Raues Haar, lange Behänge und einzigartiges Geläut sind nur drei Merkmale des Griffon Bleu. Welche Talente sich sonst noch hinter dem französischen Jagdgefährten verstecken, sagt INGEBORG CAMINNECI
Das Warten scheint ein Ende zu haben. Im Dickicht knacken Äste. Ein kräftiges, tief heulendes „Hau, hauu, hauuu, hauuu“ erfüllt den Hochwald. Unheimlich, fast schon gespenstisch anmutend. Was um alles in der Welt ist das? Irritiert durch das ungewöhnliche Geheul übersieht der Jäger drei Schwarzkittel, als sie die Schneise überfallen. Noch immer hallt das urtümliche „Hauu, hauuu, hauuuu“ aus mehreren Kehlen durch den herbstbunten Laubwald. Erneut flüchten zwei Sauen – Ziel erfassen, mitschwingen, überholen, abdrücken. Ein Frischling zieht die Vorderläufe ein und rolliert im Widerhall des Schusses. Das Geläut kommt indes näher. Minuten später offenbart sich das
„Orchester“ des wilden Geheuls. Eine Meute zotteliger, halbhoher, graublau schimmernder Griffon Bleu de Gascogne verfolgt die wegbrechenden Schwarzkittel. Die Hunde bewegen sich kraftvoll, fast galoppierend und mit unbändiger Passion und tiefer Nase. Ein Anblick, den nur wenige Jäger hierzulande zu Gesicht bekommen. Denn bis heute ist diese Jagdhundrasse außerhalb Frankreichs nicht sehr bekannt. Ihr Ursprung liegt in den Pyrenäen, wo sie zunächst als „Bleu Griffoné“ bezeichnet wurden.
Lange Zeit wurde der Griffon Bleu etwas stiefmütterlich behandelt, weil die Reinheit der Rasse angezweifelt wurde. Aus welchen Hunderassen – außer dem Bleu de Gascogne – der Griffon Bleu de Gascogne hervorgegangen ist, bleibt ungewiss. Das Ergebnis ist jedoch ein attraktiver, harmonisch gebauter Hund mit rustikaler Erscheinung. Er gehört zu den „Chiens du Midi“, den Hunden des Südwestens. Sie alle sind Bracken oder Laufhunde reinen
französischen Blutes. Ihre zwei bestechendsten Eigenschaften sind die Langsamkeit ihres Jagens und die Leistung ihrer Nase. Alle diese Schläge gehen auf die weißen und schwarzroten Schläge der Hubertushunde zurück. Als ursprüngliche Wolfsjäger werden sie heute zur Stöberjagd auf Schalenwild, Hase und Fuchs geführt. Weil die rauhaarigen Blauen Gascogner selbst in ihrem Ursprungsland nicht besonders zahlreich vertreten sind, ist der Genpool ziemlich klein. Darüber hinaus wurde bislang mehr auf Leistung denn auf Schönheit hin selektiert. Dies hat zur Folge, dass die Rasse bisher (noch) kein absolut einheitliches äußeres Erscheinungsbild zeigt.
Und so kommt es vor, dass einzelne Hunde etwas niederläufiger sind als andere oder gedrungener wirken und manche eher an Bracken erinnern als an typische Laufhunde. Einige haben längere, deutlich gefaltete, kurz behaarte Behänge (ein Grand-Bleu-Erbe), andere hingegen zeigen etwas kürzere, nicht gefaltete, fülligere und länger behaarte Behänge. Auch die Dichte und Länge des Haarkleides kann leicht variieren. Ebenso
dessen Färbung.
Der typische schieferblaue Schimmer kommt durch ein Gemisch aus weißen und schwarzen Haaren zustande. Schwarze Platten an Rumpf und Kopf sowie lohfarbene
Abzeichen – vorwiegend im Kopfbereich – sind im Standard festgeschrieben und Pflicht. Die langen Behänge zeugen von der Einkreuzung des Bloodhounds. Sie dienen dem Zweck, bei
der Nasenarbeit den Untergrund etwas „aufzuwirbeln“, damit die Hunde besser die Spur halten können. Ursprünglich wurde der Griffon Bleu für die Hasenjagd gezüchtet. Heute wird er aber hauptsächlich zur Jagd auf Schwarzwild eingesetzt. Anfang der 1970er Jahre stand die Rasse kurz vor dem Aussterben. Engagierte Züchter in Frankreich setzten sich für den Erhalt der Hunde ein. Seit 1991 wächst das Interesse allmählich. Der Bestand nimmt
kontinuierlich zu. 2009 wurden im Ursprungsland 796 Welpen gewölft. Beeindruckende Arbeitsleistungen zeigt der robuste Blaue Gascogner für wahr. Bekommt er auch nur den
leisesten Hauch einer Fährte in die Nase, ist er auf und davon. Dass es dann auch mal
länger dauern kann, bis der Griffon Bleu wieder zurückkommt, weiß jeder, der schon einmal mit diesen Hunden gejagt hat. Selbstständig und sehr weiträumig sucht der Gascogner seinen Weg nach frischen Wildfährten ab. In unübersichtlichem Gelände wie Dickungen und Schilfbeständen zeigt er seine herausragenden Stöber-Eigenschaften. Wasser ist allerdings bei den meisten Bleus nicht unbedingt das bevorzugte Element. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel. Möchte man einen Griffon Bleu als reinen
Jagdhund einsetzen, sollte man dies bedenken. Dafür machen ihn seine anderen Qualitäten zu einem begehrenswerten Jagdgefährten.
