DIE DJV-BIBEL:
Nachdem die rot-grüne Koalition festgeschrieben hat, das Bundesjagdgesetz zu reformieren,
hat der Deutsche Jagdschutzverband damit begonnen, sich intensiv auf die bevorstehenden
Diskussionen und Reformvorschläge aus dem Verbraucherschutzministerium vorzubereiten.
Bislang hatten sich Ministerin Künast und DJV-Präsident Heeremann wenig zu sagen |
Jetzt liegt er auf dem Tisch, der Positionskatalog des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV). Eine Expertengruppe von sechs Autoren hat sich detailliert mit allen kursierenden und bereits veröffentlichten Positionen zahlreicher Natur- und Umweltschutzverbände zur angekündigten Reform des Bundesjagdgesetzes befasst. Im Vorfeld hatten sich das Bundesamt für Naturschutz (BfN), Bündnis 90/Die Grünen, der Naturschutzbund (Nabu), der World Wildlife Fund (WWF), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und der Ökologische Jagdverband (ÖJV) mit eigenen Forderungen zu einer Novellierung geäußert.
Wie vom DJV-Präsidium angekündigt, gibt es zwei Versionen des Argumentationspapiers, warum in Sachen Bundesjagdgesetz (BJG) alles beim Alten bleiben sollte. Die Kurzfassung zählt 18, die Langfassung immerhin 103 Seiten.
Fragen nach der Umsetzbarkeit und Praktikabilität
Einen roten Faden suche der Leser in den Forderungen der Naturschutzverbände vergebens, schreibt der DJV in einer Presseinformation. Dementsprechend sind verschiedene Themenkomplexe wie Rechtsdefinitionen, Jagdrecht, Fragen zur Jagdpraxis, Schonzeiten, Abschussplanung, die Vogeljagd, Jagd in Schutzgebieten oder Ausführungen über die Wildfolge lose aneinandergereiht, ohne eine bestimmte Ordnung aufzuweisen.
Die vom DJV schlüssig und präzise ausgearbeiteten Antworten auf die bekannten Forderungen dürften allerdings ihre Wirkung in einer öffentlichen Diskussion nicht verfehlen. Zumal der Jagdverband nicht nur sachliche Gründe aufführt, warum der eine oder andere Punkt Jägern gefällt oder nicht, sondern auch Fragen nach der Umsetzbarkeit und Praktikabilität der einzelnen Forderungen gestellt hat. Dabei wird klar, dass sich viele Vorstellungen, beispielsweise auch die des BfN zur Verkürzung der Liste der jagdbaren Tiere, für Naturschützer zunächst gut anhören, aber schon alleine bei der juristischen Umsetzung scheitern müssen. Zum Beispiel fragt der DJV, was mit Tierarten geschehen soll, die nach BfN-Willen aus Artenschutzgründen kurzfristig bejagt werden sollen, zuvor aber dem Jagdrecht entzogen wurden? Eine Tötung durch den Jäger käme nicht mehr in Frage. Er benötige dazu eine besondere behördliche Erlaubnis, heißt es in dem DJV-Papier. Einen befugten Dritten in ein Jagdrevier zu entsenden, bliebe auch nicht ohne Probleme. Darüber hinaus müsste diese Tätigkeit auch noch vom Staat bezahlt werden.
Der DJV vermeidet in seiner „Bibel“ den Eindruck, alle Vorschläge grundsätzlich abzulehnen. Der Jagdverband gibt sich konstruktiv. Es ist dabei auch zu erkennen, dass zu keinem Moment versäumt wird, auf die jetzt bereits föderalen Möglichkeiten des bestehenden Bundesjagdgesetzes hinzuweisen, um auch in diesem Punkt Reformeiferern den Wind aus den Segeln zu nehmen, die anführen könnten, die Länder hätten bei einem derart detaillierten Rahmengesetz zu wenig Spielräume.
Rückgrat einer Informationskampagne
Der Kanon an Argumenten soll für den Jäger vor Ort, für die Kreisgruppenvorsitzenden und die vielen Ehrenamtlichen die Munition sein, mit der sie in öffentlichen Diskussionen bestehen können, sagt die DJV-Pressechefin Anke Nuy. Auf den Jägern vor Ort, ruhen von Seiten der Verbandsspitze viele Hoffnungen. Sie sollen flächendeckend mit ihren Aktionen das Rückgrat einer Informationskampagne für den Erhalt des geliebten Gesetzes bilden.
