediglich der Rote Punkt und das Ziel in Übereinstimmung zu bringen, beides spielt sich ohne Vergrößerung in einer Ebene (Austrittslinse) ab. Mit Ausnahme der Gerätekonturen ist ein vollständiger Situationsüberblick gewährleistet, die Parallaxefreiheit „schluckt“ zudem so manchen Zielfehler. Beim Zielfernrohr ist ebenfalls nur eine Ebene zu bewältigen, das Gesichtsfeld wird jedoch durch den runden „Tunnelblick“ erheblich eingeschränkt. Wird mit Vergrößerung geschossen, sind Irritationen beim Schätzen von Entfernungen möglich. Die Vorteile des Zielfernrohrs nehmen erst mit abnehmender „Wildgeschwindigkeit“ zu. Die Möglichkeit der Vergrößerung wirkt sich sowohl auf das Ansprechen als auch auf die machbare Schussentfernung positiv aus.

Für unseren Praxistest haben wir aus dem großen Marktangebot sechs leichte und kompakte Geräte ausgewählt. Die Kandidaten Aimpoint CompC, Bushnell Holosight II, Docter sight II, Hakko BED 40 panorama IV, Tasco Pro Point Red Dot 1×30 und Zeiss Z-Point bilden eine Mischung aus Newcommern und bewährten Klassikern – quer durch alle Preissegmente.

Wie funktionieren Rotpunktzielgeräte?

Das technische Grundprinzip der Rotpunktzielgeräte ist denkbar einfach: Eine Lichtquelle sendet einen definierten Lichtstrahl auf eine optische Linse. Das Licht wird dort durch eine „spiegelnde“ Beschichtung teilweise reflektiert und als leuchtender Zielpunkt abgebildet. Die gängige Bezeichnung „Punkt“ ist etwas irreführend, das Auge nimmt eine mehr oder weniger sternförmige Zielmarke wahr. Da die Reflexion nur zu einem gewissen Prozentsatz erfolgt, ist ein scharfer Durchblick durch die Linse gewährleistet. Die Visiere arbeiten ohne Vergrößerung, lästiges Scharfstellen entfällt. Durch die fehlende Vergrößerung ist das Zielen mit beiden geöffneten Augen möglich, der Bildausschnitt des Gerätes lässt sich problemlos in das gesamte Sehfeld des Schützen einfügen.

Als Lichtquellen finden in den meisten Fällen Leuchtdioden Verwendung. Die einzige Ausnahme bei unseren Testgeräten macht das Bushnell Holosight II. Das hier eingesetzte holographische System arbeitet mit Lasertechnik.

Reflexvisiere lassen sich grundsätzlich in zwei Bauweisen unterscheiden: Beim geschlossenen System (Aimpoint, Zeiss, Tasco, Bushnell) ist die Lichtquelle im Gehäuse integriert und die Transmission zur Linse findet innerhalb des Gerätes statt. Rotpunktvisiere dieser Bauart sind sehr stabil. Bei offenen Systemen (Docter, Hakko) wird der Lichtpunkt frei und außerhalb des Gehäuses – ähnlich wie bei einem Diaprojektor – auf die „Panoramascheibe“ transferiert. Offene Systeme sind kompakt und leicht, bei Verschmutzung ist aber eine Störung der Lichtübertragung möglich.

Ausschlaggebend für die jagdliche Eignung ist die Größe des auf der Linse abgebildeten Leuchtzielpunktes. Hier wird ein Kompromiss aus möglichst geringer Wildabdeckung und einer schnell zu erfassenden, großen Zielmarke angestrebt. In der Praxis haben sich Geräte mit einer Punktgröße von 3,5- bis 5 MOA bewährt. Die Angabe in Winkelminuten (Minute of angle) ist heute üblich (WuH 10/2003, S. 48). Kommt die Sau auf 50 Meter, werden also je nach Gerät fünf bis sieben Zentimeter des Wildkörpers vom Leuchtpunkt verdeckt.

