Kraftpaket oder Papiertiger?
An der 7×64 scheiden sich die Geister. Für die Einen der perfekte Allrounder, für die Anderen eine „aufgeblasene” 7×57. Claudia Elbing und Michael Schmid beleuchten die Geschichte der 1917 entwickelten Patrone und schildern ihre Erfahrungen mit drei Werkslaborierungen.
Wie so viele Jagdpatronen verdankt auch die 7×64 ihre Entstehung militärischen Überlegungen. Deutschland verfügte seit 1898 über das moderne Infanteriegewehr Mauser
98. Die dazugehörige, mit technischen Problemen behaftete Patrone M/88 wurde 1905 ausgemustert und durch eine moderne, im Geschossdurchmesser um ein Zehntel Millimeter stärker dimensionierte Laborierung (später als 8×57 IS bezeichnet) ersetzt.
Kaum ein Jahr später zogen die Amerikaner nach und sorgten mit der 1906 eingeführten .30-06 Springfield (7,62×63) im Kaiserreich für Besorgnis. Die neue Ordonnanzpatrone der US-Armee hatte eine gestrecktere Flugbahn als die deutsche Militärmunition. Taktische
Überlegungen – man war wohl damals der Ansicht, dass sich die „Infanteriegefechte
der Zukunft“ auf sehr weite Entfernungen abspielen würden – förderten das Gefühl, schlecht gerüstet zu sein. Der Leipziger Gewehr- und Geschossfabrikant Wilhelm Brenneke, der schon seit der Jahrhundertwende mit verlängerten Standardhülsen experimentierte, nutzte die Chance und schlug 1912 der kaiserlichen Annahmestelle die von ihm entworfene
8×64 als Alternative vor. Aus logistischen Gründen (hohes Transportgewicht, große Munitionsvorräte in 8×57 IS) wurde Brennekes Vorschlag damals abgelehnt. Auch als Jagdpatrone konnte sich die 8×64 S nur begrenzt durchsetzen. Wilhelm Brenneke ließ sich davon nicht entmutigen, er tüftelte weiter und verband die Vorteile „seiner“ Patrone mit
der in Jägerkreisen beliebten 7×57 (Mauser). Die Hülse wurde auf 7 Millimeter eingezogen
und die Schulter geringfügig zurückgesetzt – fertig war die 7×64. 1917 wurde die Patrone der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Krieg ging verloren, politische Unruhen, Inflation und wirtschaftlicher Niedergang folgten – ein schlechter Zeitpunkt, sollte man meinen. Genau das Gegenteil war aber der Fall. Aufgrund massiver Einschränkungen des Versailler Vertrages – die Anzahl von Handfeuerwaffen und Munition im gängigen Militärkaliber wurde
auf ein Minimum reduziert – verschwand die populäre 8×57 fast völlig vom zivilen Markt. Alternativen standen hoch im Kurs. Die Lager vorhandener Waffen wurden auf die aus der Not geborene 8×60 aufgerieben, und für neue Repetierbüchsen stand ja die eben erst aus der Taufe gehobene 7×64 zur Verfügung. Das schlanke Energiebündel bewährte sich in Verbindung mit langen Läufen bestens. Vor allem die gestreckte Flugbahn und die, im Vergleich zur alten 7×57 um etwa zehn Prozent gesteigerte Leistung, beeindruckten die Jägerschaft. Auch durch ihre jagdliche Vielseitigkeit – vom Rehkitz bis zum Kronenhirsch – gewann die Patrone immer mehr Freunde. Zum Erfolg haben die „intelligenten“ Geschossentwicklungen von Wilhelm Brenneke wesentlich beigetragen. Das seit 1917 im Kaliber 7 Millimeter angebotene Torpedo-Ideal-Geschoss (kurz TIG, 10,5 und 11,5 g) lieferte deutlich verbesserte wundballistische Ergebnisse und förderte somit die jagdliche Eignung der 7×64. Schon bald hatte die „Neue“ ihren Spitznahmen weg.
