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Nur nicht zögern

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Erste Hilfe beim Jagdhund – Viele Hundebesitzer trauen sich einfach nicht, ihren Vierläufer zu verarzten. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist oft größer als das Wissen, wie man es richtig macht. Dabei ist schnelles Handeln besser, als den Hund sich selbst zu überlassen.

 

Von Dr. Stephan Neumann

Der Einsatz unserer Jagdhunde geht mit einer nicht zu unterschätzenden Unfallgefahr einher. Neben oberflächlicher Hautwunden, Zerrungen und Dehnungen, die beim Jagen in unebenem Gelände entstehen können, sind häufig Verletzungen durch wehrhaftes Wild zu versorgen. Auch Beißereien mit Artgenossen kommen auf den Jagden vor. Hierbei können neben Hautverwundungen auch schwerwiegende innere Verletzungen und Knochenbrüche entstehen. Die endgültige Versorgung verletzter Hunde muss in der Regel durch einen Tierarzt erfolgen, trotzdem kann der Hundeführer durch Erste Hilfe den Vierläufer versorgen, unter Umständen auch dessen Leben retten.

Die erste Pflicht bei verletzten Tieren ist, Ruhe zu bewahren. Jede Hektik, lautes Reden oder fremde Personen werden vom Hund wahrgenommen. Hat sich ein Hund verletzt, ist der Hundeführer meist als Erster vor Ort. Beim Umgang mit einem verletzten Hund – auch wenn es der eigene ist – sollte immer berücksichtigt werden, dass verletzte Hunde, die Schmerzen haben, mitunter um sich beißen und dabei nicht darauf achten, wer vor ihnen steht. Deshalb sollte sich der Hundeführer ruhig und vorsichtig seinem verletzten Hund nähern und schauen, wie sich dieser verhält. Hat der Kontakt stattgefunden, gilt Ruhe bewahren und beruhigend auf den Verletzten einzuwirken. Hunde reagieren außerordentlich empfindlich auf Gemütsäußerungen ihrer Besitzer, deshalb lassen sich Schock und Schmerzen durch beruhigende Worte und Gesten vom „Herrchen“ mildern.

Gesunde Schleimhäute haben eine rosa Farbe

Bevor die Versorgung von Verletzungen durchgeführt wird, ist es elementar wichtig, die Kreislaufsituation des Hundes zu überprüfen. Viele Verletzungen gehen mit einem Schock einher, dieser kann lebensgefährlich sein. Symptome, die der Hund bei Schock zeigt, sind Apathie, also geistige Abwesenheit, und schnelle Atmung. Untersucht man den Hund näher, fallen die blassen Schleimhäute auf, die besonders gut an der nicht pigmentierten Maulschleimhaut beurteilt werden können. Gesunde Schleimhäute haben eine rosa Farbe. Hunde im Schock haben eine wesentlich blassere Schleimhautfarbe, da sich das Blut im Schock in den inneren Organen, insbesondere dem Herz, der Lunge, der Niere und dem Gehirn sammelt. Bei Unklarheit kann der Zeitraum der Blutfüllung in den Schleimhäuten bestimmt werden. Dazu drückt man mit dem Daumen auf die rosa farbene Schleimhaut bis diese, aufgrund der Blutarmut, blass geworden ist. Entfernt man den Daumen, dann füllt sich die Schleimhaut wieder mit Blut und färbt sich bei gesunden Hunden innerhalb von zwei Sekunden wieder rosa. Hunde im Schock zeigen eine deutlich verzögerte Blutfüllung. Schockpatienten sollten vom Besitzer durch Zusprache beruhigt und durch Decken gewärmt werden. Ein sofortiger Transport zum Tierarzt ist zwingend notwendig, damit dieser durch Infusionen oder Injektionen mit kreislaufwirksamen Medikamenten den labilen Patienten behandeln kann. Gerade beim sommerlichen Maisdrücken sind die Hunde einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, dass der Kreislauf instabil wird. Der Baldachin aus Maisblättern lässt eine Luftzirkulation kaum zu. Die Luft steht praktisch und erwärmt sich im Verhältnis zur Außentemperatur schneller. Die Hunde überhitzen auf solchen Jagden sehr schnell. Hinzukommt ein oft staubiger Untergrund, der die Atmung zusätzlich erschwert. Auch in solchen Fällen ist die Fahrt zum Tierarzt unausweichlich. Auf dem Weg dorthin kann der Hund durch kalte Kompressen etwas heruntergekühlt werden. Aber Vorsicht: Zuviel oder zu kaltes Wasser verträgt der Kreislauf ebenfalls nicht.