Gesicherte Treffpunktlage

Bei flinken Schüssen hat so mancher Jäger auch mit gewohnter Waffe Probleme beim korrekten Anschlag. In solchen Situationen fällt der Blick durch das Reflexvisier nicht zentrisch sondern schief aus. Damit beim Schuss nichts schief geht, bemühen sich die Optikhersteller um Parallaxefreiheit bei ihren Produkten. Unabhängig vom Blickwinkel des Schützen soll im Idealfall die Reflexion des Leuchtpunkts immer parallel zur optischen Achse des Geräts erfolgen. Die Folge: Egal ob man den Roten Punkt in der Mitte (bei korrekter Augenpupillen-Zentrierung) oder am Objektivrand (bei Schiefeinblick) wahrnimmt, die Treffpunktlage bleibt immer gleich. Zuständig für diese wichtige Eigenschaft ist die Formgebung der Linse, ihr Aufbau und ihre Beschichtung. Moderne Reflexvisiere garantieren Parallaxefreiheit im jagdlich relevanten Bereich von 40 bis 60 Metern. Wird auf größere Entfernung geschossen (100 bis 150 Meter), sind je nach Modell Abweichungen von null bis fünf Zentimeter möglich. Fehler dieser Größenordnung kann man bei einer Drückjagd getrost vernachlässigen.

Problemlose Montage

Die Montage von Reflexvisieren ist in der Regel einfach und problemlos. Für alle marktüblichen Geräte werden Klemmungen für Weaver- oder Picatinnyschienen (Quernut: Weaver = vier Millimeter, Picatinny = fünf Millimeter) angeboten. In Verbindung mit diesen Bauteilen lässt sich fast jeder Kundenwunsch waffentechnisch umsetzen. Am einfachsten natürlich bei Gewehren mit integrierter Schiene wie zum Beispiel der SHR 970 „Alpin“ oder bei der Steyr „Scout“. Bei vielen geschlossenen, röhrenförmigen Modellen (zum Beispiel Aimpoint 7000er Serie) bieten sich zudem die klassischen Zielfernrohrmontagen mit entsprechenden Ringen an.

„Je tiefer, desto besser“, heißt die Devise in Katalogen und Werbeprospekten beim Montieren. Hier ist Vorsicht geboten. Jagdwaffen-Schäftungen sind heute üblicherweise für den Schuss über das Zielfernrohr ausgelegt. Der Kolben „hebt“ durch seine Formgebung das Auge des Schützen auf die Visierlinie der Optik. Wird dann ein Leuchtpunktvisier deutlich tiefer montiert als das Zielfernrohr, ist beim Anschlag entweder das Holz oder der Backenknochen im Weg. Also, Schäftung und Augenhöhe im Anschlag prüfen und das Gerät auf die passende Höhe montieren lassen.

In der Gestaltung des Augenabstandes ist man bei Reflexvisieren weitgehend frei. Da „ohne optische Winkelzüge“ und Vergrößerung gearbeitet wird, sind hier lediglich durch die Montagemöglichkeiten Grenzen gesetzt. Beachten sollte man jedoch, dass mit zunehmendem Augenabstand das Sehfeld beim Durchblick durch das Visier kleiner wird. Aus unserer Sicht empfehlen sich Abstände von zehn bis maximal 35 Zentimetern. Die Mischung aus Gerätesehfeld und Gesamtschau entspricht dann jagdlichen Anforderungen, und die 50 Meter entfernte Sau passt auf jeden Fall vom Wurf bis zum Pürzel in das Sichtfenster. Das Einschießen erfolgt beim „Rotpunkt“ wie bei Zielfernrohren über Seiten- und Höhenverstellung. Türme mit Klick-Rasten oder ganz einfach Schrauben, die mittels Schraubendreher oder Inbusschlüssel justiert werden, sorgen für eine perfekte Einstellung.

Mit ein bisschen Übung…

„Zwei Augen offen“ heißt das Zielprinzip bei Reflexvisieren. Das hört sich einfach an. Der Schütze registriert mit beiden Augen Zielpunkt, Gerätesehfeld und die „Außenumgebung“. Was bei vielen ohne Überlegung und Training funktioniert, wird für manche zum Problem. „Linkes Auge zu“, mit diesem Hinweis des Ausbilders wurden Generationen von Jägern, Schützen und Soldaten getrimmt. Da fällt die Umstellung, vor allem für über Jahrzehnte geeichte „Zukneifer“, schwer.

