Das Coronavirus hinterlässt tiefe Spuren im täglichen Leben, so auch auf der Jagd. Peter Schmitt trägt zusammen, was der Waidmann aktuell darf, und wagt den Ausblick auf eine mögliche jagdliche Zukunft.
Das Coronavirus (SARS-CoV-2, COVID-19) und die damit einhergehende Pandemie, hat das Leben in nahezu allen Bereichen unseres Lebens verändert. Um eine zu schnelle Durchseuchung zu vermeiden, und damit eine möglichst umfassende Krankenversorgung für Corona-Infizierte, aber auch anderweitig Erkrankte oder Verletzte, zu gewährleisten, wurden von der Bundesregierung Leitlinien erlassen (siehe grauer Kasten). Diese verpflichtenden „Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte“ sind ein Teil der Anstrengungen, die täglichen Neuinfektionen zu verlangsamen und gelten seit dem 23. März. Zusätzliche oder darüber hinausgehend tiefer eingreifende Schritte wie Ausgangssperren sind zudem noch möglich.
Aber auch für viele Jägerinnen und Jäger stellt sich die Frage, wie es nun weitergehen soll. Denn während sich manche Bundesländer bei expliziten Regelungen für die Jagd zurückhalten, tauchen woanders Behauptungen, (Falsch-)Meldungen und Gegenteilsbehauptungen auf. Andere Bundesländer, etwa Bayern, haben klare Regeln aufgestellt. Festzuhalten bleibt Stand 30 März: Die Jagd ist nach wie vor erlaubt, aber es gelten auch hier die allgemeingültigen Vorgaben!
Das heißt im Klartext: Die Einzeljagd bzw. die Jagd mit anderen Jägern desselben Hausstandes ist weiterhin möglich, wenn der notwendige Abstand gegenüber Dritten eingehalten wird. Und auch die Jagd mit einem Kollegen oder Helfer ist theoretisch möglich, wenn die allgemeingültigen Regeln, wie z. B. Der Mindestabstand eingehalten werden. Weitere Einschränkungen gibt es in Bayern, wo explizit nur die Jagd mit Mitgliedern desselben Hausstandes ausgeübt werden darf. Zudem wird im Freistaat Wert auf das Einhalten der Unfallverhütungsvorschriften gelegt. Da heißt es z. B.: „Bei einer mit besonderen Gefahren verbundenen Jagdausübung ist ein Begleiter zur Hilfeleistung mitzunehmen. Besondere Gefahren können sich ergeben durch Witterungs-, Gelände- und Bodenverhältnisse, vor allem im Hochgebirge, auf Gewässern und in Mooren oder bei der Nachsuche auf wehrhaftes Wild.“ Das bedeutet in Kombination mit den geltenden Vorgaben in Bayern: In den oben beschriebenen Fällen kann die Jagd nur ausgeübt werden, falls der notwendige Begleiter aus demselben Hausstand kommt wie der zu Begleitende.
Blieben die bindlichen Leitlinien der Bundesregierung bis in den Herbst, bedeutete dies das Ende der diesjährigen Drückjagden und somit ziemlich sicher einen starken Streckeneinbruch vor allem beim Schwarzwild.
Foto: Jens Krüger
Indes heben mehrere Bundesländer die Bedeutung der Jagd, besonders in Zeiten der drohenden Afrikanischen Schweinepest (ASP), hervor. So war auch ein angedachtes Jagdverbot in Brandenburg, das Bundesland, von dem die ASP nur noch wenige Kilometer entfernt ist und dem in Sachen Schweine-Seuchen-Bekämpfung wohl eine der wichtigsten Rollen in Deutschland zukommen wird, schnell wieder vom Tisch. U. a. Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern betonten die Notwendigkeit der Jagd auch in Zeiten von COVID-19. Auch im Freistaat Sachsen, der momentan als einziges Bundesland per Allgemeinverfügung eine Ausgangssperre verhängt hat, gilt die Jagd als „triftiger Grund“, der es erlaubt, trotz Verbot das Haus zu verlassen, so das sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz und Landwirtschaft. Allein oder begleitet von Personen des eigenen Hausstandes dürfe die Jagd weiter ausgeübt werden. In diesem Zusammenhang erforderlichen Aktivitäten, wie Beproben von Schwarz-, Fall- und Unfallwild, seien ebenfalls zugelassen.