„Wunderpatrone“ wurde sie von begeisterten Anhängern, aber auch von den immer häufiger werdenden Kritikern genannt. Zu viel Lob macht übermütig. Vor allem in Punkto Tauglichkeit auf sehr schweres Wild und Schussentfernung wurde die 7×64 häufig überschätzt. Die daraus resultierenden unvermeidlichen Misserfolge gingen zu Lasten der Munition. Vor allem ein Ruf als „zuverlässiger Nachsuchenlieferant“ haftet der 7×64 bis
heute an. Ungeachtet der Kritik stiegen die Verkaufszahlen, und bereits 1920 brachte
die Firma Brenneke eine ebenfalls mit dem TIG geladene Randversion, die 7×65 R auf
den Markt. Zwischen den Kriegen florierte das Geschäft. So war zum Beispiel im Jahr 1938
die 7×64 mit fast vierzig Laborierungen in Deutschland vertreten. Die Palette reichte vom
8 bis hin zum 11,5 Gramm schweren Geschoss. Ein kurzes, militärisches Intermezzo
hatte der „Zivilist“ zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Bei der Entwicklung eines
Scharfschützengewehres für die Wehrmacht galt die 7×64 als Kaliber-Favorit – es blieb bei der Planung. Bis zum Ende der siebziger Jahre konnte die 7×64 in Mitteleuropa ihre
Führungsrolle behaupten. Die Vielzahl der damals gefertigten, langläufigen Repetierbüchsen im „Brenneke-Kaliber“ spricht Bände. Danach begann im deutschsprachigen Raum der Stern zu sinken. Das im fast gleichen Leistungsspektrum angesiedelte Kaliber .30-06 Springfield gewann beim Verkauf von Neuwaffen immer mehr an Boden. Initiiert wurde der Trend durch vermehrte Jagdreisen in ferne Länder und die
zunehmenden Drückjagden auf Reh- und Schwarzwild. Höhere Geschossgewichte, die Verfügbarkeit von Munition im Ausland und eine breitere Auswahl an Laborierungen
waren dabei ausschlaggebend. Da in Frankreich ausschließlich Munition zivilen Ursprungs für die Jagd zugelassen ist, blieb die 7×64 dort die „Nummer eins“. Und heute? Trotz aller Unkenrufe hat die 7×64 in Deutschland nach wie vor einen festen Freundeskreis. Viele ältere Jäger führen seit Jahrzehnten „ihren“ Repetierer im bewährten Brenneke-Kaliber, und auch für den jagdlichen Nachwuchs ist die 7×64 interessant. Das Angebot an hochwertigen Gebrauchtwaffen ist groß, und die Gelegenheit für ein „historisches“ Schnäppchen, sei es eine Mauser 66, ein Mannlicher Schönauer GK oder eine Sauer 80 ist so günstig wie noch nie. Auch die Munitionshersteller bemühen sich um den fast 90-jährigen Oldie. Lapua und Brenneke bieten die 7×64 mit zukunftsweisenden Geschossentwicklungen an. Bei Lapua wird das bleifreie Deformationsgeschoss
„Naturalis“ verladen. Eine der Gründe für diese „umweltfreundliche“ Entwicklung ist das Verbot bleihaltiger Munition auf der Jagd ab 2007 in Schweden.
