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Pirschzeichen im Winter

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Schweiß auf Eis
Schnee ist nicht immer der viel besagte weiße Leithund. Warum er den Jäger auch täuschen und zu falschen Schlüssen verleiten kann, erklärt Schweißhundführer Stefan Mayer.

Seit zwei Tagen herrscht starker Frost. Über den Tag fiel ein herrlicher Pulverschnee. Die knapp 20 Zentimeter hohe Schicht bedeckt die Landschaft wie ein Leintuch. Traumhaft für einen Ansitz. Nach nicht einmal einer Stunde wechselt ein Überläufer auf den Wildacker. Als das Stück breit steht, lässt Michael die bewährte 8 x 57 fliegen. Kein Zeichnen, lediglich die schnelle Flucht in den Wald kann er noch sehen. Aber er ist gut abgekommen.
Das Stück wird in der nächsten Dickung liegen, ist sich der Jäger sicher. Nach einer guten Stunde geht er zum Anschuss. Trotz guter Lampe und Neuschnee findet er aber keinen Schweiß. Nur ein paar dunkle Borsten liegen auf dem Weiß, dahinter der deutliche Kugelriss. Bis an die angrenzende Fichtendickung folgt der verblüffte Schütze der gut erkennbaren Fährte: Bis dorthin ist immer noch kein Tropfen Schweiß auszumachen. Er bricht die Suche ab und versucht sich klarzumachen, dass er die Sau wohl knapp unterschossen hat. Es bleiben Selbstzweifel. Nach einer unruhigen Nacht ruft er einen Nachsuchenführer an, um Gewissheit zu bekommen.

Der erfahrene Schweißhund fällt wenig später die Fährte zuversichtlich an. Nach nur 300 Metern Riemenarbeit stehen Hund und Rüdemann an der verendeten Sau. Sie hatte einen astreinen Lungenschuss erhalten und dementsprechend geschweißt. Doch der Pulverschnee hatte die Pirschzeichen verschluckt. Ob Pulverschnee, Harsch, Raureif oder Schneematsch – jede Schneeart hat besondere Eigenschaften.
Wahre Experten in der Beurteilung von Schnee sind die Ski- und Wachshersteller, weil jede Temperatur und damit Kristallform einen anderen Ski-Schliff und anderes Wachs erfordern. Ganz so kompliziert ist es für den Jäger zum Glück nicht. Aber auch er sollte ein paar Grundlagen zur weißen Pracht kennen und beachten. Für ihn ist es besonders wichtig, wie gut Pirschzeichen, wie Schnitthaare, Knochenteile und Schweiß, zu erkennen sind.
Welche besonderen Schneeverhältnisse und Wettersituationen den Anschuss häufig falsch beurteilen lassen, zeigt Ihnen die folgende Übersicht.

Ein besonders trockener, leichter Pulverschnee. Benannt nach einer Gegend in den Rocky Mountains, wo diese Schneeart sehr häufig vorkommt. Diese tiefgründig haltlose Schicht verzahnt sich absolut nicht miteinander. Der Grund dafür liegt an den tiefen Temperaturen, bei denen die Schneeflocken entstehen. Dies sind keine typischen Sternkristalle, sondern kleine Plättchen. Der Schnee ist so trocken und leicht, dass er bei geringsten Windbewegungen verweht.

Die Folge: Fährten sind nur als Bahnen zu erkennen, weil der luftige Schnee sofort nachrutscht. Genauso verhält es sich auch mit Schweiß: Tropfen, die auf den Schnee fallen, tauen ein paar Kristalle an, werden dadurch noch schwerer und sinken in der luftigen Masse nach unten. Sogar kleinste Schweißspritzer sind dann kaum an der Oberfläche sichtbar. Schwere Pirschzeichen bleiben schon gar nicht darauf liegen. Lediglich die leichten Schnitthaare sind zu finden. Schwerere Borsten jedoch können ebenfalls ein paar Millimeter zwischen den Kristallen versinken. Der Wirbel, den das abspringende Stück verursacht, erzeugt nochmals weiteres „Verblenden“ der Pirschzeichen. Häufig ist rein gar nichts an der Oberfläche zu erkennen. Sogar der Kugelriss wird meist verschluckt.

Vorgehensweise: Den Anschuss genau lokalisieren. Oft ist er gut am aufgewirbelten Bereich zu deuten, an dem das Stück abgesprungen ist. Trägt man die Schneeschicht vorsichtig zentimeterweise ab, wird das eine oder andere Pirschzeichen zu Tage gefördert. Im Zweifelsfall sollte immer ein versierter Schweißhund die Angelegenheit kontrollieren. Für die Hundenase ist diese Schneeart kein Problem, weil sich die Duftpartikel im hohen Luftanteil des Schnees fangen und für den Vierläufer leicht zu wittern sind.

