Es gibt ein Mittel gegen „Augen auf jeder Feder“: Die Tarnung auf jedem Quadratzentimeter Kleidung. Wir haben einige der bei uns erhältlichen „Tarnklamotten“ auf ihre Praxistauglichkeit getestet.
Der Testanzug von Deerhunter kam in „Wetland“ (= Schilftarn). Aber das würde hier wohl keiner Taube helfen |
von Hanjo Wimmeroth
Sehen und nicht gesehen werden. Darauf kommt’s gerade bei der Taubenjagd an. Die US-Jäger haben diese Weisheit schon vor Jahren in die Praxis umgesetzt: Dort geht fast keiner mehr ohne „Camouflage“ (= Tarnung) zur Jagd, sei es auf Tauben, Enten, Truthähne oder Schalenwild, sei es mit der Flinte, Büchse, dem Vorderlader oder Pfeil und Bogen.
Trend aus den USA
Wie so oft schwappt der Boom jetzt langsam über den großen Teich. Aber während in den USA die Auslage in den Jagdgeschäften mit Laub-, Ast-, Schnee- oder Schilftarnmustern förmlich überquellt, ist das Angebot in Deutschland eher dürftig.
Wer seinen Jagderfolg im Taubenfrühjahr steigern will, muss jedoch nicht Trübsal blasen; denn auch bei uns kann man „Tarnklamotten“ bekommen.
Die meisten Designs stammen vom Amerikaner Bill Jordan, der seit Mitte der 80er Jahre die Trends setzt. „Realtree“ hieß sein erstes Produkt, dem mit riesigem Erfolg das Muster „Advantage“ folgte. „Wetland“ mit Schilfkonturen wurde schließlich für Wasserwildjäger entwickelt, „Hardwoods“ dient vornehmlich in Herbst und Winter, und für Schnee gibt es „Hardwoods Snow“.
Jordan vergibt für die Muster Drucklizenzen an Bekleidungs- und Ausrüstungshersteller. Und die Nachfrage ist groß; denn mittlerweile steht die Effektivität seiner Designs außer Frage. Die Konturen des getarnten Jägers verschwinden in der Umgebung, und das selbst dann, wenn das Tarnmuster nicht exakt zum Umfeld passt.
Unsichtbar
Aber perfekte Tarnung ist das eine, die Praxistauglichkeit der betreffenden Kleidung das andere. Stoff, Schnitt und Verarbeitung müssen stimmen, damit zum „unsichtbar“ auch „praktisch“ hinzukommt. Was haben die bei uns erhältlichen Produkte zu bieten?
AKAH
Die Gummersbacher Firma hat mehrere Kleidungsvarianten im Programm: Zum einen ist das das Tarnset des US-Herstellers Whitewater.
Es besteht aus Jacke und Hose, die beide über der „normalen“ Jagdkleidung getragen werden können, sowie Handschuhen und einem Gesichtsschutz. Dieser ist unerlässlich; denn wer schon einmal einen Jagdkameraden „oben ohne“ in einer Hecke hat sitzen sehen, weiß, warum Tauben so gern 200 Meter vor dem Stand abbiegen.
Der Überzug-Anzug ist federleicht, komplett wiegt er keine 1000 Gramm. Das Gewebe besteht aus Polyester und Baumwolle in einer luftigen, aber dennoch sehr stabilen Garnbindung.
Hosenbund und Ärmelabschlüsse haben Gummizüge, die Handschuhe Strickbündchen und der Gesichtsschutz wird mit Bändern auf die individuelle Kopfgröße eingestellt. Zusammengeknüllt passt alles sogar in eine große Jackentasche und ist somit bei Bedarf schnell zur Hand.
Die Sets kosten im Fachhandel je nach Größe um 200 DM und sind in „Wetland“ (Schilf), „Advantage“ (Laub) und „Realtree“ (Astmuster) lieferbar. Alles in allem also ein preisgünstiger und praktischer Einstieg in die Welt des „Tarnens und Täuschens“.
