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DIE BUNDESTAGSWAHL 2017

Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat seine Wahlprüfsteine verschickt, und die Parteien haben sich dazu geäußert. Doch was wird sich nach dem 24. September jagdpolitisch auf Bundesebene bewegen? Ein Ausblick von Ursula-Anne Ochel und Heiko Hornung.

So sehr der Jägersmann auch die Wahlprogramme der Bundestagswahl studiert. Die Jagd ist erwartungsgemäß nicht das Hauptthema. Keine der Parteien, die voraussichtlich nach dem 24. September in den Bundestag einziehen werden, hat sich explizit gegen die Jagd ausgesprochen.

Im Groben wirken sich Grundsatzpositionen in puncto Jagd- und Naturschutzrecht, wie die Fallenjagd, der Katalog der jagdbaren Tierarten etc., eher auf Länderebene aus. Denn mit der Föderalismusreform 2006 hat der Bund als abweichungsfeste Kompetenz nur noch die Regeln für einen bundesdeutschen Jagdschein im Bundesjagdgesetz (BJG) festzulegen. Doch schon hier sieht die jagdpolitische Bilanz der amtierenden Bundesregierung mager aus.

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Dem durchsetzungsschwachen Land­wirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) gelang es nicht einmal, die mühsam ausgehandelte Vereinheitlichung der Jägerprüfung zu erreichen. Unter anderem sollte Fleischhygiene Sperrfach, einheitliche Kriterien für die Verwendung von Jagdmunition definiert und ein bundeseinheitlicher Schießnachweis festgehalten werden. In der Ressortabstimmung brachte das SPD-geführte Bundesumweltministerium noch einen Passus über die Jagd in Schutzgebieten in den BJG-Reform-Entwurf ein, was die Landbesitzer und Bauern nicht akzeptierten. Demnach sollte die Jagd in Schutzgebieten nur erlaubt sein, wenn sie dem Schutzzweck nicht zuwiderlaufe. Problemlos hätten die Länder das in ihren Landesjagd­gesetzen wieder ändern können.

Aber die Grundbesitzer fürchteten ein Einfallstor des Naturschutzes ins Jagdrecht und warfen ihr ganzes Gewicht bei CSU-Chef Seehofer in die Waagschale, um lieber kein neues Bundesjagdgesetz als dieses zu bekommen. Der Deutsche Jagdverband, der bereit war, diese Kröte erst einmal zu schlucken, hat sich damit bei den Bauern nicht unbedingt beliebt gemacht. Das Verhältnis zu Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied gilt seither als angespannt. Schmidt versprach den Jägern noch auf dem Bundesjägertag in Wolfsburg eine Novellierung nach Vorstellung des DJV, die er wenige Tage später wegen der Grätsche seines Parteivorsitzenden aber wieder zurücknehmen musste. Seitdem liegt sie in der Schublade.

Kein Koalitionsfrieden – Christian Schmidt (CSU) und Barbara Hendricks (SPD) sind sich in vielen Themen nicht einig.
Foto: Wolfgang Krumm/picture alliance

Es ist fraglich, ob die kleine Novelle in der neuen Legislaturperiode von der Union noch einmal auf die Agenda gehoben wird, wenn der Koalitionspartner die SPD bliebe, wonach es in der Sonntagsfrage drei Wochen vor Wahl aussieht (siehe Grafik).
Sollte das Bundesumweltministerium (BMU), das derzeit von Barbara Hendricks geführt wird, in SPD-Hand bleiben, dann spielt es sicher weiter die Rolle eines veritablen Schattenministeriums zum Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL). Konflikte sind vorprogrammiert.

Manchmal hat es den Anschein, als sei die Agenda von Hendricks nicht die der SPD, sondern die einer grünen Ministerin. Deutlich war in ihrer Politik der starke Einfluss des BMU zu sehen, in dem die Naturschutzverbände ein und aus gehen. Es scheint, als stimmten die Verbände ihre politische Agenda mit leitenden BMU-Beamten ab, die dann auf Hendricks Tisch landet. Es wundert daher nicht, dass Naturschutzthemen die jagdpolitische Bühne beherrschen, wie der Abbau umweltschädlicher Agrarsubventionen, der Ausbau der Windkraft, das Ausweisen von Schutzgebieten, Flächenstilllegungen im Wald, Wildnisgebiete, der Wolf, Umgang mit Neozoen (Waschbär, Mink, Marderhund, Nutria), Umgang mit wandernden Arten (Gänsen). In all diesen Punkten liegt für die nächsten Jahre genug Konfliktpotenzial in einer großen Koalition, aber natürlich auch zwischen Regierung und Jagdverbänden.

