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Sichere Wirkung

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BÜCHSENPATRONEN AUF DEM PRÜFSTAND
Bleifreie Laborierungen haben die Frage aufgeworfen: Wie sicher tötet Jagdmunition? Ein neues Prüfverfahren soll gesetzlich verankert werden, um dem Jäger zukünftig mehr Sicherheit zu geben – egal ob mit „Blei“ oder „Bleifrei“.
Bernd Helbach

Fotos: wikipedia, Aimed Research, Hersteller

Alle Jäger kennen die Maßstäbe für Büchsengeschosse von der Jagdausbildung: bei Seehunden und Rehwild auf 100 Meter (m) eine Energie von mindestens 1 000 Joule (J), für anderes Schalenwild mindestens ein Geschossdurchmesser von 6,5 Millimetern (mm) und eine Energie von 2 000 J auf 100 m. Diese Energie errechnet sich jeweils aus der Masse mal das Quadrat der Geschwindigkeit. Wie das Geschoss tatsächlich im Wildkörper wirkt, bleibt völlig unbeachtet, genauso ob ein Vollmantel-, Teilmantel- oder Deformationsgeschoss verwendet wird. Hauptsache es erfüllt die derzeitige gesetzliche Mindestanforderung. Nach der geltenden Richtlinie fiel damals auch die alte Försterpatrone, 9,3 x 72 R, durch das Raster für stärkeres Schalenwild, obwohl der jahrelange Einsatz zeigte, dass sie sich selbst für starke Keiler eignete – zumindest auf kurze Distanzen.
Der Vorwurf an bleifreie Munition, sie töte nicht zuverlässig, hat die Diskussion um die Geschosswirkung neu entfacht. Die Feldversuche mit bleifreier Munition zeigten: manche wirken, manche nicht – trotz ausreichender Energie. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung beauftragte den Schweizer Dr. Dr. Beat Kneubuehl, zusammen mit der Deutschen Versuchs- und Prüf-Anstalt für Jagd- und Sportwaffen e. V. (DEVA) und dem Beschussamt Ulm einen Entwurf einer Technischen Richtlinie für Jagdgeschosse (TRJ) zu erarbeiten. Das Team will das alte Modell mit Vorschriften ergänzen.
„Die Wirksamkeit des Projektils soll für die Tötungswirkung entscheidend sein – also wie viel Energie pro Zentimeter Eindringtiefe an den Wildkörper abgegeben wird, nicht wie hoch sie zum Zeitpunkt des Auftreffens ist“, sagt Ingo Rottenberger, Geschäftsführer der DEVA. Um Richtwerte für die Wirksamkeit festzulegen, griffen die Experten auf Erfahrungswerte mit erfolgreicher, auch verbleiter Munition zurück.
Es stellten sich dabei folgende Werte heraus: Geschosse für Rehwild sollen innerhalb der ersten 12 Zentimeter (cm) im Wildkörper während mindestens 3 cm eine Energie von 80 J/cm abgeben. Bei allem stärkeren Wild soll das Projektil innerhalb der ersten 15 cm im Wildkörper während mindestens 4 cm 125 J/cm in das Stück einbringen. Auch Flintenlaufgeschosse wurden untersucht. Für sie soll gelten, dass sie 125 J/cm während mindestens 3 cm innerhalb der ersten 12 cm Eindringtiefe auf einer Schussdistanz von 35 m abgeben. „Diese Werte müssten innerhalb der ersten drei Jahre überprüft und eventuell angepasst werden“, so Rottenberger. Durch die TRJ würde für jedes Projektil eine minimal erforderliche wundballistische Grenzgeschwindigkeit (WGG) ermittelt. Wird das Projektil langsamer als diese Geschwindigkeit, spricht es im Wildkörper nicht mehr ausreichend an und hinterlässt zu wenig Schaden. Lange Nachsuchen mit ungewissem Ausgang wären die Folge. Um die WGG im Versuch zu ermitteln, wurden die Testgeschosse aus genormten Messläufen auf 15 m entfernte Seifenblöcke geschossen. Die Pulvermengen wurden so lange reduziert, bis für das jeweilige Projektil keine ausreichende Wirksamkeit mehr festgestellt wurde. Damit ließ sich für die Ballistiker hochrechnen, ab welcher Entfernung eine Werkslaborierung ihre Wirkung verliert. Es hört sich im ersten Moment gut an: Die Tötungswirkung der Geschosse soll normiert werden, sodass sich der Waidmann sicher sein kann, immer mit brauchbarer Munition auf Wild zu schießen – unabhängig davon, ob sie Blei enthält oder nicht. Das verspricht Sicherheit. Doch gleichzeitig zeigt es Schwachstellen der Munition auf: Bedingt durch den stetigen Geschwindigkeits- und Enegieverlust des Projektils im Flug, muss nach der TRJ zukünftig angegeben werden, bis zu welcher Distanz mit der Munition tierschutzgerecht getötet werden kann. Als Beispiel steht unter anderem im Abschlussbericht, dass die Brenneke „TUG“ im Kaliber .308 Win. bei einer wundballistischen Grenzgeschwindigkeit von 640 m/s bis zu akzeptablen 180 m, die RWS „Bionic Black“ (WGG: 700 m/s) im gleichen Kaliber aber nur bis 100 m eingesetzt werden kann. Diese Einsatzdistanzen sollen, wenn es nach der Studie geht, zukünftig auf der Munitionsschachtel angegeben werden. „Allerdings sollten kürzere Messläufe genutzt werden“, fügen Claudia Elbing und Michael Schmid hinzu. Das haben die WuH-Experten schon nach ihrem Test bleifreier Munition gefordert (s. WuH 6/2013, S. 56 ff.). Denn mit einer Länge von 60 cm (65 cm bei Magnum-Kaliber) würden die aktuellen nicht der Realität entsprechen. Meist nutzt der Waidmann kürzere Lauflängen, sodass die Projektile weniger beschleunigt werden und somit die angegebene Einsatzdistanz geringer sei als die, die auf der Packung steht. „Wenn schon so ein Aufwand betrieben wird, dann bitte nah an der Realität“, sagen die beiden. Mit der Ermittlung der WGG für ein bestimmtes Projektil bietet sich dem Hersteller die Möglichkeit, dieses zum Beispiel innerhalb der .30er-Kalibergruppe einzusetzen. So könnte ein Geschoss, für das eine WGG von 680 m/s ermittelt wurde, zum Beispiel im Kaliber .308 Win. bis zu einer maximalen Einsatzdistanz von 160 m, das gleiche Geschoss im Kaliber .30-06 bis 210 m und im Kaliber .300 Win. Mag. bis 300 m eingesetzt werden.
Doch wer kann überprüfen, ob die richtige Entfernung mit der Munition eingehalten wird? „Grauzonen hat es und wird es immer geben“, entgegnet Rottenberger. „Mit der neu entwickelten Richtlinie ist aber auch ein Anreiz für die Industrie verbunden, sich noch mehr der Entwicklung neuer und innovativer Geschosse zuzuwenden.“ Michael Schmid gibt zu bedenken: „Bei einer nur auf die Energieabgabe bezogenen Entwicklung tritt hoffentlich nicht die Wildbretentwertung in den Hintergrund.“

