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Praktische Wildbrethygiene

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FOTO: MICHAEL MIGOS

Seit die Europäische Union neue Hygienerichtlinien erlassen hat, warten die Jäger auf eine Verordnung, die den Umgang mit Wildbret neu regelt. Veterinär Dr. Volker Döring beschreibt in zwei Teilen aus seiner Praxis als amtlicher Tierarzt und als Jäger, auf was
die grüne Zunft bei der Gewinnung von Wildbret als Nahrungsmittel künftig achten muss.

Die Umsetzung der neuen Fleischhygiene-Verordnung in der Praxis ist für jeden Jäger machbar. Ziel ist es, dem Verbraucher ein hygienisch einwandfreies Produkt anzubieten.
Nur dafür kann der Jäger einen guten Preis verlangen. Qualitativ hochwertiges Wildbret entsteht erst durch die richtige Behandlung. Natürlich kann jeder mit dem von ihm erlegten Wild machen, was er will, wenn er es im eigenen Haushalt verwertet. Dies geschieht aber nach offiziellen Erhebungen nur in einem Drittel der Fälle – Tendenz fallend.

Demnach kommt das Wildbret zum überwiegenden Teil in die Lebensmittelkette. Entweder wird es in der Decke oder zerwirkt verkauft. Letztere Form der Vermarktung nimmt zu, da der Kleinverbraucher mit einem Stück in der Decke oder Schwarte nichts anfangen kann. Erlegtes Wild, das in die Lebensmittelkette kommt, sollte genauso behandelt werden wie geschlachtetes Nutzvieh. Am Beispiel eines Ansitzes soll erläutert
werden, wie Wildbret nach der neuen Verordnung sauber gewonnen wird:
Wildbrethygiene beginnt bereits vor dem Schuss. Das jagdbare Stück machte einen gesunden Eindruck, nachdem es breit stand, beschießt es der Jäger. Mit einem sauberem Kammerschuss bricht das Stück nach kurzer Todesflucht zusammen. Es sei hier angemerkt: Nur der Kammerschuss garantiert einen schnellen Tod und vor allem gutes Ausschweißen. Da bereits nach 30 bis 45 Minuten der Darm undicht wird und Bakterien in das Wildbret eindringen, ist Eile geboten. Das Stück ist unmittelbar nach dem Aufbrechen
so aufzubewahren, dass es gut auskühlen und in den Körperhöhlen austrocknen kann. Für Kleinwild (Hase, Kanin, Federwild) gilt dies entsprechend, nur lässt hier der Gesetzgeber das vorherige Ausweiden weg. Dies muss erst zum Zeitpunkt der Abgabe erfolgen, was eigentlich inakzeptabel ist. Kleinwild muss spätestens am Ende des Jagdtages ausnommen
worden sein. Je früher desto besser. Schalenwild muss „alsbald“ nach dem Erlegen auf eine Innentemperatur von höchstens 7°C (Kleinwild auf eine Innentemperatur von höchstens 4°C) abgekühlt sein. Erforderlichenfalls ist das erlegte Wild dazu in eine geeignete Kühleinrichtung zu verbringen. Es ist sehr bedauerlich, dass der Gesetzgeber hier sehr
unpräzise formuliert hat. Was bedeutet „alsbald“? Die Mechanismen des Fleischverderbs
bei Schalenwild laufen genauso ab wie bei Nutzvieh. Analog hierzu ist Wild innerhalb von 45 Minuten aufzubrechen. Dass erlegtes Wild nicht in jedem Fall in eine geeignete Kühleinrichtung muss, sondern dies quasi abhängig von der Außentemperatur gemacht wird, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen wird die vorgeschlagene Innentemperatur
von maximal 7 ° C für Großwild nicht nur von mir als zu hoch erachtet, da bei dieser Temperatur immer noch eine Bakterienvermehrung stattfindet. Es ist ratsam, auch Schalenwild auf eine Innentemperatur von 4 ° C herunterzukühlen. Abweichend von vielen Vorschlägen wird in meinem Revier folgende Methode angewandt: Wir lüften das Wild sofort nach dem Erlegen: Die Bauchhöhle wird vor dem Becken geöffnet und der Schnitt bis
zur Brustbeinspitze fortgesetzt. Wir entnehmen ausschließlich das große Gescheide (also der Magen-Darm-Trakt). Träger und Kammer bleiben geschlossen. Besondere Sorgfalt bei diesem ersten Schritt ist bei männlichen Stücken nötig. Rute oder Pinsel sind nicht nur in der Brunft oder Rausche großzügig zu umschärfen, damit Drüsensekret nicht mit Wildbret in Berührung kommt. Anderenfalls gibt es Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen.

