Philipp Freiherr von und zu Guttenberg ist seit März 2010 Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW). Er ist von Jugend an aktiver Jäger und seit Kurzem auch noch Vorsitzender des Aktionsbündnisses „Forum Natur“. Gründe genug, um mit ihm über Wald und Wild zu sprechen.
Philipp Freiherr von und zu Guttenberg wurde im Februar 2016 von Julia Klöckner, CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, als Minister für Umwelt und Forsten vorgeschlagen. (Fotos: Markus Hölzel) |
Guttenberg: (lacht) Nein, ich hatte leider keine Zeit. Aber die Blattzeit ist bereits im Terminkalender vermerkt.
WuH: Was hat Sie dazu bewogen, den AGDW-Vorsitz und damit eine Menge Arbeit und Verantwortung auf sich zu nehmen?
Guttenberg: Das unglaublich starke Potenzial in Deutschland, einer der stärksten Forst- und Holznationen in Europa, mit zwei Millionen Waldbesitzern, einer Wertschöpfungskette mit 170 Milliarden Euro Umsatz und mehr als einer Million Arbeitsplätzen ist etwas, was reizt, weil man theoretisch Forstpolitik in großem Stil machen könnte. Und (lacht) jetzt habe ich das Amt, bin mit hohen Ansprüchen an mich selbst da hineingegangen, und jetzt werden wir sehen, ob ich die auch erfüllen kann.
Guttenberg: Ich möchte die Interessen der Eigentümer wahrnehmen und das Potenzial der Schlüssel ressource Holz im Hinblick auf Klima, Energie und die Wende zur Nachhaltigkeit in der stofflichen und energetischen Verwertung vorwärtsbringen. Der gesellschaftliche Vorteil, den man aus einer intelligenten und effizienten Verwendung von Holz hätte, ist gewaltig.
WuH: Die Umwelt verbände wollen über Schutzgebietsausweisungen die wichtige Ressource Holz für sich reklamieren. Wie reagieren Sie darauf?
Guttenberg: Es ist meine Aufgabe, das Eigentum an dieser Ressource zu verteidigen. Es gibt Begehrlichkeiten von Seiten der Industrie und von Seiten der Naturschutzverbände nach Rohstoff und Fläche. Doch haben wir als Waldbesitzer ein klares Selbstverständnis. Wir können über alles diskutieren, aber bei uns gibt es ein Plafond (Anm. d. Red.: Decke eines Raumes), und das ist die Nachhaltigkeit. Dafür kämpfen wir, denn wenn wir das nicht tun, schreibt uns ein anderer vor, wie wir unser Eigentum zu bewirtschaften haben. Dagegen wehren wir uns, denn wir sind die besten und sachgerechtesten Verwalter von Forst und Holz.
Guttenberg: Keine Bewirtschaftungsform der Natur – Jagen, Fischen, Forstwirtschaft, Landwirtschaft – darf statische Regeln haben. Sie muss sich immer nach den dynamischen Gesetzen der Natur richten. Zum Beispiel gelten in einem großen geschlossenen Waldgebiet andere Kriterien bei der Bejagung als auf großen Windwurfflächen, wo ich einen neuen Waldbestand begründen will. Das gilt auch für Waldumbau flächen, die vor dem Hintergrund des Klimawandels stärker an Bedeutung gewinnen. Die Waldbewirtschaftung hat sich geändert, wir haben neue Aufgaben. Da spielt das Wild immer eine wesentliche Rolle und mit dem Wild natürlich auch die Jagd. Was der Grundeigentümer benötigt und will, danach muss sich auch die Jagd als eine der Landnutzungsformen richten. Das ist ein dynamischer Prozess, der immer wieder in der Kommunikation neu definiert werden muss.