Klar ist, dass die meisten renommierten Munitionshersteller diese Vorgaben bereits jetzt schon erfüllen. Die TRJ beseitigt aber Zweifel an der Wirksamkeit der eigenen Munition oder stellt eben diese infrage. Womöglich können auch eventuelle Probleme mit verschiedenen Geschossen und deren Tötungswirkung im Nachhinein erklärt werden. Mit Sicherheit sind die Einsatzentfernung und die Wirksamkeit Kaufargumente, die vielleicht den einen oder anderen Munitionshersteller in Zugzwang bringen. Er muss sich wieder mit seinen Klassikern auseinandersetzen und gegebenenfalls nacharbeiten. Für zukünftige Produkte würden nicht mehr nur Masse mit Geschwindigkeit kombiniert, auch die Wirksamkeit müsste geprüft und damit die WGG ermittelt werden.

Auch in Sachen Blei-Restwert-Bestimmung haben Kneubuehl, Rottenberger und Ulrich Kling, Beschussamt Ulm, getestet. Ziel war es zu simulieren, wie viel vom Schwermetall an den Wildkörper tatsächlich abgegeben wird. Daraus könnten Schlüsse für ein zukünftiges Bleiminimierungsgebot gezogen werden. Die Aufgabe war allerdings nicht, einen Schwellenwert zu ermitteln, den kann nur der Gesetzgeber definieren. Die Tests zeigten, wie etwa zukünftig mit der Bleiabgabe an den Wildkörper umgegangen wird. Es könnte ein maximal zulässiger Bleianteil festgelegt werden, der beim

Schuss an den Wildkörper abgegeben werden darf. Doch während der Versuche wurde klar, dass bei gebondeten Projektilen die Bleirestmasse um bis zu 18 Prozent streuten, bei klassischen Geschossen um bis zu 4,6 Prozent. Hier besteht also noch weiterer Untersuchungsbedarf. Wichtig wäre, dass die Hersteller die genau enthaltene Bleimenge im Projektil angeben. Ebenso auch bei manchen Kupfer-Geschossen, deren Legierung Blei zugefügt wurde, um das Material besser bearbeiten zu können und geschmeidiger zu machen. Auch diese Munition sollte dann die Schwellenwerte erfüllen.

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