Die Haut über dem Schloss und das Schloss selbst bleiben geschlossen, damit die besten Wildbretstücke beim Bergen nicht verschmutzt werden. Dies ist in Österreich, Slowenien und Polen schon lange gängige Praxis. Den Enddarm und die Blase umschärft man vom Waidloch her oder man belässt sie bis zur endgültigen Versorgung in der Wildkammer im Tierkörper. Vor dem Becken wird der Waiddarm ausgestreift, abgetrennt und verknotet. Den Abschluss der Erstversorgung bildet ein kreisbogenförmiger Schnitt am Zwerchfellansatz, um die Kammer zu öffnen. Ein leichtes Anheben des Stückes am Träger
ermöglicht das Ausschweißen aus der Brusthöhle. Das Bergen des Wildes sollte jetzt so rasch wie möglich erfolgen. Körperwarme Stücke haben dabei absolut nichts in luftdichten Säcken verloren. Dazu gehört auch der Rucksack mit Schweißeinlage. Hier verhitzt das Wild in kürzester Zeit! Das Bringen sollte so erfolgen, dass der geöffnete Wildkörper nicht verschmutzt. Das Wild wird in einer Wildwanne im Fahrzeug zügig zur Wildkammer gebracht. Auch im Kofferraum kann Wild bei hohen Außentemperaturen rasch verhitzen.
Im Vorraum der Wildkammer wird das Stück mittels eines Spreizhakens an den Hinterläufen gehesst und das Aufbrechen fortgesetzt.

Mit einem Schnitt wird Decke und Muskulatur über dem Schloss aufgeschärft und das Becken mit einer Knochensäge geöffnet. Danach erfolgt die Entnahme der Beckenorgane ohne Verletzung der Harnblase. Es folgt das Öffnen der Kammer, in dem der erste Schnitt einfach nach unten bis zum Haupt verlängert wird. Bei älteren und größeren Stücken muss auch hier die Knochensäge zum Einsatz kommen. Nun werden Niere, Leber, Lunge, Herz, Luftröhre mit Speiseröhre in einem Zug entnommen. Nach Begutachtung ist die Lagerung der essbaren Innereien (Aufbruch) in kaltem Wasser im Kühlraum zu empfehlen. So bleiben sie frisch und trocknen nicht aus. Nun werden die Körperhöhlen mit sanftem Wasserstrahl (Sprühstrahl) von Verunreinigungen und Schweiß befreit.

