In der Zucht stoßen vor allem Jagdhunderassen mit geringer Individuenzahl an genetische und gesundheitliche Grenzen. Bei den Steirischen Rauhaarbracken wurden deshalb Bosnische Bracken zur Blutauffrischung eingekreuzt. Wie das Projekt zustande kam, zeigt Stefan Mayer.
Foto: rb-tierfotografie Ralph Benz |
Die Steirische Rauhaarbracke, nach ihrem „Erfinder“ auch Peintingerbracke genannt, wird oft als Parallelentwicklung zum Bayrischen Gebirgsschweißhund gesehen. Beide Rassen entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts durch Einkreuzen von rauhaarigen Istrianer Bracken beziehungsweise roten Bracken in importierte Schweißhunde der Sollinger und Hannoverschen Jägerhöfe. Der Unterschied der beiden Kreuzungen war jedoch immer schon die laute Jagd, das Brackieren. Peintinger wollte für die Jagd im Gebirge genau diese Eigenschaft voranbringen. So kreuzte er um 1880 seine Sollinger Schweißhündin „Hela I“ mit einem Istrianer-Bracken-Rüden.
Die Welpen aus diesem Wurf waren zum Teil rot und rauhaarig, wie der Istrianer-Rüde, aber auch glatthaarig, wie die Mutter. Alle zeigten hervorragende Nasenleistung. Im notwendigen Laut unterschieden sich die Hunde allerdings stark. Infolge züchtete Peintinger weiter, um die Anlage des lauten Jagens und des rauen Haarkleides zu manifestieren. Diesem Schwerpunkt bei der Zuchtwahl der Peintingerbracken hatte es auch Karl Peintinger zu verdanken, dass er seiner Bracken wegen zu den Hauptjagden des Adelshauses Meran am Hochschwab eingeladen wurde. Dort ging es darum, dass die Bracken, auf die gerechte Fährte geschnallt, das angejagte Stück über ganze Berge mit gutem Laut schneidig jagten und so dem Jagdherren und seinen Gästen vor die Büchse brachten.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die Hunde unter dem Namen „Rauhhaarige Steirische Hochgebirgsbracke“ vom Österreichischen Hundezuchtverein anerkannt.
Die Welpen des F1-Wurfes aus der Kreuzung zwischen Steirischer und Bosnischer Rauhaarbracke.Foto: Stefan Mayer |
Anfang des 20. Jahrhunderts hatte die Steirische Rauhaarbracke mittlerweile einen derart guten Ruf als Schweißhund, scharfer Saufinder und Rottensprenger, dass noch in den 1940ern Forstmeister Walter Frevert 15 Rauhaarbracken-Welpen für seine Saujagden in Rominten kaufte.
Äußerlich sind die Bosnischen (oben) von den Steirischen Rauhaarbracken (unten) nicht zu unterscheiden.Fotos: rb-tierfotografie Ralph Benz (o.) und Johannes Plenk (u). |
Diese Hunde gingen verständlicherweise in den Wirren des Zweiten Weltkrieges verloren, und auch in Österreich war viel gutes Zuchtmaterial nach dem Krieg zerstört. Zwar entstanden in der ehemaligen Tschechoslowakei und in Deutschland zusätzliche Zuchtpopulationen, aber insgesamt wurde die Steirische Rauhaarbracke selten.
Die Wurfzahlen blieben jahrzehntelang sehr klein. Mit dem Anwachsen der Schwarzwildbestände erinnerte man sich aber wieder der Stärken dieser Hunde, der Schärfe und dem sicheren Fährtenlaut. Aus diesem Grund wächst die Population dieser Rasse seit den 1980er Jahren wieder stetig. Laut Statistik des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) fielen 1998 nur vier und 2011 immerhin 43 Steirer Welpen in Deutschland.
Schon in den 1980er Jahren wurde versucht, frisches Zuchtmaterial in die geschrumpfte Population einzubringen. Drei Istrianer Bracken wurden eingekreuzt. Aber leider wurde bei der weiteren Zuchtwahl dem Formwert und vor allem dem Ausmerzen der weißen Farbe zu große Bedeutung beigemessen. Diese Auszucht verbesserte zwar kurzfristig wieder die Leistung und die Gesundheit, erreichte aber keine nachhaltige Verbreiterung der genetischen Basis.