Gefahr: Der Anschuss wird nicht gefunden oder gar als Fehlschuss gewertet. Nur ein paar Haare oder Borsten und keinerlei weitere Pirschzeichen lassen den Jäger auf einen Streifschuss schließen.

Im Pulverschnee sinken Schweißtropfen oft durch. Hier liegen nur kleinste Tröpfchen auf der Oberfläche.

Feuchtschnee
Wird auch Pappschnee genannt, weil er unter Druck zusammenklebt. Er enthält sehr hohe Feuchtigkeit, jedoch lässt sich kein Wasser herauspressen. Es ist die häufigste bei uns vorkommende Schneeform. Fährten sind in der formbaren weißen Masse sehr gut sichtbar und teilweise so exakt und scharf wie in Gips gegossen. Der Schnee ist relativ schwer und dicht. Fallen Pirschzeichen auf diese Schicht, sinken sie kaum ein. Einzig massereiche Teile, welche ja die Temperatur des beschossenen Stückes besitzen, schmelzen den   darunterliegenden Schnee an und sind dann nicht auf, sondern immer noch gut im Schnee zu sehen. Schweiß taut den relativ warmen Feuchtschnee auch an und vermischt sich mit den angetauten Schneekristallen. Daher „blühen“ teilweise kleine Schweißtropfen zu recht großen Flecken auf. Dieser Schnee täuscht dadurch eine größere Schweißmenge vor.

Vorgehensweise: Gut sichtbare Pirschzeichen genau untersuchen. Nicht von der anscheinend großen Schweißmenge blenden lassen, sondern alle anderen Zeichen zur Treffertaxierung verwenden und dann die weitere Entscheidung fällen.

Gefahr: Die Schwere des Treffers wird überschätzt. Die deutlich sichtbare Fährte wird in der Annahme verfolgt, das Stück müsse ja gleich liegen. Aber: Der anfänglich diagnostizierte Kammerschuss mit Lungenschweiß entpuppt sich auf den zweiten Blick als Laufschuss mit Knochenmark im spärlich vergossenen Schweiß. Das beschossene Stück wird aufgemüdet, die Nachsuche unnötig erschwert.

Auch Sulzschnee genannt. Schwere, nasse Masse, die zusammenklebt. Unter Druck lässt sich Wasser herauspressen. Trotz des hohen Wasseranteils in diesem Weiß, sind Fährten
sehr gut sichtbar und auch scharf abgezeichnet. Bei diesen kann man sogar feststellen, ob sie frisch oder älter sind. Ist der Schalenabdruck wie eine Sohle durchgefroren, ist die Fährte alt. Frische Fährten sind in aller Regel nur verdichtet aber nicht hart. Pirschzeichen sind auf dem Sulzschnee sehr gut zu erkennen. Schweiß „blüht“ noch stärker als beim Pappschnee auf. Das kann dazu führen, dass der Schweißtropfen um das Zehnfache vergrößert sichtbar wird. Die rote Farbe geht dabei zu einem leicht grünlichen Schimmer über. Nach einigen Stunden hat das freie Wasser im Schnee die Farbe des Blutes  verwässert und nach unten befördert. Manchmal ist am nächsten Tag nur noch der grünliche Fleck auf dem Schnee sichtbar. Einen Zentimeter unter der Oberfläche ist dann häufig doch noch mehr zu erkennen. Die weiteren Bestandteile des Schweißes, wie winzige Organteile, Verdauungsreste oder Knochenmark, liegen wie separiert auf der Schneeoberfläche.

Faulschnee

Ein Gemisch aus Wasser und Schnee. Auch Schneematsch genannt. Die Masse ist derart flüssig, dass Fährten oder Spuren nach einiger Zeit fast vollständig verschwunden sind,
weil die hohe Wassermenge im Schnee die Oberfläche mit der Zeit egalisiert. Feste Pirschzeichen sind meist trotzdem gut zu finden, sinken aber durch die Geschwindigkeit des
Aufpralls ein. Flüssige Pirschzeichen werden sehr schnell verdünnt und sind nur kurz zu erkennen. Allein schon aufgrund der höheren Dichte, sinkt Blut im Wasser ab. Im Schneematsch ist dies gut zu beobachten. Das Verwaschen ist derartig stark, dass  beispielsweise bei einem Leberschuss nach kurzer Zeit nur noch die winzigen Leberbestandteile auf dem Schnee sichtbar sind und der restliche Schweiß total verschwunden ist.

