In einem Wildtierforschungsprojekt wurde das Jagdverhalten von Waschbären (Procyon lotor) in ausgewählten Naturschutzgebieten untersucht.
Erlegter Teichfrosch, dessen Bein lediglich gehäutet wurde. (Foto: Marion Valentin, ZOWIA)
Die Ergebnisse zeigen, dass die invasiven Raubtiere in bestimmten Gebieten eine bestandsbedrohende Auswirkung auf unterschiedliche, teilweise stark gefährdete Amphibien- und Reptilienarten haben.
Im Rahmen des ZOWIAC-Projektes wurde das Jagdverhalten von Waschbären in ausgewählten Naturschutzgebieten in Hessen sowie in Brandenburg und Sachsen-Anhalt erfasst „Wir konnten mittels modernster genetischer Analysemethoden eindeutig nachweisen, dass Grasfrösche (Rana temporaria), Erdkröten (Bufo bufo) und Gelbbauchunken (Bombina variegata) zu den Beutetieren von Waschbären zählen“, erklärt Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt . Ein Mageninhalt des Raubtieres aus einem Laichgebiet im Spessart habe vollständig aus Erdkrötengewebe bestanden. Fraßspuren um die Laichgründe hätten zudem darauf hingedeutet, dass Waschbären dazu fähig sind Erdkröten vor dem Verzehr zu häuten, um deren Giftdrüsen auszuweichen. In einem Naturschutzgebiet in Osthessen seien in einer Stunde über 400 gehäutete Kröten gezählt worden.
In weitergehenden Laboruntersuchungen an der Goethe-Universität konnte der Nachweis erbracht werden, dass Waschbären auch einheimische Schlangen erbeuten – in den Mageninhalten der Tiere wurden Gewebereste und Knochen von Ringelnattern (Natrix natrix) gefunden. Im Untersuchungsgebiet Rheingau-Taunuskreis fand das Team zudem eine während der Eiablage gefressene Äskulapnatter (Zamenis longissimus).
Beobachtungen von amtlichen und ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten würden zusätzlich darauf hindeuten, dass Bergmolche (Ichthyosaura alpestris), Wechselkröten (Bufotes viridis) und sogar Feuersalamander (Salamandra salamandra) auf dem Speiseplan der Waschbären stehen. „Insbesondere die letzten beiden Arten sind besonders geschützt und könnten bei einem massivem Fraßdruck durch den Waschbären innerhalb kürzester Zeit in bestimmten Gebieten so stark dezimiert werden, dass Populationen sich nicht mehr reproduzieren können und lokal verloren gehen“, stellt Klimpel fest.
ZOWIAC-Projektleiter Norbert Peter von der Goethe-Universität ergänzt: „Wir sehen einen Prädationsdruck auf geschützte Amphibien und Reptilien in bestimmten Gebieten, der für diese Arten teilweise bestandsbedrohend ist. Zwar sind die bestehenden naturschutzrechtlichen Vorgaben der EU und des Bundes geeignet, um Reptilien und Amphibien lokal in ihrem Bestand zu erhalten – doch stoßen diese an ihre Grenzen, wenn zusätzliche Bedrohungen hinzukommen. In diesem Kontext beeinflusst der Waschbär heimische Ökosysteme eindeutig negativ.“
Die Forschenden fordern, dass kontinuierliche und flächendeckende Daten zur Verbreitung, den Habitatsansprüchen, der (Nahrungs-)Ökologie und der Parasitierung erhoben werden, um zukünftige Auswirkungen und die fortschreitende Verbreitung von Waschbären und von anderen gebietsfremden Arten frühzeitig erkennen zu können. Schutzmechanismen und Schutzwerkzeuge zum Management invasiver Arten dürften nicht statisch sein, sondern müssten regelmäßig geprüft und angepasst werden, um dem übergeordneten Ziel – dem Schutz der Artenvielfalt – gerecht zu werden, so das Team.
„Es ist notwendig, neue Wege zu gehen und um staatliche Finanzierungshilfen für den Naturschutz sowie für bereits bestehende Projekte zu werben, damit bedrohte heimische Arten erhalten bleiben. Dabei reicht es nicht nur lokale Gebiete zu untersuchen. Wir freuen uns daher, dass das Verbundprojekt ZOWIAC zur Erforschung von Invasionsprozessen solcher gebietsfremden Fleischfresser und deren Auswirkungen auf heimische Ökosysteme nun auch den europäischen Raum in den Blick nimmt.
Erst kürzlich wurde die englischsprachige Webseite online gestellt, ebenso findet am 14. und 15. September die ZOWIAC-Konferenz () statt, um den Invasionsprozess zusammen mit Fachleuten verschiedenster Gebiete sowie einem interessierten Publikum zu erörtern“, schließt Klimpel.
PM/fh