Das Lapua Vollgeschoss – nur ein Material, kein herkömmlicher Mantel/Kern-Aufbau– besteht zu 99 Prozent aus Kupfer. Das spezifische Gewicht des Projektils ist um etwa
25 Prozent geringer als bei bleihaltiger Munition. Die Folge: Bei gleichem Geschossgewicht
fällt die finnische Neuentwicklung in den Abmessungen größer und somit außenballistisch etwas ungünstiger aus. Im Kaliber 7×64 wiegt das Naturalis 10,4 Gramm. Die für die Deformation zuständige Hohlspitze ist mit einem grünen Kunststoffeinsatz versiegelt. Dieser Einsatz steuert den für das Aufpilzen nötigen Druckaufbau und schützt die empfindliche Geschoss-Spitze vor Beschädigungen. Vollgeschosse sind etwas härter als normale Mantelgeschosse. Um den zulässigen Gasdruck beim Einpressen in die Züge nicht zu überschreiten und die Läufe zu schonen, bedient sich Lapua eines Kunstgriffes: Der
Geschossdurchmesser wurde geringfügig verringert. Dies führt laut Hersteller jedoch zu keinen Präzisionseinbußen. Die wundballistische Wirkung des Naturalis beruht auf kontrollierter Verformung: Das Geschoss pilzt im Wildkörper symmetrisch bis zum doppelten Durchmesser auf. Splitter entstehen dabei in der Regel keine, und das Restgewicht beträgt annähernd 100 Prozent. Der Hersteller verspricht die „perfekte Deformation“ in einem Geschwindigkeitsbereich von 600 bis 950 Meter pro Sekunde.
Das neue Torpedo-Optimal-Geschoss (TOG) von Brenneke verknüpft moderne Verbundkern-Technik mit einem bewährten Starkmantel aus Tombak. Auch hier wird – ähnlich wie beim Naturalis – eine Vergrößerung des Geschossquerschnitts durch Deformation bei einem Minimum an Masseverlust angestrebt. Allerdings setzt Brenneke bei dem 9,7 Gramm schweren Projektil auf die klassische Mantel-Bleikern- Lösung. Beim TOG wird die Wundwirkung durch mehrere Faktoren gesteuert. Eine Hohlspitze sorgt für sofortiges Ansprechen und die schnelle Einleitung des Verformungsprozesses.
Die zur Spitze hin abnehmende Mantelstärke unterstützt diesen Vorgang. Gestoppt
wird das Aufpilzen durch einen Wulst in der Geschossmitte, der den Bleikern zusätzlich im Mantel fixiert (Expansionsstopp). Die chemisch-thermische Verbindung von Starkmantel
und Kern steht für den Erhalt eines hohen Restgewichtes (etwa 90 Prozent), sicheren Ausschuss und geringe Splitterbildung. Ein Scharfrand dient als „Schnitthaarlieferant“. Der im Bereich der Geschossführung dickwandige Mantel und das bewährte Torpedoheck wirken sich fördernd auf die Präzision des Projektils aus. Die 7×64-TOG-Laborierung besitzt
laut Hersteller eine weitere vorteilhafte Eigenschaft: Das verwendete Pulver verbrennt
effektiver (frühzeitiger Brennschluss) und erlaubt so die Verwendung kürzerer Läufe bei optimaler Energieausbeute. Beide Laborierungen wurden in einem einjährigen Praxistest mit dem bewährten „Dauerbrenner“ von RWS mit 11,5-g-Torpedo-Ideal-Geschoss (TIG) verglichen. Die Geschossentwicklung von Wilhelm Brenneke wird seit Jahrzehnten von Dynamit Nobel beziehungsweise RUAG unter dem Markennamen RWS hergestellt
und vertrieben. Die beiden Autoren und zwei, für die praktische Erprobung hinzugezogene Jagdfreunde blicken auf zum Teil jahrzehntelange Erfahrungen mit dem Klassiker zurück.