Auch auf der Wundfährte zeigen die Steirischen Rauhaarbracken häufig große Leistung.Foto: rb-tierfotografie Ralph Benz |
Daher wurde vor etwa fünf Jahren im Österreichischen Brackenverein beschlossen, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Brackenverein, wieder eine Auszucht vorzunehmen. Nach eingehender genetischer Beratung durch die Universität für Bodenkultur in Wien fiel die Wahl auf die Bosnische Rauhaarbracke (Bosanski ostrodlaki Gonic-Barak). Schließlich hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg der bekannte Kynologe und Brackierjäger Freiherr von Laska die Aufsplittung der Lokalschläge und Farbvarianten der Bracken und insbesondere der Rauhaarbracken Altösterreichs in getrennte „National-Rassen“ als unsinnig und schädlich kritisiert. Er bezeichnete die weißen rauhaarigen Istrianer gleich wie die hirschroten Peintinger sogar als „veredelte“ Farbschläge der urwüchsigen bosnischen Rauhaarbracke!
Bisher ist die Steirische Rauhaarbracke – trotz geringen Populationsumfangs – äußerst robust und gesund. Hüftdysplasie (HD) tritt zwar in schwacher Ausprägung gelegentlich auf, wird für die Zuchtauswahl aber stets streng überwacht und selektiert. 2009 und 2011 traten in Deutschland erste Epilepsiefälle auf, welche auf eine sofort für die Zucht gesperrte Linie zurückzuführen waren.
Nach etlichen Versuchen lief die Auffrischungszucht mit Bosnischen Rauhaarbracken im Jahr 2011 endlich an. Mittlerweile haben die ersten F1-Würfe die Leistungsprüfungen erfolgreich absolviert, und die ersten F2-Welpen werden 2013 das Licht der Welt erblicken.
Wertvoller als Prüfungsweltmeister – Dr. Johannes Plenk im Interview
Stefan Mayer sprach mit dem Zuchtwart des Österreichischen Brackenvereins über das Auszuchtpojekt bei den Steirischen Rauhaarbracken.
Dr. Johannes Plenk (42), Mediziner und Zuchtwart im Österreichischen BrackenvereinBild: Johannes Plenk |
WuH: Wie würden Sie Ihre Aufgabe als Zuchtwart beschreiben?
Dr. Johannes Plenk: Als meine Pflicht sehe ich, die Steirische Rauhaarbracke gesund und robust als echte Gebirgsbracke zu erhalten: spurlaute und wildscharfe Langjäger! Da ich neben Medizin auch einige Jahre Genetik studiert habe, will ich die Zucht auf eine populationsgenetisch nachvollziehbare und zukunftstaugliche Methode umstellen. Unser Ziel ist es, möglichst viele potenzielle Zuchthunde bei der aktiven Jagd zu sehen.
WuH: Wieso war eine Auszucht notwendig?
Dr. Johannes Plenk: Die Zuchtbasis einer über lange Zeit recht seltenen Jagdhunderasse kann nicht allzu breit sein. Populationsgenetiker sprechen bei unter 1 000 Zuchttieren von einer kleinen und daher hoch gefährdeten Population. Es gibtwohl kaum eine Jagdhunderasse, die sich hier guten Gewissens herausnehmen kann. Je mehr ich mich mit der Hundezucht beschäftigte, umso klarer wurde mir, dass trotz oder gerade wegen der scharfen Leistungszucht, bei einem so kleinen Bestand wie der Steirischen Rauhaarbracke fremdes Zuchtmaterial notwendig ist. Ansonsten sind massive Einbußen an Gesundheit und Leistung zu erwarten. Gleichzeitig wird die Selektion auf jagdliche Leistung immer schwieriger. Wo nicht viel ist, kann man auch nicht viel auswählen.
WuH: Wie kommen Sie an geeignete Zuchthunde der Bosnischen Rauhaarbracke heran?
Dr. Johannes Plenk: Wie schwierig es ist, einen vertrauenswürdigen und kompetenten Züchter in Bosnien zu finden, war mir anfangs nicht klar. Seit dem fürchterlichen Bürgerkrieg in den 1990er Jahren züchten viele Jäger ohne Eintrag ins Stammbuch. Erfolg stellte sich erst ein, als ich 2007 einen Rüden aus meinem Wurf an einen bosnischen Jäger verschenkte. Ich machte ihm zur Bedingung, mich bei der Suche nach geeigneten Baraks, wie die Bracken dort genannt werden, zu unterstützen.
Steirische Rauhaarbracke nach erfolgreicher Brackade auf Schneehase: Fährtenlaut und Ausdauer zeichnen die Vierläufer aus.Bild: Johannes Plenk |
WuH: Nach welchen Kriterien werden die Bosnischen Bracken zur Zucht selektiert?