Vorgehensweise: Die Suche nach dem Anschuss sollte nicht allzu lange aufgeschoben werden. Anfangs ist alles noch gut sichtbar. Wird der Anschuss abends nicht mehr gefunden, ist am nächsten Morgen zumindest der Schweiß kaum mehr zu erkennen. Hier gilt es dann, nach den anderen Pirschzeichen, die den Treffersitz meist besser beschreiben,
Ausschau zu halten. Wird nichts gefunden, ist der firme Schweißhund die beste Wahl. Denn der Schneematsch ist für die Hundenase keine Schwierigkeit.

Gefahr: Ähnlich wie bei Pulverschnee ist bei Faulschnee die Gefahr groß, dass aufgrund des anscheinend fehlenden Schweißes der Anschuss nicht gefunden oder der Treffer als
Streifschuss abgetan wird.

Vorgehensweise: Da das „Aufblühen“ bei dieser Schneeart am stärksten vorkommt, ist eine genaue Trefferanalyse wichtig. Der sehr gut sichtbare Schweiß sagt hier jedoch am wenigsten etwas über den Treffer aus. Schnitthaare und weitere Pirschzeichen helfen deutlich weiter. Sie sollten zunächst kritisch betrachtet werden, bevor der Schweißautobahn“ gefolgt wird.

Gefahr: Gerade bei diesem „Leithund“ ist das Vorgaukeln
eines guten Treffers extrem häufig. „Schweiß wie gegossen, aber wir finden das Stück nicht“, lautet dann oft die Aussage des ratlosen Schützen beim Schweißhundführer. Insbesondere bei Nassschnee ist die Gefahr enorm groß, dass die Stücke aufgemüdet werden. Wird der Anschuss wiederum erst am nächsten Tag gefunden, kommt es zu einer Verlagerung des Schweißes in tiefere Schichten. Das führt dann häufig dazu, dass von einem „leichten“ Treffer ausgegangen und mit der Aussage „das verheilt schon, bei so wenig Schweiß“ die notwendige Nachsuche nicht durchgeführt wird.

Harsch
Überfrorener Schnee. Die Dicke der Harschschicht ist von der Entstehung abhängig und kann von einigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern reichen. Häufig ist die oberste
Schneeschicht angetaut und aufgrund kälterer Temperaturen wieder gefroren. Auch Regen, der auf sehr kalten Schnee fällt, kann zu einer Harschschicht führen. Auf dünnem Harsch sind Fährten gut sichtbar, weil das Wild in den Schnee einbricht. Ist der Harsch wiederum dicker, läuft das Wild darüber, ohne einzubrechen. Dann sind Fährten nicht  wahrzunehmen. Pirschzeichen dagegen liegen auf dem Harsch wie auf einem Silbertablett. Härtere Pirschzeichen wie Knochensplitter werden auf der häufig glatten Oberfläche etwas weiter verteilt. Die auf den Harsch fallenden Schweißtropfen zerplatzen beim Auftreffen und werden zu vielen kleineren Tröpfchen, die sofort mit der kalten Oberfläche zusammenfrieren und aufblühen.

Kein Schweiß, sondern nur Dreck und Borsten aus der Schwarte auf dem Harsch. Der Schuss saß im Leben.

Was beeinflusst die Aussage des weißen Leithundes noch?

Alter des Schnees
Die Dichte des liegenden Schnees nimmt im Laufe der Zeit zu, weil er sich setzt. Das wird durch ein dichteres Aneinanderrücken der Kristalle aufgrund ihres Eigengewichtes  verursacht. Aber auch durch eine Veränderung der Kristallform wird die Schneemasse dichter – die Luftmenge im Schnee nimmt ab. Pirschzeichen werden dadurch nicht mehr
verschluckt wie beim Pulverschnee. Durch häufiges Auftauen und erneutes Gefrieren wird die Struktur allmählich immer sandähnlicher, bis schließlich ein Firn entsteht. Diese grießartige Masse ist für das Finden von Fährten und Pirschzeichen ganz gut geeignet. Lediglich Schweiß umhüllt die Schneekörner und vergrößert dadurch, wie so häufig bei
Schnee, seine Oberfläche und blendet etwas.