Durch die Entwicklung der TI- und TU-Geschosse hat Wilhelm Brenneke in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg neue Maßstäbe in der jagdlichen Munitionsentwicklung gesetzt. Basierend auf einem „Zweikammersystem“ geben die Projektile berechenbar Energie an den Wildkörper ab und sorgen durch ihr verhältnismäßig hohes Restgewicht (60 bis 85 Prozent) für sicheren Ausschuss. Die Konstruktion des 11,5-g-TIG Geschosses im Kaliber 7 Millimeter zeichnet sich durch eine trichterförmige Vertiefung im hinteren, härteren Teil des
Kerns aus, in dem zapfenartig die weiche, vordere Bleispitze sitzt. Die beiden Kernbestandteile werden von einem oben offenen, kräftig dimensionierten Mantel aus Flussstahl umgeben. Dieser Aufbau fördert die pilzartige Deformation, reduziert die Geschosszerlegung und ermöglicht eine dem Wildkörper optimal angepasste Energieabgabe. Auch hier wirkt sich die lange zylindrische Form und das geschlossene Torpedoheck positiv auf die Schusspräzision aus. Die 11,5-g-TIG-Laborierung ist die derzeit
schwerste und laut RWS-Werksschusstafel auch eine der stärksten Patronen im Kaliber
7×64. Im Testzeitraum wurden in Wald/Feld- Revieren in Oberschwaben und auf der
schwäbischen Alb (Anteil Einzeljagd etwa 70 Prozent, Gesellschaftsjagd etwa 30 Prozent)
54 Rehe, 19 Sauen, vier Füchse und ein Damschmaltier erlegt. Gejagt wurde mit folgenden Waffen: Mauser-Stutzen, System 98 (Lauflänge 52 cm), zwei Repetierbüchsen Mauser 66 (jeweils mit 60 Zentimeter langen Läufen). Jede der drei Laborierungen wurde aus mindestens zwei (immer LL 52 und 60 cm) der zur Verfügung stehenden Büchsen in der Praxis getestet. Der Abschuss verteilte sich relativ gleichmäßig auf die drei Munitionskandidaten. Die Schützen führten detaillierte Streckenlisten, in denen Datum, Jagdart, Waffe, Laborierung, Wildart, Entfernung, Treffersitz, Fluchtstrecke und eine Beschreibung der Wunde (Ein- und Ausschuss wurden grundsätzlich offengelegt) einzutragen waren.
Da die Datenmenge sehr umfangreich ist, haben wir auf eine vollständige Abbildung der Tabellen im Artikel verzichtet. Wir beschränken uns auf eine Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse. Um ein signifikantes, allgemeingültiges Urteil zu fällen, ist die Stichprobe, sowohl was die Anzahl der verwendeten Waffen als auch die Höhe der Strecke betrifft, zu klein. Die Daten lassen jedoch aus unserer Sicht einen Trend erkennen.
Unterstützt und abgerundet werden unsere Beurteilungen durch eine intensive Schießstanderprobung. Die drei Testlaborierungen wurden mit einer Mauser 66 und mit dem 98er-Stutzen auf Präzision und Leistung überprüft. Über Anschusstisch und Benchrest-Auflage ermittelten wir die Streukreise (5er-Gruppen auf 100 Meter). Jedes Schussbild wurde nach einer kurzen Waffenreinigung und Abkühlungsphase wiederholt. Zur Erfassung der v0 diente ein Kurzzeitmessgerät BMC 17 „NV“ der Firma Werner Mehl. Das Gerät ist in der Lage, zwei Meter vor der Mündung mittels Lichtschranken die Geschossgeschwindigkeit
zu messen. Ein geringfügiger Fehler in der Differenz von v0 zu v2 muss dabei in Kauf
genommen werden. Der Messvorgang wurde pro Laborierung dreimal wiederholt, die
nur in sehr geringem Umfang voneinander abweichenden Werte wurden gemittelt und so zur Berechnung der Schusstafeln übernommen. Anhand eines Excel-Programmes
von Johann-Otto Wiemer ließen sich die Günstigste Einschießentfernung (GEE), Geschwindigkeit und Energie berechnen. Die so ermittelten Werte haben wir den Angaben