Bisswunden sollten lokal und systemisch versorgt werden

Neben der Beurteilung des Kreislaufes muss der Hundeführer die Atemtätigkeit beobachten und gegebenenfalls die Atemwege freihalten. Hunde atmen durch Bewegung von Rippen und Bauch. Die Frequenz ist abhängig von der Größe und liegt bei etwa 15 bis 40 Zügen pro Minute, dabei wird durch die Nase geatmet. Maulatmung findet nur bei ernsten Krankheitsfällen statt. Nicht verwechselt werden sollte das Hecheln, welches keine normale Atemtätigkeit darstellt, sondern der Regulation des Wärmehaushaltes dient. Unfälle können die Atmung behindern, sie erschweren oder ihre Frequenz erhöhen. Verletzungen am Schädel sind ebenfalls in der Lage, das Luftholen durch Schädigungen des Atemzentrums im Gehirn einzuschränken. Verschmutzungen der Maulhöhle behindern ebenfalls die Atmung. In solchen Fällen ist die Maulhöhle, soweit möglich, von Schmutz und Fremdmaterial zu befreien. Eine Lagerung des Hundes beim Transport, die den Hals nicht abknicken lässt, erleichtert ebenfalls das Atmen. Auch für derartige Verletzungen gilt der sofortige Weg zum Tierarzt. Sind die elementaren Lebenssysteme, also Kreislauf und Atmung, stabil oder nicht durch den Unfall beeinträchtigt, gilt es, die Verletzungen zu untersuchen.

Bei Auseinandersetzungen mit Wild, vor allem wehrhaftem, oder Artgenossen am erlegtem Stück kann es zu Bissverletzungen kommen. Grundsätzlich gilt, dass jeder Biss infiziert ist. Pro Quadratzentimeter Maulschleimhaut tummeln sich mehrere Millionen Bakterien, die im Falle eines Bisses tief in das Gewebe des Gegners eindringen und sich dort in Wärme und Dunkelheit stark vermehren. Mitunter können sie Abszesse oder sogar Blutvergiftungen verursachen. Daher kann eine zuerst kleine, dezente Hautwunde durch eine Bissverletzung sich erst nach einigen Tagen zu einem größeren Problem entwicklen, wenn sich die übertragenen Bakterien stark vermehrt haben. Um diesem Prozess vorzubeugen, muss jede Bisswunde ernst genommen werden. Erstversorgende Hundeführer sollten eventuell vorkommende stärkere Blutungen stillen, dies geschieht durch Kompressen. Sie werden per Hand oder durch Verbände fixiert. Auch wenn die Blutung gestillt ist, sollte eine offene Wunde für den Transport zum Tierarzt abgedeckt werden, um eine weitere Verschmutzung zu vermeiden. Anschließend ist der Weg zum Tierarzt unumgänglich. Bisswunden sollten lokal und systemisch versorgt werden. Damit ist eine Wundreinigung, eine Entfernung infizierten Gewebes, eventuell eine Wundnaht und die Gabe eines Antibiotikums gemeint. Hunde mit Bisswunden sollten über einige Zeit Antibiotika erhalten, um die Vermehrung von Bakterien zu verhindern. Wird eine Bissverletzung richtig versorgt, ist sie in der Regel innerhalb von zehn Tagen abgeheilt. Abszesse können die Wundheilung deutlich verlängern.