Hier knüpft Bayern an: So seien Aktivitäten, wie Nachsuche, Wildbergung, Wildversorgung, Trichinenproben-Abwicklung, Radiocäsium-Untersuchung und Abgabe von Wildbret, legitim – aber auch in diesen Fällen ausschließlich allein oder mithilfe eines Angehörigen des eigenen Hausstandes. Bei Kontakt mit einer weiteren Person (bspw. Trichinenproben-Abwicklung oder Wildbretabgabe) ist der Mindestabstand zu Dritten zu wahren. Dasselbe gilt für Revierarbeiten, wie Hochsitzbau, Anlegen von Pirschwegen und Maßnahmen der Biotopverbesserung. Im selben Zug wird aber betont, das etwa der Kauf oder das Abholen einer Reviereinrichtung keinen triftigen Grund darstelle, die eigene Wohnung zu verlassen.
Notwendige Revierarbeiten sind weiterhin erlaubt, insofern sie allein oder mit Personen desselben Hausstandes getätigt werden.
Foto: Jens Krüger
Um die momentane Situation zusammenzufassen: Die Einzeljagd ist nach wie vor, auch bei Ausgangssperre wie in Sachsen, möglich. Darunter fallen auch Revierarbeiten, die allein oder mit Angehörigen desselben Hausstandes getätigt werden können. Der Kontakt zu Dritten ist nur mit entsprechendem Sicherheitsabstand, und nur begründet gestattet (etwa Wildbretverkauf, Anlieferung zum Metzger, Trichinenkontrollen). Sich mit einem Mitjäger, der nicht aus demselben Hausstand kommt, persönlich zur gemeinsamen Jagd zu treffen, ist nicht zulässig. Es spricht aber nichts dagegen, wenn sich beide Jäger bspw. telefonisch verständigen und jeweils einzeln sowie räumlich getrennt unabhängig voneinander in demselben Revier zum Ansitz gehen.
Tätigkeiten wie Wildbretvermarktung sind dem Jäger weiterhin gestattet, aber nicht so! Der empfohlene Mindestabstand zu Dritten muss immer eingehalten werden!
Foto: Peter Diekmann
Wie es zukünftig weitergeht – zivil sowie jagdlich – steht in den Sternen. Die Ansichten von Virologen zur Dauer der Corona-Gefahr gehen auseinander. Oder man will und kann sich nicht festlegen. Auch das Robert Koch Institut wagt keine langfristigen Prognosen und ändert Einschätzungen kurzfristig. „Die besondere Herausforderung besteht darin, dass in einer frühen Phase einer Epidemie die erforderlichen Informationen größtenteils nicht oder noch nicht verlässlich vorhanden sind“, schreibt das Institut u. a. als Begründung. Und auch wenn die Corona-Ausbreitung durch die umfassenden Maßnahmen tatsächlich reguliert werden kann, ist es wahrscheinlich, dass die strikten Einschränkungen bestehen bleiben. So warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eindringlich davor, die Maßnahmen zur Eindämmung von Corona zu früh aufzuheben.
Doch was würde das für die Jagd bedeuten? Im schlimmsten Fall das langzeitige Verbot von Gesellschaftsjagden, also Mais-, Ernte- und Drückjagden! Was in einzelnen, vor allem kleinen Waldrevieren überhaupt nicht der Rede wert ist, kann in Revieren mit großem Wiesen- und Feldanteil aufgrund der Wildschäden zum Desaster werden. Ebenso in Waldrevieren, die mit eigentlich vorbildlichen Jagdsystemen bestehend aus Intervalljagd mit Sammelansitzen und revierübergreifenden Drückjagden störungsarm große Schalenwildstrecken machen.