Einen richtigen Knaller hat AKAH mit dem Spartan-Wintertarnmantel im Programm. Der gut knielange Überzieh-Mantel besteht wie das oben beschriebene Set aus Baumwollmischgewebe und besitzt eine geräumige Kapuze mit integriertem Gesichtsschleier.
Das Design „Hardwood-Snow“ zeigt schwarzgraue Astmuster auf weißem Grund. Dazu gibt es einige braune Blättchen, hier und da ein Fleckchen grün. Verblüffend dabei: Der Tarnmantel löst selbst ohne Schnee in der Umgebung die Kontur seines Trägers so weit auf, dass er nur schwer zu erkennen ist.
Zusätzlich zu dem Mantel wären noch Überhandschuhe im gleichen Muster wünschenswert; denn erst dann ist die Tarnung perfekt. Der gerade mal 250 Gramm leichte Überziehmantel kostet im Fachhandel ab 140 DM.
Für Regenwetter hat AKAH das Spartan-Modell „1280“ parat. Anders als bei dem Tarnset und dem Mantel ist dieses Modell kein Überzieher, sondern eine „vollwertige“ Jacke. Sie besteht aus einem Polyester-Mikrofasergewebe, das ausgesprochen weich und geräuschlos ist.
Das Gore-Tex-Futter sorgt für Wind- und Wasserdichigkeit. Eine Kapuze mit kleinem Schirm lässt sich hoch schließen. Zur Jacke gibt es auch eine passende Hose, und mit geeignetem „Unterzeug“ kann man mit dieser Kombination durchaus einen Taubenjagdtag bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt aushalten.
DEERHUNTER
Hinter diesem Markennamen steht der dänische Textilhersteller Engel. Er hat einen Anzug im Programm, der für die kühleren Jahreszeiten konzipiert ist, da er über eine herausnehmbare Fleece-Innenjacke verfügt.
Ein Deer-Tex-Futter macht Jacke wie Hose wind- und wasserdicht, die geräuschlose Außenhülle aus Microfaser ist Scotchgard-imprägniert. Durch diese Beschichtung lässt sich z. B. anhaftender Schmutz schnell und mühelos entfernen.
Sehr positiv fällt die Taschenvielfalt bis hin zur „Safetasche“ auf. Die Patten der großen Außentaschen lassen sich per Bändchen und Druckknopf hoch knöpfen. So ist der rasche Zugriff zu den Patronen sicher.
Obwohl der Anzug relativ körpernah geschnitten ist, lässt er dem Schützen genügend Bewegungsfreiheit.
Einziger Nachteil: Die Ärmel der Fleece-Innenjacke sind in denen der Außenjacke mit Druckknöpfen befestigt. Diese Knöpfe waren am Testmodell aber ein wenig schwach, so dass sich beim Ausziehen der Jacke die Fleeceärmel lösten und mit herauskamen.
Die Jacke mit Kapuze kostet 659 DM, die Hose 319 DM.
Auch für die Sommermonate hat Deerhunter einen Anzug vorrätig. Er besteht aus einem robusten Polyester-Baumwoll-Mischgewebe. Großzügig dimensionierte Außentaschen nehmen reichlich Munition auf, eine Innentasche ist mit einem Reißverschluss gesichert und dient der Verwahrung von Schlüsseln oder Papieren.
Die Hose wiederum ist so großzügig geschnitten, dass man sie entweder allein oder aber auch über eine andere Hose tragen kann. Der Sommeranzug kostet 269 DM. Deerhunter-Produkte werden u. a. über Becker-Kleidung in Stade oder Frankonia in Würzburg vertrieben.
FJÄLLRÄVEN
Auch die Schweden können mit verschiedenen „Tarnklamotten“ aufwarten. Ebenso wie andere Hersteller haben sie sich auf Microfleece-Gewebe konzentriert, das mit einer wind- und wasserdichten Membran kombiniert ist.
Die Besonderheit an der Fjällräven-„Oak-Jacke“ sind zwei mit Reißverschlüssen verschließbare Brusttaschen, die gegen kalte Hände noch extra mit dickem Fleece gefüttert sind. In die Jacke lassen sich entweder eine Daunenweste oder eine Steppweste einzippen.