Ausgehend davon, dass die Decke und besonders die Schwarte bei Sauen der unhygienischste Teil des Wildes ist, kommen bei mir nur abgehäutete Stücke in den Kühlraum (Ausnahme bei großen Drückjagdstreckenstrecken). Ausschließlich beim abgehäuteten Stück ist der Schaden zu erkennen, den die Kugel beim Wildbret angerichtet hat. Ein- und Ausschuss sowie Blutergüsse sind großzügig zu entfernen. Sollte man überhaupt eine Chance haben, Wildbret rauschiger oder brunftiger Stücke für den Eigenverbrauch zu retten, dann müssen diese so rasch wie möglich abgeschwartet bzw. aus der Decke geschlagen werden, da Schwarte und Decke die Hauptträger des typischen
Brunft-/Rauschgeruches sind. Im Kühlraum möglichst abgehäutete und nicht abgehäuteten Stücke trennen. Der Gesetzgeber gibt sich hier großzügig, indem der formuliert, dass abgehäutetes Wild ein nicht abgehäutetes Stück nicht berühren darf. Da das Abhäuten von noch warmen Stücken bekanntlich zügiger geht und die Stücke viel schneller auskühlen, favorisiere ich diese Methode in Anlehnung an die Schlachtpraxis von Nutzvieh. Nur aus der Decke geschlagene Stücke in die Wildkammer! Auch Gaststätten hängen Wild in der
Decke niemals in ihren Lebensmittelkühlraum. Wildhaare neben Sahnetorten: undenkbar! Schon aus diesem Grund wünschen sich alle mir bekannten Gaststätten Wild ohne Decke, am liebsten grob zerwirkt.

Ein Großteil des erlegten Wildes kommt in den Handel, deshalb ist ein gewisser Hygienestandard bei der Produktion von Wildbret notwendig. In unmittelbarer Nähe zum Revier muss deswegen eine Wildkammer zur Verfügung stehen. Sofern Wildfleisch gewonnen (also zerwirkt) wird, muss sie aus drei Teilen bestehen:
1) Einem Vorraum, in welchem das erlegte Wild fertig aufgebrochen und mit Trinkwasser gereinigt und bei geplanter Wildbretgewinnung eventuell auch abgehäutet wird.
2) Einem Kühlraum (mit Umluftkühlung).
3) Einem Zerlege- oder Zerwirkraum; dieser ist nicht notwendig, wenn erlegtes Wild ausschließlich in der Decke, Schwarte, Balg verkauft wird. Wildkammern müssen von einer „kundigen“ Person betrieben werden und sind bei der zuständigen Behörde (Veterinäramt) anzumelden (einmalige Registrierung formlos per Postkarte, E-mail oder Fax). Es ist davon auszugehen, dass die Veterinärämter den Hygienestatus der Wildkammer früher oder später überprüfen.Fußböden, Wandflächen, Decken, Türen sollten hell sein, damit Schmutz
leicht entdeckt werden kann. Außerdem ist leichte Reinigungs- und Desinfektionsmöglichkeit von Vorteil. Die beste Lösung sind daher hell geflieste Räume,
aber es gibt auch Alternativen, die preiswerter sind. Für glatt verputzte Räume bietet sich das Santile-Anstrich-System an. Es wurde speziell für Räume, in denen Lebensmittel verarbeitet werden, entwickelt (Info: www.seilo.de). Vor den Fenstern müssen von außen Insektengitter angebracht werden. In den Zerwirkraum gehört eine Waschgelegenheit mit
Warm- und Kaltwasser. Zur Reinigung der Räume sollte ein separater Wasseranschluss
mit Schlauch zur Verfügung stehen. Statt Handtüchern aus Stoff finden besser Papierhandtücher aus einem Handtuchspender Verwendung. Einrichtungsgegenstände und Arbeitsgeräte, wie ein Zerlegetisch, Schneidbretter, Sägen, Messer, Behältnisse müssen
aus korrosionsfestem, ungiftigem und leicht zu reinigendem Material sein. Da Holz diese Bedingungen nicht erfüllt, hat dieses Material nichts in einer Wildkammer verloren! Die notwendigen Utensilien erwirbt man am besten im Fleischereihandel. Dort wird man kompetent beraten und erhält Qualitätsware. Dass die Wildkammer mit guter Beleuchtung
ausgestattet sein muss, ist selbstverständlich. Wer Wildfleisch zerwirkt verkaufen will, wird um die Anschaffung eines Vakuumiergerätes nicht herumkommen, da zerlegtes Wild nur
umhüllt und verpackt an den Verbraucher abgegeben und zum Kunden transportiert
werden darf.