Bei Stürzen oder der Auseinandersetzung mit wehrhaftem Wild können innere Organe verletzt werden. Tückisch an diesen Verletzungen ist, dass sie in der Regel lebensbedrohlich, aber ganz schwer für den Laien zu erkennen sind. Verletzungen der Brustkorborgane führen häufig zu einem Eindringen von Luft in den Brustkorb. Normalerweise liegen die Brustkorborgane Herz und Lunge in einem Unterdruck. Nur so kann die Atmung der Lunge überhaupt funktionieren. Offene Verletzungen der Brustwand oder Risse in der Lunge führen zu einem Druckausgleich im Brustkorb. Dabei fällt im Extremfall die Lunge zusammen, und der Patient erstickt. Da aber beide Brustkorbhälften voneinander getrennt sind, kann bei einem einseitigen Druckausgleich der Patient einige Zeit überleben. Der Hund muss aber als schwerer Notfall unverzüglich tierärztlich versorgt werden. Eine offene Brustkorbwunde, durch die Luft ein- und ausdringt, fällt dem Hundeführer in der Regel noch sehr schnell auf. Ein Lungenriss dagegen ist nur durch eine erschwerte Atmung zu erkennen, die sich unter anderem durch eine Maulatmung äußert, wobei der Hund äußerlich unversehrt aussehen kann.

So schnell wie möglich zur richtigen Diagnose kommen

Innere Organe des Bauchraumes zeigen nach Verletzungen anfangs dezentere Symptome, als es bei der Lunge der Fall ist. Verletzungen treten besonders bei der Harnblase, der Milz oder der Leber auf. Andere innere Organe sind ebenfalls nicht sicher vor Verletzungen, kommen aber in der überwiegenden Zahl der Fälle ungeschoren davon. Wenn Leber, Milz und Harnblase verletzt werden, kommt es vielfach zum Riss de r Oberfläche. Urin oder Blut treten dann in die Bauchhöhle aus. Bei geringen Mengen macht sich dieses nicht bemerkbar. Nimmt die Menge aber zu, kann es im Falle eines Blasenrisses zu einem Nierenversagen kommen mit Symptomen wie Schwäche, Futterverweigerung oder Schock. Ohne Operation versterben diese Vierläufer innerhalb weniger Tage. Bei Leber und Milz stehen Blutungen im Vordergrund, die durch eine Blutarmut mit der Zeit ebenfalls Symptome wie Schwäche, Futterverweigerung oder Schock verursachen. Dem Besitzer bleiben die frühen Symptome dieser Verletzungen verborgen. Diese kann nur der Tierarzt durch intensive Untersuchungen mit Ultraschall oder Röntgen erkennen. Treten ebenfalls Symptome wie Futterverweigerung, Schwäche oder Schock auf, wird häufig erst der Tierarzt konsultiert. Ganz wichtig ist es dann, den behandelnden Tierarzt auf einen möglichen Unfall im Jagdbetrieb hinzuweisen, damit er so schnell wie möglich zur richtigen Diagnose kommt.

Erblinden als Spätfolge

Infolge von Beißereien oder durch Rissverletzungen kommt es recht häufig vor, dass die Augen des Hundes verletzt werden. Der Kopf ist nun mal der Teil des Hundes, der zuerst in eine Auseinandersetzung gerät. Das Auge reagiert wie kaum ein anderes Organ empfindlich auf äußere Einwirkungen. Die Folgen können schwerwiegend sein und bis zur Erblindung reichen. Häufig ist nicht das Auge selbst betroffen, sondern die Augenlider. Risse der Lider bluten anfangs stark, nach einiger Zeit stellt sich allerdings die Blutung ein. Dies ist keine Entwarnung, da Lidrandverletzungen immer tierärztlich versorgt werden müssen. Ist der Lidrand durch die Verletzung unterbrochen und wird nicht genäht, dann ist nach Abheilung kein vollständiger Lidschluss möglich, die Lider schützen aber das Auge vor Austrocknung. Ist diese wichtige Schutzfunktion nicht mehr voll vorhanden, entwickeln solche Augen schlimmste Hornhautveränderungen in Form von Geschwüren. Als Spätfolge erblinden solche Tiere.

