Afrikanische Schweinepest
Derzeit schwebt die Afrikanische Schweinepest wie ein Damokles-Schwert über den Schwarzwild-Beständen. Aber wie groß ist die Gefahr wirklich, und was könnte uns im Seuchenfall erwarten? Wir haben dazu zahlreiche Experten befragt.
Simon Obermeier
Sie breitet sich langsam, aber offenbar sicher in Richtung Deutschland aus – die Afrikanische Schweinepest (ASP). Die Virus-Erkrankung hat bereits das Nachbarland Polen
erreicht und hält sich im Osten des Landes, nahe der weißrussischen Grenze. Auf der jüngsten Verbreitungskarte des Friedrich-Loeffler-Institutes vom 8. März 2016 sieht man:
Drei neue Fälle sind seit Anfang des Jahres bei Wildschweinen nachgewiesen worden.
Auch weitere EU-Staaten haben mit der Seuche zu kämpfen. Im Osten von Estland, Lettland und Litauen kommt sie nahezu flächendeckend vor. Teils wurden größere Hausschweinbestände infiziert. Auslandsjäger berichten auch aus Weißrussland immer wieder, dass die ASP dort in manchen Gegenden sämtliches Schwarzwild dahingerafft habe.
Viele Jäger haben daher die Befürchtung, dass die Krankheit hierzulande bald ebenfalls unter den Sauen grassieren könnte. Wie berechtigt ist diese Befürchtung? Und wie könnten sich die Schwarzwild-Bestände entwickeln, sollte die Krankheit in Deutschland Fuß fassen? Können Jäger überhaupt irgendetwas gegen diese Bedrohung unternehmen? Wir haben hierzu Tierärzte, Virologen, Wildbiologen und Jagdwissenschaftler gefragt.
Überraschend, dass sie nicht schon da ist.
Kommen wird die Afrikanische Schweinepest (ASP), das scheint sicher. Experten sind überrascht, dass sie nicht schon da ist. Man hatte einen positiven Nachweis nach der bisherigen Ausbreitungsrasanz nach Westen bereits für letztes Jahr erwartet. Prophylaktisch müsste alles unternommen werden, um Schwarzwildbestände abzusenken. Dazu gehört vorrangig eine frühe und scharfe Frischlingsbejagung. Das wird aber nicht ausreichend praktiziert, wobei das abgedroschene Kindermörder-Argument nach wie vor hoch im Kurs steht. Auch Anreize von Seiten der Landkreise wie zum Beispiel der Erlass von Gebühren für die Trichinenschau bei Frischlingen sind die Ausnahme. Aus Weißrussland, das nicht Teil der EU ist, vernimmt man kaum Offizielles zum Seuchengeschehen. Unter der Hand hört man allerdings, dass die Krankheit das Schwarzwild dort an vielen Orten ausgetilgt hat. Das könnte auch bei uns so kommen.
Vor allem ein Problem der Massentierhaltung
Die Diskussion ähnelt in ihren Stereotypien denjenigen um die Klassische Schweinepest (KSP): Das Schwarzwild findet sich in der Rolle als Erregerreservoir und als Vektor, der Jäger soll das nun durch erhöhten Abschuss richten. So wie die KSP wird allerdings auch die ASP vor allem ein Problem der Massentierhaltung werden. Erst diese macht das Auftreten der Virusinfektion letztlich zu einem enormen wirtschaftlichen, aber auch Tierschutzproblem. Hinzu kommen Tiertransporte quer durch Europa, die, neben dem generell zunehmenden internationalen Reise- und Transportverkehr, in der Diskussion immer noch zu wenig Beachtung finden. Das Bekämpfen der KSP wäre einfach, würde man impfen, was allerdings aus politischen Gründen nicht geschieht. Die Situation der ASP ist analog gelagert, nur dass die Krankheit offenbar deutlich infektiöser ist, eine höhere Letalität hat und wir derzeit keinen Impfstoff dagegen besitzen. Die Lösung des Problems liegt allerdings nicht bei der Jagd oder dem Management der Schwarzwildpopulation. Durch intensive Bejagung (Einzeljagd), ohne das Schwarzwild zu sehr zu beunruhigen, kann der
Jäger vorbeugend tätig sein. Die eigentliche Verantwortung tragen aber, wie bereits
bei der KSP auch, nicht die Jagd und der Jäger, sondern die (Agrar-)Politik. Dabei wäre es sicher hilfreich, wenn sich unsere Natur- und Tierschutzverbände endlich einmal nachdrücklich den Themen Massentierhaltung und Tiertransporte widmen würden, statt ihre Ressourcen auf Nebenschauplätzen, wie Jagd oder Forstwirtschaft, zu binden.
