ANZEIGE

Židlochovicer Gespräche 2015

2407


 

Zur 8. Internationalen Tagung „Jagd in Mitteleuropa – gemeinsame Wurzeln in der Vergangenheit, gemeinsame Probleme in der Gegenwart und gemeinsame Suche nach Lösungen für die Zukunft“, die im September im Tschechischen Schloss Židlochovice stattfand, trafen sich die Spitzenvertreter deutscher, österreichischer, slowakischer und tschechischer Jagdverbände.

Frank Herrmann Schloss Zidlochovice.JPG
Schloss Zidlochovice (Foto: Frank Herrmann)
„Jagd ist viel mehr, als die Regulation von Wildtierpopulationen.“
Die hohe jagdpolitische Wertigkeit und steigende Bedeutung dieser länderübergreifenden Veranstaltung mit der alle Länder Mitteleuropas bewegenden Thematik wurde in der Begrüßung durch den stellvertretenden Minister für Landwirtschaft der Tschechischen Republik, Dr. Martin Žižka hervorgehoben.
„Jagd als Natur- und Artenschutz. Anspruch, Argument oder These. Wie wird dieses Argument in der Öffentlichkeit wahrgenommen und was traut die Öffentlichkeit den Jägern zu?“
In einem Impulsvortrag analysierte WILD UND HUND-Chefredakteur Heiko Hornung den Anspruch „Jagd ist Naturschutz“, wie wird dieser in der Öffentlichkeit wahrgenommen und welche Strategischen Schlussfolgerungen lassen sich daraus ableiten. Seine Konfliktanalyse zeigte neue Denkanstöße in Richtungen auf, die deutlich von klassischen Denkschemen der Jäger und Jagdverbände abweichen.
„Jagd – mehr als ein Weg zur Natur“
Wildbiologe Dr. Hubert Zeiler ging in seinem Impulsvortrag auf das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt in verschiedenen Kulturen und dessen Wandlungen im Laufe der Geschichte ein. Die Prägung dieses Verhältnisses durch religiöse und ethische Vorstellungen, jüngst zunehmend durch die rasante Entwicklung der technischen Möglichkeiten und durch die veränderten Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Jagd und deren Ansehen und Stellung in unserer heutigen Gesellschaft.
„Jagd als aktive Förderung der Biodiversität in der Kulturlandschaft (von der gezielten Lebensraumgestaltung durch die Jäger zugunsten der jagdbaren Wildarten profitieren ganze Ökosysteme)“
Ausgehend von den sich ändernden Vorstellungen des Schutzes der Natur analysierte Dr. Peter Lebersorger (Generalsekretär der Zentralstelle Österreichischen Jagdverbände) die sich auf das Eigentum, auf die Landnutzer und damit auf die Jagd auswirkenden Veränderungen. Seine Analyse zeigt, dass die Entwicklung der Jagd als eine Methode der Landnutzung bei gleichzeitigem Schutz desselben durchaus auf der Höhe der Zeit ist, sich bereits entsprechend der gesellschaftlichen Gegebenheiten weiter entwickelt hat und bei nüchterner Analyse durchaus „gesellschaftsverträglich“ ist.
„Jagd als wirtschaftlicher Faktor – Schaffung beträchtlicher wirtschaftlicher Werte und Umsätze“
Dr. Michl Ebner, langjähriger Präsident der Intergruppe des Europäischen Parlaments für die nachhaltige Jagd und derzeit Präsident der Handels- und Landwirtschaftskammer in Südtirol, legte überzeugend dar, dass die in Europa aktiven 6,7 Millionen Jäger ob der von ihnen erfolgenden Ausgaben für allgemeine Rechtsaufgaben, für das Jagdrevier, für Ausrüstung, Reise- und Transportaufgaben, Hunde und diverse andere Sachen in Summe jährlich durchschnittlich 2 400 Euro pro Person, das entspricht insgesamt 16 Milliarden Euro pro Jahr als bedeutender Wirtschaftsfaktor und -motor anzusehen sind. Durch die Jagd werden nach statistischen Angaben aus 1995 in Europa fast 103 000 Arbeitsplätze gesichert, all dies zu mehr als 90 prozent durch auf Freiwilligkeit beruhendes Wirken der Jäger zum Schutz der Natur (Ökosystemleistungen). Das durch Jäger generierte Steueraufkommen beträgt auf europäischer Ebene mindestens 7 Milliarden Euro.