Direkte Verletzungen des Auges führen in schlimmen Fällen sofort zur Erblindung. Betroffene Patienten zeigen bei allen Verletzungen des Auges die Symptomkombination Schmerz, Lichtscheue und vermehrter Tränenfluss. In allen Fällen mit solchen Auffälligkeiten ist sofort ein Tierarzt aufzusuchen. Die Untersuchung eines solchen Auges kann häufig nur in Narkose erfolgen, und bei schwerwiegenden Verletzungen ist auch eine sofortige Therapie notwendig.

Bei Unklarheiten lieber den Tierarzt aufsuchen

Knochenbrüche werden meist durch Stürze oder beim Kampf mit einem Schwarzkittel hervorgerufen. Wobei Frakturen der Läufe vom Hundeführer meist schnell erkannt werden. In der Regel kommt der Hund nur noch auf drei Läufen zu seinem Stand zurück. Das gebrochene Bein wird hoch gehalten. Mitunter kann man auch erkennen, dass die Gliedmaßenachse nicht mehr gegeben ist und das Bein unkontrolliert herunterbaumelt. Beim Umgang mit gebrochenen Läufen gilt äußerste Vorsicht, da diese Verletzung ausgesprochen schmerzhaft ist. Um die Schmerzen zu reduzieren, sollte ein gebrochener Knochen stabilisiert werden. Dies ist nicht immer leicht, und manchmal werden dem Hund mehr Schmerzen bei einer inkorrekten Stabilisierung beigebracht, als er sie bereits durch den Bruch erleiden musste. Besonders bei niederläufigen Hunden kann es deshalb besser sein, keine Stabilisierung zu versuchen, sondern stattdessen den sofortigen Weg zum Tierarzt anzutreten. Wird eine Stabilisierung selbst durchgeführt, muss der gebrochene Lauf gestreckt werden. Ein gut gepolsterter Verband wird angelegt. In den Verband wird eine Schiene eingearbeitet. Diese kann aus einem Ast bestehen und soll weitere Bewegung des gebrochenen Knochens verhindern.

Grundsätzlich gilt, verletzte Hunde gründlich zu untersuchen und bei Unklarheiten lieber sofort den Tierarzt aufzusuchen, als abzuwarten. Gerade schwerwiegende Unfallverletzungen haben bei schneller Behandlung die besten Chancen auf Heilung. Wobei der Spruch „Kleine Wunden heilen von selbst“ mit Vorsicht zu genießen ist. Der Hundeführer kann bereits vor Ort viel tun, um seinem Vierläufer spätere Leiden zu ersparen. Dazu ist es natürlich notwendig, die Materialien wie Kompressen, Verbandszeug oder Wundantiseptikum auch am Mann zu haben. Im weit entfernt stehenden Auto ist ein „Erste-Hilfe-Paket“ sinnlos, denn aus Sicherheitsgründen darf man den Stand nicht verlassen oder entgegen der Treiberrichtung das Jagdgebiet durchqueren. Sicher: Wenn der Hund schwer geschlagen ist und zum Tierarzt muss, wird man eine Jagd unterbrechen können. Bis dahin ist aber der Hundeführer allein mit dem verletzten Vierläufer und der einzige, der ihm helfen kann. „Erste-Hilfe-Material“ bei sich zu haben und dies auch anwenden zu können, ist daher Verantwortung für unsere Jagdhunde.

Der Schocktest beim Hund: Der Druck des Daumen presst das Blut aus der Schleimhaut. Nimmt man ihn weg, sollte sich die Schleimhaut nach zwei Sekunden wieder normal färben

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