Guttenberg: Aber überhaupt nicht. Wenn man sich mit den Landesjagdgesetzen beschäftigt, dann sieht man, dass die Gesetze letztlich vollkommen ausreichend sind, um – fast – alle Ansprüche zu befriedigen. Es scheitert am Vollzug, aber da eklatant. Bei dem Thema „Wald und Wild“ läuft es in einigen Regionen wunderbar, in anderen haben wir Riesenprobleme. Es gibt für mich ein Primat: Kein Gesetz dieser Welt regelt die Verantwortung vor Ort. Wenn die Leute vor Ort nicht wollen, nutzt uns kein noch so schönes Gesetz. Daher mein Plädoyer: Immer versuchen, die Probleme vor Ort zu lösen. Erst wenn dies nicht gelingt, kann man sich langsam an eine zusätzliche Regelung im Dialog mit den Akteuren herantasten. Vor einer vorschnellen Gesetzesänderung kann ich aber nur warnen, denn es wird wahrscheinlich keinem etwas nützen. Im Gegenteil! Daher bin ich der Allerletzte, der gesetzliche Änderungen fordert.
Guttenberg: Ja, natürlich, das fordere ich auch. Stärkung der Rechte heißt hier aber eine aktive Hilfestellung durch den Verband, beispielsweise durch die Bereitstellung von Pachtvertragsbausteinen oder eine ordentliche Bemessungsgrundlage für Wildschäden. Für beide Seiten wäre es wünschenswert, in der privatrechtlichen Regelung des Jagdpachtvertrages Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten zu verankern, um auch eine Handhabe zu haben. Wir fordern außerdem die nötige Flexibilität in der Verwaltung – alles Dinge, die eine Eskalation auf der Fläche vermeiden sollen. Da sehen wir die Grundeigentümer einfach geschwächt in der Verhandlungsposition. Und da wollen wir Hilfe anbieten.
Guttenberg: Letztlich bestimmt das der Eigentümer, Jagdrecht ist mit Grund und Boden verbunden. Wenn dieses Recht von jemandem in Anspruch genommen wird, muss dieser sich an bestimmte Regeln des Eigentümers halten, ähnlich wie bei einem Mietvertrag. Und genau deshalb wollen wir hier Hilfestellung bei den Pachtverträgen anbieten. Die Definition des Schadens ist letztlich Verhandlungssache. Es ist ein bilaterales Vertragsverhältnis, und das wird im Einzelfall ausgehandelt. Wir wollen hier lediglich eine Versach lichung reinbringen. Darüber hinaus wollen wir die Partner dazu ermutigen, sich vor der Pachtvergabe zusammen zusetzen, raus ins Revier zu gehen und die grundlegenden Dinge zu definieren: Was sind meine Hauptbaumarten? Was sind meine waldbaulichen Ziele? Wo sind die Schwerpunkte? Das kann sich auch ändern und sollte nicht nur am Beginn der Pachtperiode, sondern jedes Jahr erörtert werden. Dazu zählt auch die Festlegung von Schwerpunkten der Bejagung in waldbaulich sensiblen Zonen. Wenn die dann nicht erfolgt, muss der Wald besitzer auch reagieren können.
Guttenberg: Dann sollen sie sich in ordentlichen Hegegemeinschaften zusammensetzen, wo eine paritätische Besetzung gewährleistet ist und wo die Grundbesitzer sich auch durchsetzen können. Alle anderen lieb gewonnenen Gepflogenheiten sind Unsinn. Wir brauchen den Konsens zwischen Jägern und Grundbesitzern auf der Fläche. Wenn wir den nicht bekommen, lachen sich alle anderen kaputt, weil sie dann sofort Zugriff auf unser Eigentum haben. Die Hilfestellung wollen wir geben, damit wir die Reihen wieder zusammenbringen. Doch immer wieder gilt: Sie müssen es vor Ort regeln. Da hilft ihnen kein Bundes verband, kein Landesverband, keine Behörde.
Guttenberg: Der Wildschaden ist nicht zu bezahlen, wenn man ihn ehrlich abzinst. Das ist eine Frage der Toleranz. Das mit der Pacht aufzuwiegen, ist eine Illusion. Bei den Millionen von Mit wirkenden – Waldbesitzern wie Jägern – kann man nicht erwarten, dass die alle vernünftig sind. Die Probleme, die wir haben, werden von einigen wenigen Narren verursacht, die die Verbände instrumentalisieren, weil sie unfähig oder Unwillens sind, die Konflikte auf der Fläche zu lösen. Das kann uns allen zum Schaden gereichen.
