Tierschutzwidriges Jagen, Verstöße gegen Rechts- und Dienstvorschriften des Jagdleiters des Müritz Nationalparks hat die von Minister Dr. Till Backhaus selber eingesetzte Untersuchungskommission in Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. Rechtssicher, wie er betont. Die ersten Folgen sind deutlich: Der Jagdleiter hat endgültig seinen Job verloren. Ob er seinen Jagdschein behalten kann und ob Strafverfahren eröffnet werden, wird in Kürze entschieden.
Minister Backhaus will nur noch jagdethisch einwandfreie Jagden erlauben. (Foto: Ursula-Anne Ochel) |
Fast genau ein Jahr ist es her, dass es im Müritz Nationalpark zu jagdlichen Vorkommnissen kam, die Aufsichtsbehörden und die Jägerschaft nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigen. Bis heute wird darüber geredet und gestritten, auch wenn Minister Dr. Till Backhaus gerne endlich mal Ruhe in seinem „Revier“ hätte. Für ihn sei die Sache abgeschlossen, gab er bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse der extra eingerichteten Untersuchungskommission in Schwerin bekannt. Mit einem geänderten Jagdkonzept und neuem leitenden Personal will er wieder ordentliche jagdliche Verhältnisse schaffen, die jagdethischen, lebensmittelhygienischen und tierschutzrechtlichen Grundlagen gerecht werden. Damit das alles nicht ohne Kontrolle geschieht, wird zukünftig eine Mitarbeiterin der Obersten Jagdbehörde bei allen Drück-Jagden dabei sein.
Die Verfehlungen des verantwortlichen Jagdleiters Falk Jagszent seien in vielen Punkten aus seiner Sicht rechtssicher bewiesen, betonte der Minister, deshalb habe man disziplinarische Konsequenzen gezogen und Jagszent endgültig zu den Landesforsten versetzt. Dieser habe dem auch zugestimmt. Was genau er dort macht wurde nicht beantwortet, ob er dieselben Bezüge erhält wie vorher, ebenso nicht. Rechts- und Dienstvorschriften seien nicht beachtet worden und bei der Jagdausübung sei die Ethik gegenüber den Tieren auf der Strecke geblieben. Konkret benannte der Minister die schon in WILD und HUND dargestellten (WuH Nr. 14, S. 64/65 und „Ein Minister greift durch”) wissentliche Überschießung des Abschussplans bei Damalttieren um 46 %, (224 statt 160), rechtswidrige Abschussfreigaben, Einsatz von nicht geprüften Hunden, massive Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, nachlässige Wildbretbehandlung, Nichtahndung von Sicherheitsverstößen und Fehlabschüssen, Nichtahndung von Anweisungsverletzungen. Außerdem seien die Grundsätze der deutschen Waidgerechtigkeit erheblich verletzt worden, daher sei auch das Disziplinarverfahren eingeleitet worden.
Die Untere Jagdbehörde hat diverse Ordnungswidrigkeitenverfahren zusammengefasst, geprüft wird u.a., ob dem Ex-Jagdleiter Jagszent der Jagdschein entzogen werden muss. Der mecklenburgische Landesjagdverband (LJV-MV) hat laut Landesjagdrecht die Möglichkeit, dies zu beantragen. So heißt es im Landesjagdgesetzt § 40: „Die Landesjägerschaft kann bei der Jagdbehörde beantragen, dass ein Jagdschein wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Weidgerechtigkeit nicht erteilt oder eingezogen wird. Will die Jagdbehörde von einer Stellungnahme der Landesjägerschaft abweichen oder einem Antrag der Landesjägerschaft nicht entsprechen, so bedarf die Entscheidung der Zustimmung der obersten Jagdbehörde.“
Ob der LJV-MV diesen Antrag stellen wird ist noch nicht beschlossen, man prüft noch.
