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Machbar ist vieles

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Fakten über Flintenlaufgeschosse, Teil II:
Welche Voraussetzungen müssen bei Flinten und Kombinierten vorhanden sein, um mit Flintenlaufgeschossen präzise zu treffen? Welche Rolle spielt der Choke? Wolfram Osgyan geht diesen und anderen Fragen im zweiten Teil unserer Serie über die „dicken Batzen“ nach.

 

Nicht jede Waffe verdaut Flintenlaufgeschosse gleich gut, wie die Schüsse auf eine „stehende“ Überläuferscheibe beweisen: rot = Treffpunktlage (TPL) verschiedener Bockflinten; dunkelrot = TPL einer Selbstladeflinte mit Polychoke; weiß = TPL verschiedener Querflinten und Drillinge ohne Zielfernrohr; gelb = TPL Kombinierter Waffen mit aufgesetztem Zielfernrohr; blau = Treffpunktlage derselben ohne Zielfernrohr; grün = TPL von Bockbüchsflinten über Kimme und Korn

Hinsichtlich der Schussleistung von Flintenlaufgeschossen ist beileibe nicht alles im Lot. Schon Altmeister Preuss warnte vor Überschätzung der Treffgenauigkeit und Reichweite des Flintenlaufgeschosses. Desgleichen wiesen die Firmen Blaser, Heym, Krieghoff und Sauer in dem gemeinsam herausgegebenen Merkblatt „Flintenlaufgeschosse und ihre Treffsicherheit“ darauf hin,

– „dass gute Flintenlaufgeschoss-Schussleistung nicht identisch sein muss mit guter Schrotschussleistung;

– dass sich die mittlere Treffpunktlage der Flintenlaufgeschosse nicht immer mit der mittleren Treffpunktlage der Schrotgarbe deckt;

– dass eine Gewährleistung für das Zusammenschießen beider Schrotläufe mit Flintenlaufgeschossen vom Hersteller nicht übernommen werden kann“.
Ferner baten die Hersteller, keine überspitzten Forderungen bezüglich des Streukreises der Flintenlaufgeschosse zu stellen und sich möglichst auf „Entfernungen von 35 Metern zu beschränken, auf 50 Meter nur in Ausnahmefällen zu schießen, und einen Streukreis von 20 Zentimetern als gut und von 25 Zentimetern als befriedigend auf 35 Meter anzusehen sowie mit Abweichungen der mittleren Treffpunktlage bis 20 Zentimeter einverstanden zu sein“.

Erheblich verbesserte Innenballistik

Das war die Firma Brenneke, – sie feiert dieses Jahr ihr 100jähriges Bestehen – ganz und gar nicht, denn sie sah bedingt durch die Weiterentwicklung von Waffen und Munition nach umfangreichen Untersuchungen und zahlreichen Tests diese Empfehlungen als überholt an und gab ihrerseits eine als „Langenhagener Norm“ bekannt gewordene Richtlinie heraus.

Laut Brenneke weisen die auf dem Markt befindlichen Patronen seit geraumer Zeit eine erheblich verbesserte Innenballistik auf. Damit lasse sich aus ein- und mehrläufigen Waffen eine gute bis sehr gute Schusspräzision erzielen. In den letzten Jahren habe sich die Technik aufgrund intensiver Forschungsarbeiten im Hause Brenneke derart weiterentwickelt, dass die bisher übliche Schussentfernung für Flintenlaufgeschosse von 50 sogar bis zirka 100 Meter verdoppelt werden könne. Auf diese in den USA übliche Reichweite liefere das 39 Gramm schwere Original-Brenneke-Flintenlaufgeschoss im Kaliber 12/76 (3 inch-Hülse) nicht nur jagdlich akzeptable Streukreise, sondern habe auch eine ausreichende Wirkung im Ziel (v100 laut RUAG-Broschüre 290 m/s, E100 = 1 646 Joule). Die größere Distanz erfordere jedoch in jedem Falle die Verwendung eines Zielfernrohres als Visiereinrichtung. Die erzielbare Treffpunktlage der Original-Brenneke-Flintenlaufgeschosse sei abhängig von der Visierung und nicht vom Lauf oder der verschossenen Munition. Bei der Herstellung lasse sich das Zusammenschießen mehrerer Läufe beim so genannten „Garnieren“ des Laufbündels regeln. Als waffentechnische Voraussetzungen für mit dem FLG präzise schießende Flintenläufe sieht die Firma an:

1. Die Einhaltung der so genannten CIP-Norm, das heißt ein Laufinnenmaß von mindestens 18,2 Millimetern im Kaliber 12, wobei die üblichen Durchmesser im Bereich von 18,3 bis 18,5 Millimetern liegen. Bei höheren Werten sei eine schlechte Schussleistung programmiert.

2. Lauf und Choke müssen rund und konzentrisch zueinander sein.

3. Die Choke-Verengung sollte mindestens 20, besser 50 Millimeter lang sein und ihr Maß auch auf diese Länge konstant halten.

4. Eine exakte Kimme-Korn-Visierung, eventuell unter Zuhilfenahme der zum Teil auf dem Markt angebotenen Spezialvisiere für das Schießen mit der „Brenneke“ oder ein gutes Zielfernrohr mit einwandfreier Montage. Hierbei sei zu beachten, dass kombinierte Waffen wegen der unterschiedlichen Laufschwingungen in der Regel nur über Visier oder Zielfernrohr auf Fleck eingeschossen werden können.

5. Das Kreuzen der Seelenachsen bei Drillingen, Quer- oder Bockflinten sei zu berücksichtigen (Drillinge oder Querflinten kreuzen nach zirka drei bis sechs Metern).

Die genannten Punkte betreffen die Herstellung von Neuwaffen. Bereits vorhandene Jagdwaffen nachzuarbeiten, erweise sich als wesentlich schwieriger und sollte nur von darauf spezialisierten, erfahrenen Büchsenmachern vorgenommen werden. Methoden, die zur Verbesserung der Treffergenauigkeit von Flintenlaufgeschossen führen, seien zum Beispiel das so genannte „Honen“, das heißt feinstes Nachpolieren des Laufinneren, sowie die Neugarnierung der Läufe, was abgesehen von den hohen Kosten sicher nur in Ausnahmefällen in Frage komme.

Erste Voraussetzung für den jagdlichen Einsatz

Eines der Hauptprobleme in der Jagdpraxis stelle das Zusammenspiel von Treff- und Zielpunkt bei Waffen mit mehreren Läufen und unterschiedlichen Visiereinrichtungen dar. Lösbar seien diese Fragen nur im Zusammenhang mit den individuellen Anforderungen beziehungsweise Wünschen des Jägers. Das bedeute, er müsse sich entweder für ein optimales Trefferergebnis mit Zielfernrohr oder mit offener Visierung entscheiden. In Sonderfällen lasse sich das gleiche Trefferergebnis sowohl mit als auch ohne Zielfernrohr erreichen, was jedoch eine sehr exakte Garnierung und eine hierauf abgestimmte, offene Visierung erfordere.

Erste Voraussetzung für den jagdlichen Einsatz von Original-Brenneke-Flintenlaufgeschossen sei die Ermittlung der Treffpunktlage, da diese von der des Schrotschusses abweichen könne. Erfahrene Jäger wüssten, dass im jagdlichen Rahmen bleibende Abweichungen des Zentrums der Schrotgarbe vom Haltepunkt eher zu akzeptieren seien als Abweichungen in der Treffpunktlage bei Schüssen mit Flintenlaufgeschossen. Deshalb sollte die kombinierte Waffe für die Verwendung der „dicken Batzen“ garniert werden.