Mit dem Katalog „Das Bundesjagdgesetz – Forderungen und Tatsachen“, so der offizielle Titel, ist die umfassendste Sammlung von DJV-Positionen aller Zeiten entstanden. Die „DJV-Bibel“ lässt mit Sicherheit für keinen DJV-Getreuen Fragen offen, um in den anstehenden Auseinandersetzungen mit Politikern, Behörden und Journalisten auf Landes- und Kreisebene zu bestehen.
Einigkeit besteht im DJV-Präsidium nach wie vor darüber, keinen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, sondern zunächst konkrete Schritte der Bundesregierung abzuwarten.
Warum sich der DJV auch nicht in visionäre Fragen der Zukunftsicherung der Jagd durch eine selbst verfasste Jagdreform versteigen will, erklärt er in seinem Vorwort zu dem Argumentationskatalog: „Das Deutsche Jagdsystem ist selbsttragend, leistungsstark, auf Nachhaltigkeit angelegt, sichert und verpflichtet die Mitwirkung der Eigentümer und beeinhaltet eine intensive Kooperation zwischen Jagd, Landwirtschaft, Wald- und Forstwirtschaft sowie Naturschutz. Die Zwangsmitgliedschaft in den Jagdgenossenschaften und das Reviersystem garantieren eine funktionierende Bejagung und einen effektiven Artenschutz“, heißt es. Damit sieht der DJV begründet, warum es keinen stichhaltigen Grund gäbe, das Jagdgesetz zu reformieren
„Baum gegen Bambi“
Nach wie vor zeichnet sich nicht ab, in welche Richtung eine mögliche Reform des BJG überhaupt zielt. Klärung bringt unter Umständen ein seit Langem erwartetes Gespräch, das die Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) nach der Grünen Woche in Berlin mit DJV-Präsident Constantin Freiherr Heereman führen will.
In der Verbandszentrale erwartet man, dass die grüne Ministerin sich erstmals konkret gegenüber der Jägerschaft äußert, was denn eigentlich jetzt reformiert werden soll. Außer Künasts parlamentarischem Staatsekretär, dem agilen Matthias Berninger, hat bislang noch niemand konkrete inhaltliche Vorstellungen innerhalb des Verbraucherschutzministeriums zum Thema Jagd formuliert.
Unkommentiert blieben bislang auch Äußerungen aus dem Bundesamt für Naturschutz, das zum Bundesumweltministerium von Künasts Parteifreund Jürgen Trittin gehört. Trittin wird nachsagt, er würde das Jagdreferat allzu gerne in seinem Zuständigkeitsbereich sehen.
Im Jagdreferat des Ministeriums geht man davon aus, dass zu dem Reformprojekt Bundesjagdgesetz in der ersten Hälfte 2003 noch einmal alle Verbände zur Stellungnahme aufgefordert werden. Workshops soll es nicht mehr geben. „Die Workshop-Phase sei abgeschlossen“, heißt es dazu aus dem BMVEL in Bonn.
Je heißer der Kampf ums BJG wird, desto deutlicher wird, dass sich die Mitglieder der Allianz aus Bündnis 90/Die Grünen und den Verbänden unter dem Dach des Deutschen Naturschutzringes (DNR) unter Umständen gar nicht so grün sind. Auf einen Spiegel-Artikel hin hagelt es in der Parteizentrale der Grünen Proteste. Das Nachrichtenmagazin aus Hamburg hatte berichtet, dass die deutschen Rehe den Wald auffressen würden und deshalb mehr „Bambis“ geschossen werden sollten. Jäger würden dies aus Trophäengründen nur unzureichend tun und bräuchten deshalb ein neues Jagdgesetz, heißt es in dem Spiegel-Artikel. Die Schlagzeile „Baum gegen Bambi“ und der folgende Artikel, der sich nachdrücklich auf Positionen des ÖJV stützte, hat vielen in der Bevölkerung nicht gefallen, sagte dazu ein Insider.
Der DJV hat mit seinem Positonskatalog auf jeden Fall eine unmissverständliche Standortdefinition vorgenommen.