Die Schwarzwildpopulation Mitteleuropas wird durch die Krankheit voraussichtlich
deutlich dezimiert werden, sich dann aber schnell an die neue Situation anpassen.
Das Wissen der Jäger kann helfen.
Wenn man sich die aktuellen Karten in Polen und im Baltikum anschaut und mit den vergangenen zwei Jahren vergleicht, sieht man Folgendes: Zunächst gab es 2014 eine sehr rasante Ausbreitung durch Transporte, jetzt ist die ASP massiv vorhanden, breitet sich aber nicht weiter aus. Es besteht aber jederzeit die Gefahr, dass das Virus nach Deutschland verschleppt werden könnte. Dabei kommen sowohl virushaltige, noch nicht vollständig behandelte Trophäen, Fleischprodukte als auch kontaminierte Werkzeuge in Betracht. Dann
wird es auch nicht zwingend zuerst an der polnischen Grenze auftauchen, sondern irgendwo, wo Schwarzwild vorkommt. Die Gefahr ist also sehr groß. Ursprünglich haben wir vermutet, dass die ASP sich schnell ausbreitet und die Schwarzwildbestände zehntet, also dass nur etwa zehn Prozent überleben. Inzwischen wissen wir, dass es so extrem nicht sein muss. Die ASP breitet sich nur lokal oder regional aus. Dort gehen dann etwa zehn bis 50
Prozent (%) ein, wobei nach wie vor über 90 % der infizierten Stücke verenden. Die Ansteckungsfähigkeit, ist aber geringer als gedacht. Es gibt auch überlebende Sauen, die das Virus noch länger ausscheiden können. Somit besteht es sehr lange in den Beständen fort. Das ist im Grunde viel gefährlicher als ein schnelles Massensterben, bei dem auch das Virus irgendwann erlischt. Lokal werden die Bestände sicherlich über kurz oder lang stark dezimiert, insgesamt wird es jedoch weiterhin Schwarzwild geben.
Die große Gefahr ist, dass die Schweinemast in Deutschland erheblichen Schaden (der in die Milliarden gehen wird) davontragen würde. Bei einem dauerhaften Fortbestehender ASP wird die Jagd starken Einschränkungen und Verpflichtungen unterliegen. Hier ist also die Mitarbeit der Jäger gefragt, indem sie schon jetzt das Schwarzwild möglichst kurz halten, um die Wahrscheinlichkeit eines Eintrags in die Bestände zu verringern. Hygienische Maßnahmen müssen konsequent eingehalten werden. Alle Totfunde an Schwarzwild sofort melden, aber die Stücke nicht bewegen oder vergraben und gegebenenfalls nach Anweisung der Behörde Proben nehmen (zum Beispiel Tupfer). Eine Früherkennung ist besonders wichtig, damit die Behörden handeln können. Notfallpläne liegen bereits vor, wir sind gewappnet. Mehr können wir Jäger derzeit nicht tun! Im Krisenfall können wir sehr viel leisten: Denn Jäger kennen sich am besten in ihren Revieren aus, sollten den Behörden im Bedarfsfall mit Rat und Tat zur Seite stehen und – nach einer kurzen Jagdruhe – intensiv auf das Schwarzwild jagen. Hier geht es dann tatsächlich darum, die Sauen zu reduzieren,
das heißt sämtliche Vorbehalte bezüglich der Bachenbejagung müssen dann zwingend fallen.
Erstmal Ruhe bewaren.