Unfallwild
Verkauf ausgeschlossen Unfallwild hat in Zukunft nichts in der Lebensmittelkette zu suchen. Es ist untauglich als Lebensmittel! Wird das Wild bei einem Unfall verletzt und wird bei einer Nachsuche (also noch lebend) erlegt, so war das Tier krank vor der Erlegung.
Es muss eine amtliche Fleischuntersuchung durchgeführt werden. Wichtig: Bei allen Stücken, die vom Veterinär untersucht werden, weil sie bedenkliche Merkmale aufweisen oder krank waren, muss der Aufbruch mit vorgezeigt werden. Ähnlich verhält es sich mit Stücken, die bei Nachsuchen erst nach Stunden verendet gefunden werden. Sie dürfen
streng genommen nicht mehr in den Handel gelangen oder abgegeben werden. Denn bereits zwei Stunden nach Eintritt des Todes ist die Bakterienvermehrung derart weit fortgeschritten, dass das Wildbret aus Fleischhygiene-Sicht nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet ist. Ein Fleischuntersuchung ist ratsam. Wer das Stück nicht mehr selbst essen will, sollte dieses auch nicht verkaufen.

Dringender Rat bei der Anschaffung von Vakuumgeräten: keine „Spielzeuggeräte“
kaufen, die heute überall angeboten werden! Ein häufiges Problem beim Vakuumieren,
zum Beispiel von Rehrücken, sind die spitzen Knochen der gekappten Rippen, die die Vakuumbeutel durchbohren. Die Lösung: Peach- treat-Papier. Der Rehrücken wird zuerst damit eingewickelt und dann vakuumiert. Eine Be- und Verarbeitung von Wildbret
zu Würsten, Schinken und Pasteten zum Verkauf ist in der Wildkammer nicht zulässig!
Nach dem Aus-der-Decke-schlagen, dem Abschärfen des Hauptes und der Läufe an den Sprunggelenken wird das Stück nochmals mit Trinkwasser ohne großen Druck abgebraust, um es von Verunreinigungen endgültig zu befreien. Nach kurzem Abtrocknen wird das Stück in den Kühlraum verbracht und dort wiederum an den Hinterläufen gehesst und mit leicht gespreiztem Becken aufgehängt. Jede andere Form des Aufhängens, sei es am Haupt oder Vorderläufen, ist auf Grund der Anatomie des Schalenwildes der schlechtere Weg.
Das abschließende Abbrausen verhindert das zu schnelle Abtrocknen des Wildbrets. Da Wild ohne Decke sicher schneller austrocknet, sollte es nicht erst nach 6 bis 7 Tagen Abhängezeit, sondern bereits nach 3 bis 4 Tagen zerwirkt werden. Das geschieht im Hängen im Zerlegeraum. Die einzelnen Portionen werden danach gleich vakuumiert, beschriftet (mit Einfrierdatum auf der Verpackung!) und wieder für einige Tage im
Kühlraum (in Plastikwannen wie z. B. Eurokisten) eingelagert. Auch der Transport
von Wildbret muss verpackt geschehen. Erst danach werden die Portionen eingefroren oder frisch verkauft. Diese Methode garantiert eine optimale Fleischreifung ohne Austrocknung.
Dem Käufer Ihres gefrosteten Wilbrets empfehlen Sie bitte, es nach dem Auftauen sorgfältig mit kaltem Trinkwasser abzuwaschen. Durch das Vakuumieren und Frosten kommt es zum Austritt von geringen Mengen Fleischsaft mit Schweiß, die nach dem Auftauen leicht muffig riechen.
Teil 2 der praktischen Wildbrethygiene beschäftigt sich mit der Versorgung des Wildbrets bei schlechten Treffern, mit der Problematik der Verwertung von Nachsuchen- und Drückjagdwild, der Niederwildversorgung, der kundigen Person sowie den Abgabemodalitäten von Wildbret.

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