Starker Frost
Liegen die Temperaturen unter -10 Grad Celsius, gefriert Schweiß schon auf dem Weg zum Boden. So kann es sein, dass die Tropfen beim Auftreffen schon vereiste Blutkugeln sind. Gerade bei Champagne Powder oder Pulverschnee verschwinden diese Kugeln vollständig im Schnee. Bei Starkfrost gilt es auch zu bedenken, dass plötzlich aussetzender Schweiß in
der Fährte nicht auf eine plötzliche Heilung des Stückes zurückzuführen ist, sondern
durch die tiefen Temperaturen der austretende Schweiß teilweise schon in der Decke oder Schwarte gefriert und gar nicht mehr heruntertropfen kann. Ein weiteres Phänomen bei extrem tiefen Temperaturen ist das „Schockgefrieren“ von Schweiß. An Vegetation oder Ästen abgestreifter Schweiß gefriert so blitzartig, dass er dadurch nicht rot, sondern hellorange aussieht. Diese Pirschzeichen werden dann, weil so ungewöhnlich,
häufig übersehen.

Regen
Regen auf Schneeschichten kann zwei verschiedene Auswirkungen haben.
1. Bei sehr tiefen Temperaturen entsteht eine Eisschicht, die mehrere Zentimeter dick sein kann. Mit der Folge, dass alles mit Eis überzogen und somit selbst für eine geschulte
Hundenase schwer wahrzunehmen ist.
2. In aller Regel verursacht Regen auf Schnee eine Veränderung der Schneeart. So wird dann aus Pulverschnee ein Feuchtschnee. Regnet es weiter, wird daraus ein Nassschnee bis hin zum Faulschnee. Die Eigenschaften und Gefahren sind dabei entsprechend  zu beachten. Allerdings kommt es durch den Niederschlag zu einer sehr schnellen Verlagerung des Schweißes im Schnee nach unten. Teilweise wird der Schweiß bis zu 30 Zentimeter in die Tiefe verschoben.

Wind
Starker Wind führt zu Schneeverwehungen. Gerade bei leichtem Schnee ist die Gefahr groß, dass dadurch Fährten und Pirschzeichen nicht mehr gefunden werden. Aber auch bei Harsch kann der Wind täuschend wirken, weil er Schnitthaare weit über die glatte Oberfläche verträgt und so der Anschuss teilweise nicht genau lokalisiert werden kann.

Selbst am nächsten Tag sind Schweißspritzer auf dem verharschten Schnee noch gut erkennbar.
Abgestreifter Schweiß (auf Buchenblatt) kann so hell wirken, dass er nicht wahrgenommen wird.

Vorgehensweise: Bei dünnerem Harsch ist der Anschuss schon aufgrund der sichtbaren Fährten gut zu finden. Bei dickeren Schichten kann es möglich sein, dass die Fährte nicht erkennbar ist. Allerdings sind auf der harten Oberfläche die Pirschzeichen gut sichtbar. Ein leichtes Aufblühen von Schweiß ist durch das Zerplatzen der Tropfen möglich. Daher sind die weiterführenden Pirschzeichen auch hier genau zu analysieren. Selbst am nächsten Tag sind die Anschüsse noch fast unverändert vorzufinden. Daher ist bei Harsch keine Eile geboten. Gefahr: Wenn die gut sichtbaren Pirschzeichen genau bestimmt werden, ist der Harsch ein guter „Leithund“. Lediglich der hastige Blick kann durch die vermeintlich großen
Schweißtropfen den Schützen einen falschen Schluss ziehen lassen. Aber grundsätzlich ist der verharschte Schnee fast wie ein Leintuch und eine sehr unproblematische Schneeform für die Anschussbeurteilung.

Schlussfolgerung
Schnee, der weiße Leithund, kann uns bei der Jagd stark unterstützen, weil wir Dinge erkennen, die wir ohne Schnee nicht wahrnehmen würden. Allerdings muss jedem Jäger
bewusst sein, dass der Schnee uns mindestens genauso oft in die Irre führen kann. Die Palette reicht vom Vortäuschen von Kammertreffern bis zu vermeintlichen Fehlschüssen.
Aber immer nur dann, wenn sich der Waidmann die genauen Eigenschaften des Schnees nicht vor Augen hält, nur nach Schweiß schaut und dabei die weiteren Pirschzeichen
vernachlässigt. Gerade im Schnee ist es wichtig, alle gebotenen Pirschzeichen zu beachten und den Schweiß sowie dessen Menge richtig einzuschätzen. Was die Pirschzeichen
wirklich sagen, zeigen Ihnen Nachsuchenexperten deutschlandweit bei Anschuss-Seminaren.


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