Drei Wochen vor der Wahl hätten CDU/CSU und die SPD oder eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen eine Regierungsmehrheit.
Foto: Tim Reckmann, Grafik: Dagmar Siegel, Quelle: Forsa

Den Takt gibt unter anderem die EU vor. Doch die Tagesordnung wird dort auch durch die Aktivitäten der deutschen BMU-Beamten mitbestimmt. Das unionsgeführte BMEL ist hier eher in einer passiven Rolle und reagiert mehr als es agiert.

Eine Waffenrechtsänderung, die eine Verschärfung der Aufbewahrungspflichten mit sich brachte, hat in der vergangenen Legislaturperiode stattgefunden. Damit dürfte dieses Themenfeld erst einmal befriedet sein, auch wenn eine bundeseinheit­liche Regelung zur Verwendung oder zum Gebrauch von bleihaltiger Munition noch aussteht.

Eine für den DJV befriedigende Lösung seiner Probleme, wie die einheitlichen Anforderungen an den Jagdschein, dürfte am ehesten in einer schwarz-gelben Koalition zu erreichen sein. Auch beim Thema Wolf sind sich Union und Liberale einig: Er soll zur eventuellen Regulation ins Jagdrecht überstellt werden. Doch allen Beteu­erungen des Bundesvorsitzenden der FDP, Christian Lindner, und der Bundes-CDU zum Trotz finden die jagdpolitischen Diskussionen, beispielsweise wie mit Gänsen, der Fallenjagd oder den Neozoen umgegangen wird, auf landespolitischer Ebene statt. Dort zeigt sich leider allzu oft, dass die Union keine Bank mehr ist, auf die der Nimrod bauen kann. Die FDP kann nach den gewonnenen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen jetzt zeigen, was als „Jäger-Partei“ in ihr steckt.

Wirklich bedrohlich wird es bei jeder Beteiligung der Grünen an einer Bundeskoalition. In der rot-grünen Ära unter Kanzler Gerhard Schröder bauten die Grünen mit schamloser Klientelpolitik beispielsweise das BMU aus, was bis heute wirkt. Sie würden mit
Sicherheit der Union einige Zugeständnisse abtrotzen, wie man das in Hessen und Baden-Württemberg schon bewundern durfte. Der Konflikt zwischen Landwirtschaft und Bundesregierung dürfte sich massiv verschärfen.
Eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen wird ein für die Jagd unkalkulierbares Pokerspiel. Im besten Fall neutralisieren sich die Kräfte, sodass es in jagd- und naturschutzpolitischen Fragen zu einer Pattsituation kommt.

Am 24. September 2017 wird der 19. Deutsche Bundestag gewählt.
Foto: WuH-Redaktion

Eine rot-grüne oder rot-rot-grüne Bundesregierung ist nach der Sonntagsfrage drei Wochen vor der Wahl eher nicht zu befürchten. Wäre sie möglich, wäre dies der jagdpolitische Super-GAU. Die eigentumsfeindliche Linke ist schon immer der Auffassung gewesen, dass es keine zwei Rechtskreise braucht. Die Folge wären Weichen­stellungen, die eine Trennung von Jagd- und Naturschutzrecht weiter aufweichen, wie es beispielsweise schon im Landesjagdgesetz Baden-Württembergs geschehen ist.

Mit der AfD wird vermutlich eine sechste Partei in den Bundestag einziehen. Ähnlich wie die FDP fischen die Rechten im wertkonservativen Lager mit jagdfreundlichen Positionen: Sie wollen kein Verbot bleihaltiger Munition und lehnen auch weitere Sachverbote ab. Den Katalog der jagdbaren Arten wollen sie eher erweitern, um den Wildtieren die Hegepflicht des Jägers zukommen zu lassen. Naturschutz- und Jagdverbände sehen sie auf Augenhöhe, die Eingriffe des Naturschutzes in den Rechtsrahmen des Jagdrechts kritisch. Beim Waffengesetz hat die Partei einen liberalen Ansatz und möchte den Zugang zu Waffen erleichtern sowie Verschärfungen lockern. Das alles lässt sich in der Opposition leicht versprechen.

Nach den letzten Umfragen stieg die AfD mit einem zweistelligen Wahlergebnis zur drittstärksten Partei auf. Da keiner mit ihr koalieren will, würde sie die stärkste Oppositionskraft – das ist mehr als nur ein Ehrentitel. Denn damit winken nicht nur in den Ausschüssen zahlreiche Sitze, beispielsweise der Vorsitz im Haushaltsausschuss, sondern die AfD wäre auch die Partei, die in Plenardebatten als erste Oppositionskraft auf die Regierung antwortet. Vielleicht bringt das den einen oder anderen Unionsabgeordneten dazu, darüber nachzudenken, warum man ohne Not erzkonservative Wählergruppen preisgegeben hat.

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