„Jagd als Bestandteil des Eigentumsrechts – Rechte und Pflichten versus Gratisnutzung durch Alle, private Walderhaltung versus schleichende Tendenz zur Enteignung“
In einem lebhaften und schonungslos offenen Impulsvortrag referierte der Präsident des Steirischen Jagdschutzvereines, Graf Franz Meran, zu „Eigentum, Eigentumsrechten und Jagd“. Seiner Analyse, dass die gegenwärtigen Angriffe auf die Jagd mit mehr oder minder offener Zielstellung von deren  Demontage bis hin zur Abschaffung nur Mittel und Zweck zum eigentlichen Angriff auf das Eigentum waren und sind, dass die Gefahr der Errichtung eines totalitären Naturschutzregimes besteht und dass an dieser Entwicklung selbst manche Kreise des Großgrundbesitzes aber auch der Jägerschaft nicht ganz unschuldig sind, ist nichts hinzuzufügen. Die von ihm gegebenen Hinweise und Empfehlungen wurden dankend von den anwesenden Jagdfunktionären aufgenommen.
„Jagd als Gewinnung eines wertvollen Lebensmittels – Wildbret als diätetisch hochwertiges Lebensmittel, das höchsten ethischen und ökologischen Anforderungen gerecht wird.“
Ausgehend von der Tatsache, dass die Jagd die aktuell wohl traditionellste Art der Naturnutzung ist, legte Dr. Miroslav Vodnansky die wachsende Bedeutung der Wildbretgewinnung als wesentliches Argument pro Jagd dar. Unabdingbare Forderung für die Gewährleistung der oben genannten Ansprüche sind und bleiben tierschutzgerechte Erlegung, richtige Versorgung des erlegten Wildes und maximale Beachtung aller geltenden Hygienevorschriften. Neben dem diätetischen Wert sollten auch ethischer und ökologischer Wert des Wildbrets zunehmend in den Focus gerückt werden. Die fortschreitende Sensibilisierung und die immer größeren Ansprüche der Konsumenten gerade im Hinblick auf die ethischen und ökologischen Aspekte der Lebensmittelgewinnung ist für die Jagd als Produzenten des reinen Naturprodukts Wildbret eine große Chance, die mehr als bisher genutzt werden sollte – denn in diesem Punkt liegt die Jagd im gesellschaftlichen Trend.
„Jagd und die Regulation der Wildbestände am Beispiel der Situation in der Tschechischen Republik“
Die Wildregulierung in der Tschechischen Republik bildete den Schwerpunkt des Impulsvortrages von Dipl.-Ing. Martin Žižka (Direktor der Sektion für Forst und Jagd im Tschechischen Landwirtschaftsministerium). Mehr als 316 000 Stück erlegtes Schalenwild, 256 000 erlegte Wildenten und 37 000 Hasen zeugen von der großen Passion der mehr als 93 000 Jäger des Landes. Zunehmend in den Focus werden gerückt Schwarz- und Sikawild ob ihrer auch in Tschechien explodierenden Bestände und Sikawild zudem aufgrund Gefahr der Hybridisierung mit Rotwild. Auch wenn sich in Tschechien aktuell die Situation für Jagd und Jäger noch relativ entspannt darstellt, werden die sich in den anderen mitteleuropäischen Ländern vollziehenden jagdpolitischen Änderungen sehr ernst genommen und es wird davon ausgegangen, dass diese in relativ kurzer Zeit auch gravierende Auswirkungen in Tschechien haben werden.
„Jagd als Kulturerbe in Mitteleuropa“