Und sein beeindruckendes charakteristisches Geläut geht ins Ohr und bleibt im Kopf – um einen bekannten Werbespruch zu bemühen. Übernachtfährten beispielsweise sucht der Griffon Bleu am Boden oder an Zweigen. Trifft er auf eine frische Fährte, wird er spurlaut
– zunächst mit einem so genannten Vorlaut, der sich verstärkt und immer eindringlicher wird, je näher der Hund an Wild heranrückt. Hat er das Stück aus der Deckung getrieben, wird sein Spurlaut regelmäßig und hält an. Anhand dieses Geläuts kann der Jäger ziemlich genau feststellen, wo sich Hund und Wild befinden. Bekannt ist diese hervorragende Nasenleistung mittlerweile auch außerhalb von Jägerkreisen. So wird in der Polizeihunde staffel Nürnberg ein Griffon Bleu de Gascogne in erstem Jahr geführt und ausgebildet. Seine Konzentrationsfähigkeit und seine überdurchschnittlich gute Nase bietet sich geradezu zu einer Ausbildung als Personensuchhund (Mantrailer) an. In dieser Staffel wurden schon einige „Nasenspezialisten“ anderer Rassen geführt, aber mittlerweile
ist man von den Laufhunden überzeugt.
Auffällig ist, dass der Griffon Bleu recht langsam jagt. Trotz seines großen Arbeitseifers flitzt er nicht voller Übermut sinn- und ziellos im Gelände umher, sondern geht auffallend ruhig und besonnen und mit großer Konzentration zu Werke. Weil er seine Energie maßvoll einzusetzen weiß – und weil er obendrein wenig hitzeempfindlich ist – hält er die anstrengende Suchenarbeit daher lange durch. Was den Jäger erfreuen dürfte, ist die Tatsache, dass der Griffon Bleu das Wild nicht dicht vor sich her hetzt oder hektisch aus der
Deckung drückt. Vielmehr treibt er es beständig voran. Oft direkt vor die Büchse des Schützen. Jagen die Hunde aber frei in der Meute, wird die Verfolgung des Wildes deutlich turbulenter und rauer. Ursprünglich wurden die Griffons für die Meutejagd gezüchtet.
Und auch heute werden sie in Frankreich noch als Meutejäger eingesetzt. Es ist aber auch ohne weiteres möglich, sie als Solojäger zu halten und zu führen, sofern der Zweibeiner bereit ist, die Meute zu ersetzen und einen engen Kontakt zum Hund zu pflegen. Seine Art, auf größere Distanz hinter dem Wild zu jagen, bedeutet allerdings nicht, dass er keinen
Schneid besitzt. Wird er auf Hochwild eingesetzt, ist er durchaus in der Lage, das gejagte Wild für längere Zeit zu stellen, bis der Hundeführer zur Stelle ist. In der Meute kommt es sogar vor, dass sie einen Schwarzkittel packen und halten. Obwohl der Griffon Bleu bisweilen recht eigenwillig sein kann, und dann und wann auch mal richtig stur ist, hat er im Grunde ein rundum gelehriges und freundliches Wesen gegenüber Menschen – ob
im Jagdalltag oder als Begleithund. Oft ist zu lesen, dass der Griffon Bleu „leichtführig“ sei und einen prima Familienhund abgibt – draußen drahtig, innen ruhig. Dies kann jedoch nicht unkommentiert bleiben: Ein Griffon Bleu de Gascogne erfordert schon etwas mehr
Einfühlungsvermögen von seinem Führer als andere Rassen. Denn verständlicherweise
ist es für ein Tier, das einerseits weiträumig, frei und ohne unmittelbaren Einfluss seines Führers arbeiten soll und diese Anlagen im Erbgut trägt, nicht einfach, wie eine Klette am Menschen zu kleben. Seine Erziehung ist demnach – wie bei vielen anderen Jagdhundrassen auch – ein dauerndes Abwägen von Zulassen und Einschränken. Sanft, aber konsequent.
Wird ein Griffon Bleu zu hart behandelt, zieht er sich zurück und erreicht nie ein wirkliches Vertrauensverhältnis zu seinem Herrn. Das schadet nicht nur der gegenseitigen Beziehung, sondern auch der Gesundheit des Vierläufers. Ein Laufhund, der in unserer
dicht besiedelten Landschaft nicht unter Kontrolle seines Führers steht, kann buchstäblich schnell unter die Räder kommen. Deshalb gilt es, ihm täglich genügend Beschäftigung
und Bewegung zu verschaffen. Jagdliche Arbeit wird seinen Anlagen gerecht und fördert seine Talente in hohem Maße. Vielfach wird dem Griffon Bleu nachgesagt, er sei Fremden gegenüber misstrauisch und nur schwer zugänglich. Ursächlich dafür scheint aber die Haltung. In Frankreich werden die Meuten ausschließlich im Zwinger gehalten. Somit
kann eine enge persönliche Beziehung zum Menschen nicht aufgebaut
werden. Wenn diese Hunde misstrauisch sind, ist dies verständlich. Leben Sie jedoch
als Familienmitglied im Haus und haben ständigen Kontakt mit Menschen, sind sie auch freundliche und angenehme Mitbewohner.