Seit dem Ausbruch der ASP 2007 in Georgien und der folgenden Ausbreitung der Krankheit in Hausschwein- und Schwarzwildbeständen in mehreren Ländern Europas stellen sich für
die Jagd viele Fragen: Was passiert mit erlegten, erkrankten Stücken? Wohin mit Kadavern der an ASP verendeten? Gibt es Jagdstrategien, die eine Ausbreitung verhindern? Die mit diesen Fragen verbundenen Sorgen sind berechtigt. Zwar ist die Krankheit keine Zoonose, also für den Menschen nicht gesundheitsgefährdend. Aber die Vermarktung des Wildbrets
wird unmittelbar untersagt, sobald die ASP in den heimischen Revieren angekommen ist. Die Jägerschaft möchte zu Recht vermeiden, dass die Schuld für die ASP-Ausbreitung und
etwaige Schäden für Nutztierbetriebe bei ihr hängen bleibt. Sollte die ASP ankommen, gilt es daher Ruhe zu bewahren. Ein erhöhter Jagddruck könnte infizierte Stücke zur Abwanderung bringen und damit die Ausbreitung der Krankheit beschleunigen. Es wäre also angebracht, sichtlich erkrankte Einzeltiere zu erlegen und gemeinsam mit dem Fallwild in Kooperation mit den Veterinärbehörden fachmännisch zu entsorgen. Der verbleibenden Population sollte man durch Unterlassen von Bewegungsjagden die entsprechende Ruhe und Zeit geben, mit der Krankheit allein zurechtzukommen (eine Impfung ist ohnehin nicht verfügbar). Der Erreger selbst scheint nämlich nach einer Durchseuchung zu verschwinden, solange keine Neuinfektion erfolgt. Ein verminderter Jagddruck provoziert wieder steigende Bestände und damit erhöhte Wildschäden. Daher sind die Jagdverbände aufgefordert, bereits vor der Ankunft der Krankheit mit den Behörden Wildschadensfonds zu verhandeln, als Versicherung für betroffene Reviere. Als Gegenleistung kann die Jägerschaft einen flächendeckenden Service bieten, nämlich die Bereitstellung von Proben, um die Krankheitsausbreitung zu überwachen.
Herausforderung für die Jagd
Man sollte nicht glauben, dass durch die ASP die Schwarzwildbestände zusammenbrechen werden. Denn noch bevor sich diese Seuche verstärkt ausbreiten könnte, würde man alles
daransetzen, sie mit rigorosen Maßnahmen einzudämmen. Selbst dann, wenn es lokal zu erhöhten Ausfällen käme, wäre die Jagd als Regulationsfaktor weiterhin notwendig. Das Wichtigste wäre es, den Bestand möglichst gering zu halten, ohne dass die Bewegungsaktivität des Schwarzwildes zusätzlich erhöht wird. Voraussichtlich wäre man gezwungen, auf Drückjagden weitgehend zu verzichten beziehungsweise sie einzuschränken und den verstärkten Abschuss primär etwa an den Kirrungen zu tätigen. Das wäre nicht einfach, da die persönlichen und zeitlichen Ressourcen für diese Jagdart begrenzt Herausforderung für die Jagd Erstmal Ruhe bewahren Univ.-Prof. Dr. Klaus Hackländer Leiter des Institutes für Wildbiologie und Jagdwirtschaft, Universität für Bodenkultur Wien, Mitglied des Wildbiologischen Beirats der WuH Bewegungungsjagden könnten im Seuchenfall die Schweinepest verbreiten, mahnen Klaus Hackländer und Miroslav Vodnansky. Auf sie sollte man dann temporär verzichten. sind. Dazu käme der zusätzliche Aufwand für die Beteiligung an vorgeschriebenen Überwachungsprogrammen. Da die Jäger dabei ganz offensichtlich im öffentlichen Interesse agieren würden, könnte das die Position der Jagd in der Öffentlichkeit und bei den Behörden sogar stärken. Vor allem von der Seite der Landwirtschaft, die beim Auftreten der Seuche besonders hart betroffen wäre, müsste mehr Anerkennung für die Jagd als einzigem wichtigen Regulator des Schwarzwildes in der heutigen Kulturlandschaft kommen.