Der Schweizer Schriftsteller, Jäger und Philosoph Alexander Schwab referierte zur Jagd als Kulturerbe und hob besonders die positiv besetzten Begriffe, wie Tradition, Heimat, Handwerk und Naturverbundenheit hervor. All diese Begriffe müssen verstärkt Einzug ins Gedächtnis der nichtjagenden und oftmals in Unkenntnis über das wahre Wirken der Jäger lebenden Bevölkerung aller mitteleuropäischen Länder halten. Dazu sind alle Jäger, jagdlichen Organisationen, aber auch deren Partnerverbände verstärkt in die Verantwortung zu nehmen.
„Wer die Jagd auf nur das Töten von „Schädlingen“ im Interesse der Land- und Forstwirtschaft reduziert, übersieht dabei deren wichtigen Facetten, die in der Gesellschaft einen hohen Wert darstellen.“ – mit diesen Worten leitete Tagungsleiter Dr. Miroslav Vodnansky zu den Impulsreferaten mit jeweils anschließender Diskussion über.
In einer spannenden Podiumsdiskussion von Vertretern aller teilnehmenden Jagdorganisationen der einbezogenen Länder Mitteleuropas wurde resümierend festgestellt, dass es in Fragen der Weiterentwicklung des Jagdwesens zunehmend zu einer Internationalisierung auf Europäischer Ebene kommt, dass die sich speziell in Deutschland rasant vollziehenden Veränderungen binnen kürzester Zeit Auswirkungen auf das Jagdwesen im gesamten mitteleuropäischen Raum haben werden. Nunmehr kommt es darauf an, Positiva herauszuarbeiten und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sollten Fehlentwicklungen binnen kürzester Frist analysiert werden und Lösungswege zu deren Vermeidung oder sinnvoller Korrektur ebenso unter den jagdlichen Organisationen der beteiligten Länder ausgetauscht werden. Dass sich auch das Jagdwesen als dynamischer Prozess weiterentwickelt, das muss ebenso Einzug in die Köpfe der Jäger nehmen, wie diese gefordert sind, über ihr Wirken und mit ihrem Fachwissen alle anderen Naturnutzer und -schützer aufzuklären und diese möglichst in unser aller Interesse bei der Gestaltung der Zukunft der Jagd mitzunehmen.
Teilnehmer
Heiko Hornung (Chefredakteur WILD UND HUND),
Hartwig Fischer (Präsident des Deutschen Jagdverbandes),
Dipl. Ing. Steffen Liebig (Präsident LJV Thüringen),
Prof. Dr. Klär (Landesjägermeisterstellvertreter des Saarländischen Landesjagdverbandes),
Wolfram Hein (Vizepräsident LJV Sachsen-Anhalt),
Dipl.-Ing. Frank Herrmann (Geschäftsführer LJV Thüringen),
Dr. Ernst Albrich (Altlandesjägermeister des Landesjagdverbandes Vorarlberg),
DI Anton Larcher (Landesjägermeister des Tiroler Landesjagdverbandes),
Graf Franz Meran (Präsident des Steirischen Jagdschutzvereines),
Joseph Monz (Landesjägermeisterstellvertreter des Landesjagdverbandes Kärnten),
Werner Spinka (Landesjägermeisterstellvertreter des Landesjagdverbandes Niederösterreich),
Graf Gundaccar Wurmbrandt-Stuppach (Vizepräsident des österreichischen Grünes Kreuzes),
Dr. Peter Lebersorger (Generalsekretär der Zentralstelle Österreichischen Jagdverbände),
Mag. Christopher Böck (Geschäftsführer des Oberösterreichischen Landesjagdverbandes),
Mag. Andrea Rath (Geschäftsführerin des Steirischen Jagdschutzvereines),
Dr. Hubert Zeiler (Wildbiologe),
Dr. Michl Ebner (Präsident der Handels- und Landwirtschaftskammer in Südtirol),
Dr. Imrich Šuba (Vizepräsident des CIC, Generalsekretär der Slowakischen Jagdkammer und des Slowakischen Jagdverbandes),
Ing. Martin Žižka (Direktor der Sektion für Forst und Jagd im Tschechischen Landwirtschaftsministerium),
Ing. Josef Orlovsky (Geschäftsführer des Tschechischen Jagdverbandes),
Ing. Roman Urbanec, Ing. Josef Vlasek (Ratsmitglieder des Tschechischen Jagdverbandes),
Alexander Schwab (Jagd-Philosoph und Schriftsteller),
Tagungsleiter Dr. Miroslav Vodnansky
Frank Herrmann
Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Thüringen

 

 


ANZEIGE
Aboangebot