der Hersteller gegenübergestellt. Klarer Fall, unsere „Versuchsbedingungen“ weichen von denen der Munitionsfirmen ab. Die Waffen haben naturgemäß keine Messläufe, und die Lauflänge liegt unter den für die 7×64 vorgesehenen 65 Zentimetern. Auch die Klimabedingungen entsprechen nicht der sonst üblichen, künstlichen „Labor-Atmosphäre“. Trotzdem halten wir die Aussagen für wichtig. Sie zeigen, was die 7×64 unter Normalbedingungen „drauf“ hat, und genau darauf kommt es in der Praxis an. Die Ergebnisse: Entgegen unseren anfänglichen Befürchtungen erwies sich die Lapua-Naturalis im Test als äußerst präzise Laborierung. Trotz geringfügig reduziertem Geschossdurchmesser wurden hervorragende Streukreise von unter 30 Millimetern geschossen. In Punkto Energie und Geschwindigkeit hängt die „Bleifreie“ zumindest
bei „praktischen“ Lauflängen von 60 und 52 Zentimetern den Angaben der Hersteller etwas hinterher. Mit einer v2 von 776 m/sec und einer daraus resultierenden E2 von 3 131 Joule aus dem kurzen 98er-Stutzen pendelt sich das Leistungsniveau tatsächlich bei einer „kräftigen“ 7×57 (verglichen mit Herstellerangaben) ein. Der vielseitigen jagdlichen Eignung der „Lapua“ tut dies aus unserer Sicht jedoch keinen Abbruch. Bei Rehwild besticht die Patrone durch sofortige Wirkung bei minimalem Wildbretverlust. Die meisten von uns erlegten Stücke lagen im Feuer. Die Hämatombildung war minimal und der Ausschuss
selten größer als zwei bis drei Zentimeter. Auch auf Schwarzwild ist die Wirkung
der Naturalis gut. Ausschuss war – auch bei stärkeren Sauen – immer vorhanden.
Einziger Nachteil: Der kleine Ausschuss wird durch Weißes sehr schnell verstopft
und die Schweißkontrolle auf der Wundfährte dadurch erschwert. Für klassische
Weitschussdisziplinen (Gebirgsjagd) und ausgesprochene Hochwildjagden empfiehlt
sich die Lapua-Naturalis nur bedingt. Hier ist man „mit Blei“ und etwas mehr „Dampf“ zumindest im Kaliber 7×64 besser bedient. Als Universalpatrone im Reh-Schwarzwildrevier ist die Naturalis eine gute Wahl. Und auch für Hundeführer ist das „Nordlicht“ mangels Splitterbildung und guter Stoppwirkung in diesem Kaliber bestens geeignet.
Spitzenreiter in Sachen Präzision war im Test die Brenneke-TOG. Streukreise von unter 25 Millimetern lassen sowohl bei Waffe als auch Munition keine Wünsche offen.
Auch Energie und Geschwindigkeit des Projektils sorgten für überraschte Gesichter.
Aus dem 52 Zentimeter langen Lauf des Stutzens lag die v2 nur zwei Prozent unter den Werksangaben, mit dem 60-Zentimeter-Lauf der Mauser 66 sogar geringfügig darüber. Selbst das Mündungsfeuer fiel – im Vergleich zu den beiden Konkurrenten – deutlich
schwächer aus. Die TOG eignet sich somit hervorragend für kurzläufige Büchsen – ein absolutes Novum im Kaliber 7×64. In der jagdlichen Praxis bestach die Patrone bei Schwarzwild durch zuverlässige Wirkung und kurze Fluchtstrecken, auch bei schlechteren Schüssen. Rehwild legte – auch nach guten Kammertreffern – gelegentlich noch bis zu 100 Meter zurück. Ausschuss hatten alle erlegten Stücke. Ein Durchmesser von fünf Zentimetern wurde selten und nur bei Knochentreffern überschritten. Schweiß ist etwas zuverlässiger zu finden als beim Naturalis, bei Schwarzwild aber immer noch „verstopfungsgefährdet“. Einziger Nachteil der Brenneke-Laborierung: Die hohe Geschwindigkeit fördert anscheinend die Hämatombildung auf der Einschussseite. Handtellergroß war bei Rehwild im Test die Regel. In Einzelfällen, vor allem bei Schüssen
auf kurze Distanz, fiel der Bluterguss sogar noch größer aus. Bei Schwarzwild hielt sich das Problem dank Feist und dicker Schwarte in Grenzen. Die TOG-Laborierung bewährte sich im Test als Allrounder mit dem Schwerpunkt Hochwildjagd. Viel Energie, eine gestreckte Flugbahn und das alles auch aus führigen, kurzen Büchsen. Der Preis für die Leistung: Etwas mehr Wildbretverlust und Arbeit beim Zerwirken von Rehwild.
