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Nissan Terrano II im Test

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Seit Februar steht der neue Nissan Terrano II bei den Händlern. Laut Hersteller ein „Vollblutgeländewagen mit Pkw-Fahrkomfort“. Wir wollten es genau wissen und setzten die Meßlatten: Von Autobahn bis Schlammpiste.

 

Schlammschlacht: Auf solchen Wegen mußte der Terrano II zeigen, was er im Gelände kann

von Frank Martini

Das erste Aha-Erlebnis kommt beim Beladen: Hecktür auf, Laderaumabdeckung vor und – was ist denn da im Weg? Eine dritte Sitzreihe für zwei Personen. Was nun?

Einfach den Entriegelungsgriff ziehen, und Gasdruckfedern lupfen die Freude reicher Kinderschar in senkrechte Position hinter die Rücklehne der Fondsitze.

Ohne Mühe bringe ich jetzt Schweißwanne, zwei Stiefelpaare, Jagdtasche, Waffenfutteral, Fotoausrüstung und den großen Kunststoffsack mit Kleidung und Bettzeug unter.

Also nix wie los; denn 200 Kilometer liegen noch vor mir.

Zündschlüssel rum – und wie auf Kommando starten gleichzeitig Motor und Nieselregen. Doch dieses Sauwetter macht mich auf eine Neuheit aufmerksam: die hydrophob beschichteten Seitenscheiben.

Schon bei Schrittgeschwindigkeit perlt leichter Fahrtwind das Wasser weg und hält die Sicht auf die Außenspiegel frei.

Zuerst geht es über die Landstraße, und da kann ich sicher meine Skepsis gegenüber dem angeblichen Pkw-Fahrkomfort mit ganzer Häme testen; wehe, wenn sich das „Achtung, gleich kippt er“-Gefühl einstellt! Doch nix davon, das Ding liegt gut.

Auf der Autobahn

Dann auf die Autobahn: Nach dem Einfädeln lasse ich ordentlich fliegen. An der „Dröhngrenze“ oder wenn bei dem Sauwetter die Geschwindigkeit suspekt wird, kann ich ja immer noch vom Gas gehen.

Aber so schnell laufen die Monster mit dem cw-Wert einer Kühltruhe eh nicht, schon gar nicht mit „Heizölaggregat“. Umso erstaunter bin ich, als ich auf den Tacho blicke: 180 Sachen, doch die merkt und hört man gar nicht. So macht Auto fahren Spaß.

Kurz vor meiner Autobahnabfahrt baut sich zäher Verkehr auf – was, die stehen ja! Nun weiß ich auch, was Nissan mit dem deutlich kürzeren Bremsweg und der elektronischen Bremskraftverteilung (EBD) mit ABS meint: Ohne einen Tropfen Angstschweiß bringe ich den Zweitonner mühelos zum Stehen.

Kein Schlingern oder gar Übersteuern. Das merke ich erst wieder in engen Kurven auf der Landstraße: Wer hier bei der Ausfahrt vom Drehmoment der 2,7-Liter-Turbodiesel-Maschine etwas wissen will, kommt mit Powerslide heraus.

Im Revier

Endlich bei den Freunden im Revier: Hier liegt Schnee auf nicht gefrorenem, durchweichten Boden. Da werde ich schon Strecken finden, die den Nissan mit seiner Straßenbereifung das „Schlittenfahren“ lehren.

Auf den mäßig geneigten Forstwegen jedenfalls läuft er souverän. Hier fährt er sich selbst bei Schlaglöchern und höherem Tempo wie ein Pkw auf Asphalt.

Jagdfreund Fred auf dem Rücksitz hat nicht nur Spaß an der erhöhten Sitzposition, sondern auch genügend Platz trotz Drilling und Jagdklamotten. Und das, ohne dass Kornelius mit dem Beifahrersitz nach vorn muss. Überhaupt kann man beim Terrano über Platzmangel nicht nörgeln, er ist ein wahrer Stauraum-Riese.

Am nächsten Morgen ist der meiste Schnee schon abgetaut. Dafür sind die steilen Wege nun zu bachähnlichen Rinnsalen mutiert. Mein Gastgeber dirigiert mich durch eine kaum fahrzeugbreite Gehölzschneise steil den Hang hinab: „Wenn’s eng wird: Da unten ist ein Flachstück ohne Hindernisse. Wenn bis dahin kein Baum im Weg war, kommen wir hinter der Kuppe zum Stehen“, so seine tröstenden Worte.
In flotterer Fahrt muss ich gut an der Lenkung arbeiten; der Boden ist so schwer, dass ich mich ans Bootfahren erinnert fühle. Kurz vor dem steilsten Stück kriege ich trotz einsetzendem ABS die Geschwindigkeit gerade noch herunter.

Hinter der Kuppe sehe ich das Flachstück, aber dazwischen! An Wenden ist nicht zu denken, „zwei Tonnen und dampfwalzenbreite Straßenreifen“, pocht es durch meine Schläfen.

Als ich mit vorsichtigst dosierter Bremse das Unvermeidliche wage, warte ich nur darauf, dass der Bolide über die Vorderräder auf den nächsten Baum zuschiebt. Hätte ich wenigstens die Getriebeuntersetzung eingelegt! Doch nach zwei Minuten ist alles vorbei: sicher erreichen wir das Flachstück.

Weil’s solchen „Spaß“ gemacht hat, drehe ich unten und versuch’s gleich noch mal in entgegengesetzter Richtung. Keine zwei Meter gebe ich dem Terrano, trotz inzwischen eingelegter Getriebeuntersetzung.

Doch erst als der Weg nach einigen weiteren Metern vollends püriert und das Reifenprofil slickähnlich geschlossen ist, geht nichts mehr. Dennoch habe ich nun keine Mühe, im Rückwärtsgang bequem aus meiner Sackgasse herauszufinden. Somit steht fest: Der Nissan ist voll geländegängig. Man hat das Gefühl, in einem „richtig erwachsenem“ Geländewagen zu sitzen.

Fazit

Der neue Terrano II ist äußerlich deutlich chiquer geworden, im Innenraum bietet er jede Menge Platz. Trotz hochbeiniger Bauweise löst er das Versprechen auf Pkw-Fahrkomfort weitgehend ein.

Für Preise zwischen 41 000 und 66 000 Mark bekommt man ein Fahrzeug, das sich im harten Reviereinsatz ebenso tapfer schlägt wie auf der Dienstreise oder der Urlaubsfahrt mit der ganzen Familie.

Und selbst unter härtesten Ansprüchen bleibt das Fahrzeug in der Dieselversion noch wirtschaftlich vertretbar: Mehr als 14,5 Liter bei Vollgas on und off the road waren einfach nicht drin. Immerhin nicht mal ein Liter über dem Maximalverbrauch laut Herstellerangabe.

Die Nachteile des Terrano liegen unterhalb der „Peanutsgrenze“: Auf die etwas schlabbrigen und zu engen Becherhalter im Cockpit kann man sich einstellen.

Lästig waren außerdem die Gurte an der Hecksäule: Sie waren beim Einhängen der Laderaumabdeckung gern im Weg. Mit einiger Übung ließ sich aber auch dies meistern.

Wenn Nissan jetzt noch Gewehrhalter, Gummiwannenmatten und ein richtiges Hundegitter ins Zubehörprogramm aufnimmt, können sie dem Jäger ein für alle Wege perfekt gestaltetes Allroundfahrzeug ausliefern.

 


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