Was vor allem fehlende Ernte-, und Bewegungsjagd-Strecken besonders bezüglich der Seuchenbekämpfung in Sachen ASP für Folgen haben dürften, ist absehbar. Denn eine Bestandsreduktion des Schwarzwildes scheint ohne diese Hebel flächendeckend unmöglich.
Und sollten bei der Einzeljagd innerhalb kürzerer Zeit tatsächlich größere Strecken anfallen, muss zudem darüber nachgedacht werden, wie diese „verschafft“ werden sollen. Entweder packt der Hausstand mit an oder man steht allein mit einer Menge Wild im Zerwirkraum der Kühlkammer. Eine weitere Möglichkeit bietet nur die räumliche Trennung beim Zerwirken und Portionieren. D. h. Jäger A versorgt die Strecke an einem anderen Ort als Jagdkollege B – eine Voraussetzung, die unter hohen hygienischen Verhältnissen wohl nur selten umgesetzt werden kann. Auch im Wildhandel kommt es durch Corona zu teilweise ungeahnten Problemen. So berichtet die Josef Maier GmbH & Co. KG – Deutschlands marktführender Wildhändler und Produzent von Wildfleisch-Produkten – von großen Problemen bei der Verarbeitung durch fehlende Arbeiter aus dem Ausland (siehe Interview). Diese erreichten aufgrund geschlossener Grenzen und Reiseverbote nicht ihren Arbeitsplatz. Ein Problem, das es durch den Ausfall der Erntehelfer bei Spargel und Erdbeere landesweit in die Medien geschafft hat, hält also auch beim Wildhandel Einzug. Ein Umstand, der den Wildverkauf zukünftig nicht einfacher machen dürfte.
Foto: Allein oder mit anderen Jägern aus demselben Hausstand wären Erntejagden weiterhin möglich, sonst bleibt nur das Nachsehen.
Foto: Burkhard Winsmann-Steins
Auch wenn es ein Blick in die Kristallkugel ist, wäre die naheliegendste Lösung, zumindest in Sachen Schwarzwildjagd sowie der damit verbundenen Wildschaden- und Seucheneindämmung, eine zügige, flächendeckende Legalisierung von Nachtzielgeräten und/oder Vorsatzgeräten sowie der Einsatz von Lampen, um das vielerorts nachtaktive Wild auch in ausreichender Zahl bei der Einzeljagd zur Strecke zu bringen. Würde es so weit kommen, stellte sich natürlich die Frage, ob sich dieses Rad nach überstandenen Problemen wieder zurückdrehen lassen würde. Wahrscheinlich nicht. Zudem würden aus entsprechenden Kreisen ziemlich sicher Rufe nach ähnlichen Lösungen auch für wiederkäuendes Schalenwild laut, das aber bekanntlich (noch) flächendeckend Jagdruhe in der Nacht genießt – und das wildbiologisch belegt absolut zu Recht.
Eine diesbezüglich ebenfalls in Betracht kommende Vorgehensweise wäre eine maximale Ausdehnung der jeweiligen Jagdzeiten – in den meisten entsprechend regierten Bundesländern wohl nur zu (Un-)gunsten des Schalenwildes. Dies könnte gewährleisten, die Vorgaben trotz des höheren Zeitbedarfs durch die vorgeschriebene Einzeljagd erfüllen zu können. Dieser Ansatz ginge aber ebenfalls eindeutig auf Kosten des Wildes.
So bleibt die Hoffnung, dass der Spuk ähnlich schnell vorbeigeht, wie er gekommen ist. Auch wenn wir Jäger (noch) eine großzügige Ausnahme zum Großteil der Bevölkerung bilden und uns zur Ausübung unserer Pflicht und Passion deutlich freier bewegen dürfen, liegt es auch an uns, einen Beitrag zur Besserung der Lage zu leisten, indem wir unbedingt unnötige Kontakte zu anderen Personen vermeiden und uns ebenfalls an die Leitlinien halten. Denn auch wenn wir uns in den Weiten von Feld und Forst sicher fühlen, müssen wir es nicht zwangsläufig sein.