Auch der Staatsanwaltschaft liegen diverse Strafanträge vor, es wurden nach Auskunft des Neubrandenburger Leitenden Oberstaatsanwaltes Gerd Zeisler mehrfach Vernehmungen angeordnet. Deren Auswertungen werden ergeben, ob tatsächlich Anklage erhoben wird oder nicht.
Der Blick nach vorne lässt hoffen und der Minister dankte dem kommissarischen Jagdleiter, dem Neustrelitzer Forstamtsleiter Matthias Puchta, für seine Aufklärungs- und Strukturierungsmaßnahmen ausdrücklich. Aus Sicht des Ministers ist das „alternative Jagdkonzept“ gescheitert. Diese Jagden mit bis zu 160 Schützen pro Tag habe er auch nie verstanden, meinte Backhaus. Zukünftig wird es so große Jagden an der Müritz nicht mehr geben, nur noch 35 bis 79 Jäger sollen pro Tag bei den 16 Drückjagden in diesem Herbst eingesetzt werden. Dabei dürfen nur noch brauchbare, geprüfte Jagdhunde in ausreichender Menge eingesetzt werden. Geschossen werden darf nur bleifrei, das lege eine Selbstverpflichtung des Nationalparks fest.
Noch im März hatte Backhaus angekündigt, dass ab 2014 landesweit nur noch bleibfrei gejagt werden soll in Mecklenburg-Vorpommern. Die Tatsache aber, dass Waffenrechtliche Regelungen Bundes- und nicht Länderrecht betreffen, gibt ihm nur die Möglichkeit, in den landeseigenen Forsten das ggf. umzusetzen.
Als Jäger eingesetzt werden die Mitarbeiter des Nationalparkamtes, Forstbedienstete, Pirschbezirksinhaber und erfahrene Jäger aus der Region. Bleiben Plätze offen, können diese gegen Entgelt vergeben werden. Dabei werde kein Marketing betrieben und diese Plätze würden auch nicht von Jagdreisenveranstalter verkauft, sondern das Nationalparkamt vergibt die Plätze, betonte Puchta, 100 Euro pro Jagdtag ist der Preis.
15 von den 16 Jagden seien bereits besetzt. Fünf der Jagden werden Nationalpark-Revier-übergreifend durchgeführt und sieben Revier übergreifend mit außerhalb des Gebietes des Nationalparkes liegenden Revieren. Strecke im herkömmlichen Sinn wird aus lebensmittelhygienischen Gründen nicht gelegt, das gestreckte Wild wird umgehend versorgt und in einen Kühltransporter verbracht werden. Von jeder Tierart wird ein Stück auf der Strecke liegen und verblasen werden.
Um die notwendige Transparenz herzustellen, habe man bewusst die umliegenden Kreisjägerschaften und Hegeringe eingeladen. Im Einladungsschreiben steht: „Deshalb ist vorgesehen, Jäger kostenfrei aus den Hegegemeinschaften, den Jagdverbänden und dem Förderverein Müritz-Nationalpark an den Jagden zu beteiligen“. Gemeint ist damit auch der sog. Ökologische Jagdverband (ÖJV), dessen Geschäftsführer Jagszent ist. Sowohl der Förderverein als auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), sowie Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der ÖJV haben seit Bekanntwerden der Missstände mit Briefen an den Minister, Leserbriefen in örtliche und bundesweiten Zeitungen, jüngst auch in Internetbloggs versucht, diese zu verharmlosen und zu relativieren. So ist von „unqualifizierten, niederträchtigen Angriffen“, von „Hetzjagd“ die Rede und davon, dass die beanstandeten Jagden vorbildhaft gewesen seien.
Der ÖJV versucht auch seit einiger Zeit der Öffentlichkeit zu suggerieren, der Deutsche Presserat habe einen in dem Zusammenhang erschienenen Artikel gerügt. Das ist definitiv die Unwahrheit, wie Recherchen beim Presserat ergeben haben. Dieser hat die unterste Stufe getätigt und einen „Hinweis“ (Beschwerdesache 0185/13/2-BA des Presserats) gegeben. Auch BUND und NABU versuchten – selbst auf Bundesebene – das ganze Geschehen zu bagatellisieren und schön zu reden.