Guttenberg: Es gibt da schon ein paar, die gerne und beständig Öl ins Feuer gießen. Da verlässt mich der Humor, weil ich das Eigentum und dessen Rechte gefährdet sehe, wenn dieser Konflikt andauert. Bei bestimmten Fraktionen hier in Berlin wird immer nur die Jagd diskutiert, und das nur, weil wir es zulassen, indem wir uns nicht einigen können.
Guttenberg: Die Semantik ‚Wald vor Wild’ halte ich für sehr ungeeignet, einen Konflikt zu lösen. Für mich präjudiziert diese Formulierung schon die Rechte der Eigentümer. Letztlich ist es doch meine Sache, wie viel Wild ich in meinem Wald will. Und wir wissen ja alle, was wir wollen: Angepasste Wildbestände, die eine Verjüngung ohne Zaun ermöglichen, und zwar Grund besitzer und Jäger. Wenn ich mich dazu nicht bekenne, ist der Konflikt schon da.
Guttenberg: Natürlich. Bisher habe ich mich bei diesem Thema zurückgehalten, weil ich weiß, was Rot-Grün noch alles in der Schublade hat. Wir haben nun mit dem DFWR-Positionspapier eine Einigung unter den Waldbesitzarten und Forstverbänden. Wir haben eine Chance, mit der amtierenden Bundes regierung die Reihen der Anspruchs träger zu schließen. Ich habe ein bisschen Angst davor, was in zwei Jahren (Anm. d. Red.: Bundestagswahl) passiert. Wenn wir uns bis dahin nicht geeinigt haben, können wir uns alle die Eselsmützen aufsetzen. Jetzt ist die Zeit für einen Dialog auf Bundesebene zwischen der nun geschlossenen Forstseite, Jägern, Landwirtschaft und Jagdgenossenschaften, eben den nachhaltigen Natur nutzern. Die Ergebnisse dieses Dialogs sollen dann als Anstöße für die Akteure vor Ort gelten.
Guttenberg: Die Jagd ist ein Eigentumsrecht, und das wollen wir uns nicht nehmen lassen. Wir haben in der Vergangenheit zu wenig in die Kommunikation investiert, um auf unser positives Handeln hinzuweisen, anders als Greenpeace, World Wide Fund For Nature (WWF) oder andere. Da haben wir durch Jahrzehnte geschlampt. Wir haben es da auch schwerer, weil wir die Nutzung der Natur verkaufen müssen, auch wenn diese nachhaltig erfolgt. Jagd ist nicht losgelöst von gesellschaftlichen Anforderungen und Wünschen. Egal, welchen Bereich der Natur sie nutzen, sie sind nie allein und stehen immer unter Beobachtung. Und damit müssen sie Verantwortung wahrnehmen. Diese Einsicht vermisse ich hier und da.
WuH: Bedarf es für die Jagd aus Ihrer Sicht einer höheren Legitimation oder kann sie als Selbstzweck bestehen?
Guttenberg: Persönlich brauche ich für Jagd überhaupt keine Legitimation, weil sie vor allem hier (zeigt auf sein Herz) stattfindet. Wenn eine politische Situation eine Legitimation der Jagd erfordert, muss ich sie allerdings parat haben. Wie gesagt, die Jäger sind nicht allein auf der Welt. Sie sind eine kleine Gruppe, besetzen ein sehr emotionales Thema und haben eine gesellschaftliche Verantwortung, ob sie wollen oder nicht. Und der müssen sie gerecht werden. Dazu gehört auch, sich zu öffnen. Die 350 000 Jäger in Deutschland dürfen sich nicht ein bilden, dass sie mit ihren Zielen weiterkommen, wenn sie dies nicht tun. Offenheit schafft gegenseitige Akzeptanz. Man muss mit allen den stän digen Dialog führen, und zwar vor allem in guten Zeiten mit der vermeintlichen Gegenseite.