Müssen die notwendigen Restriktionen bestehen bleiben, muss von einem rapiden Anstieg der Wildschäden in der Landwirtschaft ausgegangen werden.
Foto: Marco Schuette
Leitlinien der Bundesregierung für Privatpersonen
Regel 1: Kein Kontakt zu anderen Menschen. Ausnahme: Kontakt mit Menschen desselben Hausstandes.
Regel 2: Abstand zu anderen Menschen halten: Mindestens 1,5 m, empfohlen werden 2 m. Ausnahme: Kontakt mit Menschen desselben Hausstandes.
Regel 3: Beim Verlassen der Wohnung dürfen Sie sich nur mit einer anderen Person treffen, vorausgesetzt, Regel 2 wird eingehalten.
Regel 4: Die Wohnung darf nur verlassen werden, wenn dies nötig ist (Arbeit, Einkauf, Arztbesuch, wichtige Termine wie Prüfungen, Erholung/Sport an der frischen Luft oder auch im Rahmen der Jagdausübung), vorausgesetzt Regeln 2 und 3 werden eingehalten.
Regel 5: Feiern in einer Gruppe – egal an welchem Ort – sind verboten.
Wildbretvermarktung in Corona-Zeiten
Interview mit Thomas Maier, geschäftsführender Gesellschafter der Josef Maier GmbH, Europas größtem Wildbret-Veredlungsunternehmen mit Sitz in Bad Wörishofen
Foto: Josef Maier GmbH
WuH: Herr Maier, demnächst geht die Rehjagd auf. Welche Herausforderungen kommen Ihrer Meinung nach auf die Jäger in Zeiten von Corona zu?
Thomas Maier: Bei einer Jahresjagdstrecke von rund 1,1 Mio. Stück Rehwild werden geschätzt rund 300.000 Stück Rehwild von den Jägern kommerziell vermarktet, also bspw. an Wildhändler verkauft. Den größeren Teil, geschätzte 70 bis 75 %, also rund 800.000 Stück, nutzen die Jäger privat oder vermarkten sie direkt. Ich schätze, dass circa 600.000 Stück an die Gastronomie oder die Hotellerie geliefert werden und ungefähr 50.000 an Metzgereien gehen. Weil die Restaurants und Hotels aufgrund der Pandemie geschlossen sind, werden Jäger ihr Wild dort nicht mehr los. Ich glaube, dass das den meisten Jägern heute noch gar nicht bewusst ist.
WuH: Das heißt, die Jäger bleiben voraussichtlich auf über der Hälfte ihrer Beute sitzen?
Thomas Maier: Richtig. Außerdem glaube ich, dass nach der Krise ein Teil der Gastronomiebetriebe seine Pforten nicht mehr öffnen wird und es damit zumindest für die Direktvermarktung eine über die Pandemiezeit hinausgehende Wildbret-Absatzkrise geben wird.
WuH: Dann könnten doch Wildbret verarbeitende Betriebe wie Ihrer das Wild aufkaufen.
Thomas Maier: Diese Mengen können auch wir nicht verarbeiten. Wir haben schon mit der in normalen Zeiten an uns gelieferten Menge gut zu tun. Hinzu kommt das Problem, dass uns zusätzliche Kräfte zum Zerwirken aus dem EU-Ausland fehlen, weil die ja momentan nicht einreisen dürfen. Wir können die Verarbeitung also nicht einfach so ohne Weiteres steigern.
WuH: Was denken Sie, wie sich eine solche Wildbret-Absatzkrise verhindern ließe?
Thomas Maier: Wir sollten rigoros den Beginn der Jagdzeit zurückverlegen, und zwar möglichst weit. Ich plädiere für den 1. August. Ansonsten kann es meiner Meinung nach dazu kommen, dass die Jäger erlegtes Wild nicht mehr verkaufen können und es im schlimmsten Fall in die Tierkörperverwertung wandert.
Die Fragen stellte Markus Deutsch.