Auch die TIG-Laborierung von RWS zeigte sich im Test von ihrer besten Seite:
Streukreise um die 30 Millimeter sind jagdlich über jeden Zweifel erhaben. Für Überraschung sorgten unsere v2 Messergebnisse. Die TIG fiel mit beiden Testwaffen im
Vergleich zu den Werksangaben deutlich ab. Sogar aus dem 60 Zentimeter langen Lauf der Mauser 66 betrug der Geschwindigkeitsverlust satte acht, bei der berechneten E2 sogar fast 15 Prozent. Das ist heftig und lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Will man die auf der Packung angegebenen Werte auch nur annähernd erreichen, sind Lauflängen von mindestens 65 Zentimetern Pflicht. Darüber muss man sich, vor allem bei Weitschüssen mit der TIG, im klaren sein. Für den jagdlichen Alltag auf „Normalentfernung“ ist
der gemessene „Energieschwund“ zweitrangig, hier zählt nur die Wirkung. Im Revier
stand die TIG auch aus kurzläufigen Büchsen, allerdings mit kräftigem Mündungsfeuer, „ihren Mann“. Sowohl Reh- als auch Schwarzwild lag bei Kammertreffern am Platz, oder es brach im Umkreis von unter 50 Metern zusammen. Ausschuss war auch hier in allen Fällen
vorhanden, die Energie reichte bei einem 35 Kilogramm Überläufer sogar noch aus, um die dahinter liegende Kirrung (Kaminstein) zu zertrümmern. Der Ausschuss maß bei Rehwild im Durchmesser um die fünf Zentimeter. Hier macht sich die – im Vergleich zu den Mitkonkurrenten – stärkere Splitterbildung bemerkbar. Die Wildbretentwertung war trotzdem gering, Hämatome wurden nur in minimalem Umfang beobachtet. Bei Schwarzwild sorgten die ebenfalls kräftigen Ausschüsse für viel Schweiß am Anschuss und gegebenenfalls auf der Fährte. Als massestarke Patrone empfiehlt sich die RWS-Laborierung vor allem für Drück und Treibjagden. Auch als Allrounder im
Reh-Schwarzwild-Revier ist die TIG in ihrem Element. Will man die Patrone leistungsmäßig
nach oben ausreizen, gilt folgende Formel: Schweres Wild plus weite Schüsse gleich langer Lauf (≥ 65 cm).
Über nichts lässt sich trefflicher diskutieren als über die Vor- und Nachteile einer Jagdpatrone. Geschenkt, es gibt viele gute Allrounder, und die 7×64 ist einer davon – sie hat es im Test, sowohl bei der Einzel- als auch bei der Gesellschaftsjagd auf Reh- und Schwarzwild bewiesen. Die Wildwirkung lag bei allen drei Versuchslaborierungen
deutlich über dem Durchschnitt, von einem „Mehr“ an Nachsuchen kann keine Rede sein. Positive Zeichen haben die beiden Neuen von Brenneke und Lapua gesetzt.
Das TOG in Sachen Leistung und Vielseitigkeit, das Naturalis in der Kombination aus Wildwirkung und „Umweltvorsorge“. Zusammen mit dem bewährten und immer noch sehr breiten Laborierungsangebot deckt die 7×64 das gesamte jagdliche Spektrum auf europäisches Schalenwild ab – mehr darf man von einer Universalpatrone nicht erwarten. In einem Punkt ist jedoch Vorsicht geboten: Nicht immer lässt sich das, was auf der Patronenschachtel steht, in der eigenen Waffe auch umsetzen. Kürzere Läufe reduzieren die Leistung, gerade bei der 7×64 zum Teil beachtlich. Das muss nicht unbedingt zu einer schlechteren Wildwirkung führen, zu einer Reduzierung der GEE führt es aber auf jeden Fall, und genau das gilt es zu beachten.