Bei Neukauf auf Erfüllung „Langenhagener Norm“ nicht verzichten

Im Gegensatz zu mancher Annahme habe der für die Verteilung der Schrotgarbe wichtige Grad einer Choke-Verengung keinen wesentlichen Einfluss auf den bei der Verwendung von Original-Brenneke-Flintenlaufgeschossen erzielbaren Streukreisdurchmesser. Außerdem sei die Belastung der Choke-Bohrung aufgrund der zwölf schräg angeordneten Rippen am Geschosskopf der „Brenneke“ geringer als die durch Bleischrote.

Nach der „Langenhagener Norm“ sollen bei einer Schussentfernung von 50 Metern bei fünf Schüssen aus einem Flintenlauf jeweils folgende Einzelstreukreise erzielt werden: 10 Zentimeter aus einläufigen Flinten, Bockflinten, Doppelflinten oder Bockbüchsflinten, 15 Zentimeter aus Drillingen. Die Treffpunktlagen sollen in diesem Rahmen mit dem Haltepunkt übereinstimmen. Zahlreiche Tests, die auch bei namhaften Waffenherstellern vorgenommen wurden, hätten gezeigt, dass diese Werte erreichbar seien, wenn auch wegen des Mehraufwandes teilweise Aufpreise berechnet würden. Bei Neukauf einer der oben genannten Waffen sollte der Kunde auf die Erfüllung der „Langenhagener Norm“ nicht verzichten!

D’accord! Sofern dieser eine Waffe über den Händler beim Hersteller bestellt, sich über alle Details im Klaren ist, genau weiß, mit welchem Zielfernrohr sie bestückt wird und eine angemessene Lieferzeit akzeptiert. Was aber ist, wenn das gute Stück nicht so ausfällt, wie es sich der Kunde vorgestellt hat, wenn beispielsweise Schaftholz und Gravur Wünsche offenlassen? Außerdem werden nach wie vor die meisten Waffen nach Ansicht gekauft und nicht gerade selten dort, wo die Auswahl am größten ist. Wollte hier der Händler im Sinne der „Langenhagener Norm“ operieren, könnte er bei diversen Herstellern nur Waffen ordern, die werksseitig über die offene Visierung mit dem FLG eingeschossen sind oder sich Komplettpakete auf Lager legen. Im ersten Fall müsste er den Mehrpreis einkalkulieren und darauf hoffen, dass ihn der Kunde auch schluckt, im zweiten zudem ein „Näschen“ für seine Kundschaft und ihre Zielfernrohr-Wünsche haben.

Die „Langenhagener Norm“ zu erfüllen, trauen sich alle Hersteller nicht zuletzt wegen des technischen Fortschritts bei der Laufproduktion zu. Wer sie als Kunde in Anspruch nehmen will, kriegt sie ohne weiteres verwirklicht. Doch die Tatsache, dass immer noch ein großer Teil der Neuwaffen nicht im Sinne der „Langenhagener Norm“ funktioniert, findet ihre Ursache in den Gesetzmäßigkeiten des Marktes, den Regeln von Nachfrage und Angebot.

Liebgewordene Waffen so nehmen wie sie sind

Allein in deutschen Jägerhänden befinden sich – vorsichtig geschätzt – hunderttausende von Waffen, aus denen man Flintenlaufgeschosse verschießen kann. Einige von ihnen wurden über den Krieg gerettet, ein erheblicher Teil stammt aus den Zeiten der Nachkriegsfertigung, wo das Augenmerk mehr der Schrotschussleistung galt. Nicht wenige wurden im Laufe der Jahre mit einem der lichtstarken Zielfernrohre nachgerüstet. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass in diesem Zusammenhang viele Kunden der FLG-Schussleistung besonderes Augenmerk schenkten.

Wer also heute mit Flintenlaufgeschossen jagen will, muss von Ausnahmen abgesehen, zunächst seine altgedienten beziehungsweise liebgewordenen Waffen so nehmen, wie sie sind und schauen, wo die dicken Bleibatzen einschlagen, wenn die Patronen in den glatten Läufen gezündet wurden.

Flintenlaufgeschosse bleiben auch nach Durchchlagen von Hindernissen kompakt und ändern sich in der Form nur wenig

 

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