Auch Menschen mit einem linksdominanten Auge haben beim Zielen mit Reflexvisieren Probleme. Hier ist das rechte Auge seiner Aufgabe ohne Übung nicht gewachsen. Will man trotz „Schwerpunkt links“ oder als notorischer „Zukneifer“ mit einem Leuchtvisier schießen, empfiehlt sich ein Training mit abgedeckter Austrittslinse (Schutzkappe oder Klebestreifen). Mit beiden geöffneten Augen nimmt der Schütze dann nur zwei Informationsbereiche, nämlich die „Außenumgebung“ und den „Roten Punkt“ vor einem schwarzen Hintergrund (das verdeckte Gerätesehfeld) war. Mit Hilfe dieser Übung kann eine stufenweise Gewöhnung an die geforderte Zieltechnik erfolgen.

Der Härtetest

Die speziellen Fähigkeiten unserer sechs Test-Reflexvisiere haben wir in „häuslichen Versuchsreihen“ und in einer umfangreichen Schießstand- und Reviererprobung ermittelt. Als „Basiswaffe“ diente eine bewährte „Schwarzwälder Pirsch- und Nachsuchenbüchse“ aus der Werkstatt von Schwaben Arms in Rottweil. Alle sechs Reflexvisiere wurden für die Befestigung auf einer kombinierten Weaver/Picatinnyschiene vorbereitet. Eine Recknagel-Schwenkmontage sorgte für präzise Verbindung zum Gewehr. Die Lösung ist sicher nicht für jedes Gerät optimal, der gewählte Kompromiss gewährleistet jedoch einen schnellen Wechsel und somit Vergleichbarkeit im Test. Die von RWS zur Verfügung gestellte TIG-Testmunition im Kaliber 8×57 IS ließ sowohl in Sachen Präzision als auch in der Wildwirkung keine Wünsche offen.

Vor der ersten Fahrt ins Revier durchliefen alle sechs Geräte unseren heimischen „Parcours“. Nach dem Funktionstest am Schreibtisch wanderten die Kandidaten für fünf Stunden in die Gefriertruhe. Bei minus 22 Grad Celsius gab es, trotz neuer Batterien, bereits nach 50 Minuten den ersten Ausfall. Das Bushnell zeigte sich dem „harten Winter“ nicht gewachsen. Die fünf anderen Visiere hielten ohne erkennbare Schwächen bis zum Schluss durch. Die Ursache für den Aussetzer ist leicht zu erklären. Das Bushnell Holosight ist mit kälteempfindlichen Alkalibatterien ausgestattet, die anderen Geräte mit weniger sensiblen Lithiumprodukten. Also, auf dem winterlichen Stand bitte vorgewärmte Ersatzbatterien bereithalten.

Eine Stunde Dauerduschen bei kräftigem, kaltem Brausestrahl stand als nächstes auf dem Programm. Die Visiere haben die „Kneippsche Anwendung“ ohne Ausfall weggesteckt. Auf dem Schießstand wurden die Geräte zuerst eingeschossen und danach bei „Dauerfeuer“ auf ihre Schussfestigkeit überprüft – auch hier gab es keine Probleme. Die Wechselpräzision der Klemmontagen wurde durch mehrfaches Auf- und Absetzen und dazwischen abgegebene Kontrollschüsse getestet. Ohne Ausnahme lagen die Abweichungen im Bereich von unter zehn Zentimetern auf 50 Meter Entfernung. Ein Top-Ergebnis, das jedoch eine sorgfältige Ausrichtung der Klemmelemente und einen möglichst gleichmäßigen Kraftaufwand beim Anziehen von Schrauben voraussetzt. Übrigens, ein mehr an Präzision darf man bei der Größe der Leuchtpunkte auch aus schießtechnischen Gründen nicht erwarten. Nach Abschluss der „Stubendressur“ wurden die Reflexvisiere vier Monate im Revier getestet. Drück- und Treibjagd, Pirsch und Nachsuche runden unsere Erfahrungen mit den Testkandidaten ab.

Leichtes Zielen und sicheres Schießen

Reflexvisiere sind immer dann in ihrem Element, wenn schnelles, leicht anzusprechendes Wild auf kurze Distanz erlegt werden soll. Alle sechs Testgeräte werden diesem Anspruch mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Stärken und Schwächen gerecht. Keine Frage, der rote Punkt und die gute Übersicht machen das Zielen leichter und das Schießen sicherer. Langsame Reaktion, Mucken und Verreißen gehen jedoch nach wie vor auf das Konto des Schützen und hier hilft auch mit Reflexvisier nur üben, üben, üben.

 

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