Dr. Johannes Plenk: Jagdlich geführte Bracken werden dort als jämmerlich und wertlos angesehen, wenn sie nicht mindestens 45 Minuten am Hasen jagen. Feige Hunde, Kurzjäger oder solche mit mangelhaftem Finderwillen werden nicht durchgefüttert. Aufgrund dieser erbarmungs losen Auslese sind die meisten Baraks sehr passionierte Hunde mit extremem Spurwillen. Aber auch gute Hunde werden nicht verhätschelt. Entsprechend robust sind die meistenJagdhunde auf dem Balkan geblieben.
WuH: Fahren nun Züchter nach Bosnien, oder haben Sie Zuchthunde erworben?
Dr. Johannes Plenk: Zunächst hatten wir einen zehnjährigen, hirschroten Rüden ausgemacht. Bei karger Kost und primitiver Haltung jagte dieser noch mehrere Stunden an Hasen und zeigte kompromisslose Schärfe an Schwarzwild. Ein Gesundheitstest österreichischer Prägung konnten wir zwar vor Ort nicht machen. Aber die Leistungsfähigkeit eines Hundes in diesem Alter erschien mir als Garant für beste Gesundheit. Mit meiner heißen Hündin fuhr ich nach Bosnien zu diesem Rüden. Leider blieb die Hündin leer, und der Rüde überlebte die nächste Jagdsaison nicht. Der nächste Versuch mit einem bosnischen Rüden scheiterte, weil der Hund kurz zuvor schwer geschlagen wurde. Nach diesen Rückschlägen verstärkten wir die Anstrengung und holten zwei semmelgelbe Welpen – Rüde und Hündin – aus Serbien.
WuH: Und dann konnte mit der Auszucht begonnen werden?
Dr. Johannes Plenk: Leider nein, dieHündin erlag noch im ersten Jahr einem Verkehrsunfall im Jagdbetrieb. Der Rüde zeigte nicht die erwünschte Schärfe und wurde deshalb nicht für die Zucht verwendet.
WuH: Wie ging es dann weiter?
Dr. Johannes Plenk: Wir haben selbstverständlich weitergesucht. Inzwischen haben wir fünf reinrassige Baraks beiderlei Geschlechts importiert, die unseren Vorstellungen entsprechen.
WuH: Prüfen Sie die Hunde für die Auszucht auch im Jagdbetrieb?
Dr. Johannes Plenk: Selbstverständlich. Die „normalen“ Prüfungen bringen aber nur die ersten Eindrücke über den Hund. Erst wenn er auch die Leistung im Echtbetrieb gezeigt hat, sind wir sicher, dass er für das Vorhaben geeignet ist. Mittlerweile sind auch schon vier F1-Würfe gewölft worden!
WuH: Warum selektieren Sie so scharf bei der Auswahl der Zuchthunde?
Dr. Johannes Plenk: Zur Zucht werden nur Hunde verwendet, die unsere Erwartungen an die jagdliche Leistung erfüllen. Fährtenwille, Wildschärfe und Passion verbunden mit anhaltendem Fährtenlaut sind die Kriterien. Wir benötigen sowohl für die Brackade, die Schwarzwildjagd, aber auch auf der Nachsuche einen laut jagenden Hund mit eisernem Spurwillen und unerbittlicher Jagdpassion. Hunde, die über Jahre Großes im Jagdeinsatz leisten, sind für die Zucht wertvoller als Prüfungsweltmeister!
WuH: Wie sehen die Zuchtziele in den nächsten Jahren aus?
Dr. Johannes Plenk: Wir möchten die Steirische Rauhaarbracke auf eine derart breite genetische Basis stellen, dass sie aus eigener Kraft und gleichzeitig scharfer Selektion auf jagdliche Leistung und Gesundheit weiterbestehen kann. Daher werden wir mindestens sieben neue Linien begründen und gleichzeitig die reinrassige Population steigern. Deshalb bin ich auch immer wieder im Ausland unterwegs, um gute Zuchthunde sowohl bei den Peintingerbracken als auch bei den Baraks ausfindig zu machen. Genauso wichtig, wie die guten Hunde, sind passionierte Führer. Diese müssen es dem Hund erlauben, sein Potenzial auch zu zeigen. Hunde, die nur auf dem Sofa sitzen, können ihr Leistungsvermögen nie zeigen. Daher suchen wir neben guten Hunden auch engagierte Jäger, die diese leistungsstarken Jagdbegleiter führen. Mein angestrebtes Ziel ist sozusagen eine Rückkehr zum Ursprung der Steirischen Rauhaarbracke. Die Auffrischungszucht und die schärfere Selektion sollen diese leistungsstarke Rasse für die Zukunft fit machen.