Dem ÖJV wurden nun fünf Termine zur Teilnahme an den Drückjagden im Nationalpark angeboten. Bisher habe sich noch keiner angemeldet, teilt das Ministerium auf Nachfrage mit. Und sollte Jagszent an einer der Jagden teilnehmen wollen „würden wir ihn wegen wissentlicher und dokumentierter Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften bei Gesellschaftsjagden ausschließen“.
Dass ÖJV und Förderverein eingeladen werden ist bemerkenswert. Backhaus äußert dazu: „Wir sind nicht nachtragend, aber wir vergessen auch nicht“. Er meint, dass die dahinterstehenden Verbände wichtig für das Land seien. Welcher Druck u.U. von denen ausgeübt wurde wäre interessant zu wissen.
Insgesamt sieht der Abschussplan für dieses Jagdjahr eine gewaltige Strecke von 2 309 Stück Schalenwild vor, auf einer Fläche von rund 25 000 Hektar (ha). (215 Rotwild, 1 099 Damwild, 660 Rehwild und 335 Schwarzwild). Dabei werde ausschließlich das Ziel verfolgt, dem Schutzzweck gerecht zu werden, es gehe nicht um Trophäen sondern um ein ausgewogenes Geschlechter und Altersverhältnis und das Motto: „Jung vor alt, schwach vor stark“ gelte in jedem Fall. Zweidrittel der Fläche wird von 28 Mitarbeitern und 32 Begehungsscheininhaber bejagt, ein Drittel wird als Rückzugszone für das Wild eingerichtet. Bei den Einzeljagden durch Bedienstete und Begeher sollen 40 bis 45 Prozent der Abschüsse erreicht werden, bei den im November und Dezember stattfindenden Drückjagden 30 bis 40 Prozent. Der Rest wird bis Ende Januar mit Einzel- und Gruppenansitzen erledigt, ohne Treiber und Hunde, also ohne weitere Beunruhigung.
Wichtig ist dem Minister die Einbeziehung und der Kontakt zu den Hegegemeinschaften und den Kreisjägerschaften. Hier habe es Probleme gegeben. „Ich bin gespannt, ob wir dieses Ziel erreichen können“, bemerkte der Minister und wies auf die Notwendigkeit der Bejagung auch in Großschutzgebieten hin, um Verbiss und Tierseuchengefahr zu begegnen. „Aber ich stehe zur Nationalpark-Jagdverordnung und der Wildmanagementanweisung“, unterstrich der jagende Minister, er sagte aber auch: „Es ist nicht in Stein gemeißelt“. Dies hat er auch in einem Antwortbrief an LJV-Präsidenten Dr. Volker Böhning geschrieben. Diese Aussage läst die Jäger im Land schon aufhorchen und hoffen auf wenigstens einige kleine Veränderungen. Was es nicht geben wird, hat Backhaus auch klar gemacht: Einheitliche Bejagungsregeln auch für die Nationalparke des Landes, wie vom Großteil der Jägerschaft gewünscht. „Da sage ich ganz klar Nein“.
Deutlich entspannt ist die Stimmung bei den Mitarbeitern. Die Revierleiter haben in ihren Bezirken wieder das Sagen und die Verantwortlichkeiten, die ihnen von Jagszent genommen worden waren. Sie sind wieder für die Abschusspläne zuständig und tragen für ihre Reviere die Verantwortung. So wird es vermutlich nicht mehr vorkommen, dass ohne wissen der Revierleiter in ihren Bereichen gejagt wird, wie zu Jagszent Zeiten.
Wie attraktiv der freigewordene Posten des Dezernats- und Jagdleiters ist, zeigen die mehr als 130 Bewerbungen, die jetzt gesichtet werden.
uao