Das Zusammenleben mit dem Wolf gestaltet sich mitunter schwierig: Sichtungen von Wölfen, deren Fährten sowie aufgefundene Risse verunsichern.
Frau Laura Ketzmerick, Wildbiologie Dresden, bei Ihrem Vortrag (Foto: Carolin Eberth)
Auf Initiative des „Forum Wolf Nordhessen“ im Jagdverein Hubertus Kreis Eschwege e.V fand am 25. März 2023 im Bürgerhaus / Kulturzentrum der Stadt Waldkappel (Werra-Meissner-Kreis/ Nordosthessen) eine Informationsveranstaltung statt, die sich mit dem Thema „Der Wolf in der nordhessischen Kulturlandschaft“ befasste.
Hier eine Zusammenfassung:
Das nordöstliche Hessen verzeichnet seit einigen Jahren eine rasche zunehmende Präsenz von Wölfen, was zu zahlreichen Problemen führt, wie sie aus anderen Wolfsgebieten in Deutschland schon bekannt sind, aber auch durch einige regionale Besonderheiten gekennzeichnet ist. Dies hat in der Bevölkerung, bei Tierhaltern, Jägern und Naturschützern verbreitet zu Ängsten und Besorgnissen geführt.
In dieser Situation hat das Organisationsteam „Forum Wolf Nordhessen“ diese Veranstaltung mit starker Unterstützung der von der Wolfspräsenz besonders stark betroffenen Stadt Waldkappel in Person von Bürgermeister Frank Koch initiiert und durchgeführt.
So konnte der Leiter des Organisationsteams, Christoph Dippel, mehr als 170 Personen und Vertreter von Verbänden aus den Bereichen Landwirtschaft, Tierhaltung, Jagd, Tourismus und Naturschutz, sowie als Beobachter Repräsentanten zahlreicher Fachbehörden aus der Region begrüßen. Auch die Landtagsabgeordneten aus der Region von allen im Hessischen Landtag vertretenen Parteien waren anwesend.
Unter der Moderation von Werner Weber hörte die Versammlung zunächst einen Impulsvortrag zum Thema „Wolf, Wald, Wild und Weidetiere“ von Elina Jarmer und Laura Ketzmerick, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Lehrstuhl für Wildökologie der TU Dresden (Lehrstuhlinhaber: Prof. Dr. Dr. habil. Sven Herzog).
Anschießend präsentierte Werner Weber die Auswertungen von 56 im Vorfeld der Veranstaltung verschickten und zurückgesendeten Fragebögen zum Thema Wolf von zahlreichen Betroffenengruppen aus der Region. Die Antworten waren gekennzeichnet vom einem den Alltag zunehmend verändernden Gefühl der Bedrohung durch den Wolf, das die Dörfer der Region erfasst hat.
Auch die Besorgnisse und Ängste vieler Tierhalter um das Leben und die Unversehrtheit ihrer Tiere und um ihr eigenes Leben wurden thematisiert, bis hin zu Sorgen um die Sicherung der Biodiversität, wenn die Weidetierhaltung in der Region weiter zurückgehen und die Hüteschäferei durch Betriebsaufgaben völlig verschwinden sollte. Gerade dieser letzte Punkt nahm in der Diskussion breiten Raum ein, da große Teile des Werra-Meißner-Kreises zum vom Bundesamt für Naturschutz festgelegten Hotspot der Biodiversität Nr. 17 (Werratal mit Hohem Meißner und Kaufunger Wald) gehören. Hier ist die Weidetierhaltung und ganz besonders die Hüteschäferei zum Erhalt der orchideenreichen Halbtrockenrasen, Wacholderheiden und der bedrohten und durch europäisches Recht geschützten Grünlandlebensräume von herausragender Bedeutung.
Die Jägerschaft äußerte Besorgnisse im Hinblick auf den Erhalt des Rotwildes in der Region, da das Rotwild, ebenso wie die Rehe derzeit schon sehr unter den vom Land Hessen erzwungenen Reduktionsabschüssen leidet (sog. Schalenwildrichtlinie). Die Reduktionsabschüsse gefährden nicht nur die genetische Fitness der Rotwildpopulation, sondern schmälern auch die Nahrungsbasis für den Wolf, was zu verstärkten Übergriffen auf Haustiere führen muss.
Auch die bevorstehende Ausrottung des Muffelwildes am Hohen Meißner war ein mehrfach angesprochenes Thema. Obwohl häufig als Neozoon gering geschätzt, haben die Festlandspopulationen des Muffelwildes eine herausragende Bedeutung für den Erhalt der Art im Sinne einer ex situ – Genreserve.
Um es mit den Worten von Wildbiologen zu sagen: „Der Wolf ist in Deutschland sicher deutlich näher an einem „Günstigen Erhaltungszustand (favorable conservation status)“ als das in fragmentieren Populationen lebende Rotwild und in einem europaweiten Sinn auch als das Muffelwild.
Ebenso wurden Aspekte des Tierschutzes beim Umgang mit kranken und verletzten Wölfen diskutiert, auch die Ängste von Hundehaltern bezüglich des Zusammentreffens von Hund und Wolf bei der Arbeit mit Diensthunden in Wolfsgebieten (z.B. Rettungshunde) und beim unverzichtbaren Einsatz von Hunden bei der Jagd.
Nicht zuletzt wurden die oft als bürokratisch und umständlich empfundenen Prozeduren der Anerkennung von Wolfsnachweisen, bei Entschädigungen von getöteten und verletzten Haustieren und beim Herdenschutz kritisiert.
Auf der Veranstaltung wurde ein Positionspapier verabschiedet, welches im Mai dem Hessischen Ministerpräsidenten, Herrn Boris Rhein, in Wiesbaden übergeben werden soll.
PM/fh