Beide standen für den Test aber leider nicht zur Verfügung.
Eine Safetasche, eine Innentasche mit Klettverschluß und zwei zusätzliche Einschubtaschen unter den aufgesetzten Pattentaschen runden das Bild dieser vielseitig nutzbaren und wirklich praktischen Jagdjacke in bekannter Fjällräven-Qualität ab. Der Preis ohne Weste liegt bei 699 DM.
Eduard Kettner und Alljagd haben eine weitere Fjällräven-Tarnjacke im Programm, die perfekt auf die Jäger zugeschnitten ist, die nicht ständig „gescheckt“ herumlaufen wollen.
Sie ist nämlich als Wendemodell ausgelegt, so dass man entweder in „Realtree“ oder in uni-olivgrün gehüllt ist.
Die Jacke ist mit einer Teflon-Beschichtung versehen und somit schmutz- und nässeabweisend. Die „Tarnseite“ besteht aus weichem, wärmenden Microfleece, die „olive Seite“ aus strapazierfähiger Microfaser.
Beidseitig nutzbar sind der hochschließende Stehkragen, der Zweiwege-Reißverschluß (auf der „oliven Seite“ mit Druckknopf-Deckleiste) sowie Schubtaschen, wobei dabei die einfarbige Seite hier wesentlich mehr Stauraum bietet.
Für 499 DM bekommt man also ein wirklich universelles Kleidungsstück, mit dem man sich auch in konservativer Runde nicht verstecken muss.
WOOLRICH
Bei richtigem Sauwetter ist der Jäger mit einem Anzug des US-Herstellers Woolrich gut bedient. Woolrich verwendet für sein Modell 16125 (Hose 1501) ein Saddle-Cloth-Gewebe mit Stormseal- (= „Sturmdichtung“) Ausrüstung.
Saddle-Cloth ist ein mehrschichtig aufgebautes Gewebe, das sehr weich und geräuscharm ist und mit Membranen gegen Wind und Wasser schützt. Bei Woolrich wird es zusätzlich mit einem hochfesten Gewebe hinterlegt, um die Verschleißfestigkeit zu erhöhen.
Teflonbeschichtungen machen das Gewebe darüber hinaus feuchtigkeits- und
schmutzunempfindlich. Strickbündchen schließen die Ärmel ab, eine gedoppelte Knopfleiste verdeckt den Frontreißverschluss und verhindert das Eindringen von Wasser.
Der bequeme Anorak-Schnitt lässt schnelle Schüsse sowohl mit der Büchse als auch mit der Flinte zu. Einziger Nachteil: Die Kapuze ist sehr groß und hat keine Kordel, an der man sie zuziehen kann.
Die Hose zu diesem Anzug besticht durch die Beinenden, die sich mit einem Reißverschluss weit öffnen lassen, so dass man die Hose bequem über die Stiefel ziehen kann.
Fazit
Die Test-Kleidung ist bis auf wenige Kleinigkeiten durchweg durchdacht und hochwertig verarbeitet. Die verwendeten High-Tech-Gewebe erfüllen vor allem bei Wind und Regen voll ihre Zwecke. Aber auch die Baumwollmischgewebe wie in den Tarnsets von AKAH oder dem Sommeranzug von Deerhunter sind erfreulich robust und vertragen durchaus den Weg durch die Brombeeren.
Der Vormarsch der Tarnkleidung ist wohl nicht mehr aufzuhalten. So kam es vor Weihnachten bereits zu Lieferengpässen. Und die Hersteller sind auf Zack. So hat z. B. Whitewater ein neues Wendemodell entworfen, das zwei Tarnmuster in einem bringt: eine Seite „Wetland“, die andere Seite „Hardwood“.
Die Firma WEKU wiederum bietet Jagdkleidung mit dem brandneuen Advantage Timber-Muster an, und auch das neue Tusker-Bekleidungssystem von Alljagd gibt es in Tarnmustern.
Uns Jägern kann diese Vielfalt nur recht sein; denn zum einen steigt der Jagderfolg und zum anderen belebt Konkurrenz bekanntlich das Geschäft.