HERKUNFT UND ABSTAMMUNG DES MUFFELWILDES
Ein stets sehr widersprüchlich und oft ideologisiert diskutiertes Thema ist die Einordnung des Muffelwildes in Deutschland. Doch das Bundesjagdgesetz schreibt es als heimische Wildart fest. Damit ist der rechtliche Status eigentlich schon dargestellt. Wie aber erfolgte die Besiedelung Mitteleuropas mit Mufflons, und wo kommen sie her?
Dr. Holger Piegert
Klimaveränderungen führten dann zum Aussterben der großen Wildschafe in Europa. Eine Neubesiedelung dieses Raumes mit nunmehr mufflonartigen Wildschafen erfolgte im mittleren Pleistozän, vor rund 500 000 Jahren. Nur wenige paläontologische Funde belegen ihre Verbreitung, die vor allem aus Mähren, Ungarn und Südfrankreich stammen (POPLIN u. VIGNE 1983). Bereits im Jungpleistozän scheinen die Wildschafe aber wieder ausgestorben zu sein. Die westlichsten Vorkommen lagen nunmehr im vorderasiatischen Raum zwischen Kaspischem Meer, Persischem Golf und dem Mittelmeer. Dort kommen heute noch die nächsten Verwandten unseres Muffelwildes vor – der Anatolische-, der Isfahan- und der Laristan-Mufflon. Angenommen wird, dass die Ursprungsform des Europäischen Mufflons in bewaldeten Gebieten an der Levanteküste (östlicher Mittelmeerraum) lebte und bereits in vorhistorischer Zeit ausgerottet wurde (BRIEDERMANN 1993). Die Mufflons der Inseln Korsika und Sardinien sind also keine endemische Art, sondern durch den Menschen vor etwa 10 000 Jahren dorthin gebracht worden. Dazu gibt es drei Hypothesen: Die Jungsteinzeitmenschen begannen, Keramik herzustellen und Vieh zu halten. Aus dem Land des fruchtbaren Halbmondes brachen die Menschen auf, das Mittelmeer in Richtung Westen zu erobern.
Alle heute lebenden Schafe lassen sich fruchtbar miteinander kreuzen, was zu einem Meinungsstreit bei der Einteilung in Arten, Unterarten etc. führt. Da aber auch während der Mufflonhaltungen in Tiergärten bereits im 19. Jahrhundert in Hernstein, Niederösterreich, solche Kreuzungen vorgenommen wurden, wird mitunter verbreitet, dass unsere Mufflons verwilderte Hausschafherden seien. Dem kann energisch widersprochen werden. Die Blendlinge von Hernstein sind zwar nach Zinkau in Böhmen gekommen, wo jedoch eine zielgerichtete Verdrängungszucht betrieben wurde, so dass die Hausschafmerkmale schnell eliminiert wurden. Das in Deutschland eingebürgerte Muffelwild geht nicht auf die Zinkauer Linie zurück, sondern lässt sich recht eindeutig den mediterranen Inselpopulationen zuordnen. Ich habe mich selbst ausgiebig mit der Kreuzung von Mufflons mit Hausschafen beschäftigt und dabei festgestellt, dass die Wildfarbe bei Blendlingen der ersten und zweiten Generation niemals erreicht wurde. Auch in der Literatur sind nur ganz wenige Fälle bekannt, bei denen die Wildfarbe in der ersten oder zweiten Generation auftrat. Somit wird niemand Blendlinge gezogen haben, um Tiere für die Aussetzung bereitzustellen. Spontane Kreuzungen zwischen wild lebenden Muffelwiddern und Hausschafen lassen sich vielfach nachweisen. Die von den Hausschafen gesetzten Lämmer blieben aber in der Obhut des Menschen und spielten für die Muffelwildpopulationen in freier Wildbahn niemals eine Rolle. Die Kreuzungsprodukte wären auch für jeden Jäger deutlich erkennbar gewesen. Der umgekehrte Fall, dass Hausschafböcke zu wildlebenden Mufflons gelangten und diese beschlugen, dürfte nicht vorkommen sein. Es gibt eine einzige belegte Beobachtung, dass ein Muffelschaf, das allein im Wald lebte, sich während der Brunftzeit einer kleinen Hausschaf-Schwarzkopfherde anschloss und von dem dort stehenden Bock beschlagen wurde. Auch dieser Fall hat für die Populationen der freien Wildbahn aber keinerlei Bedeutung. Die Mufflons haben seit nunmehr über 100 Jahren in deutschen Revieren eine Heimat gefunden. Mit einer Jahresjagdstrecke von etwa 6 000 Stück nehmen sie nur 0,3 Prozent des Schalenwildabschusses in Deutschland ein. Die Diskussionen um das Muffelwild, die diese interessante Wildart als Neubürger, Faunenverfälscher oder gar als verwilderte Hausschafherden deklarieren, nehmen aber Größenordnungen ein, als stehe hinter jedem Baum ein Stück Muffelwild.