Uwe Schmid und seine Produkte:
Auf „Maß“ wird bei Uwe Schmid eigentlich alles gefertigt – vom Jagdgürtel über die Jagdgamasche – bis hin zur Wurst. Wir besuchten einen Sattler, der auch Metzger ist.
Von Claudia Elbing, Michael Schmid
Schwarzdorn, Wacholder und Kalkfelsen sind Wahrzeichen der „rauen“ Schwäbischen Alb. Bei harten Nachsucheneinsätzen lösen sich diese landschaftlichen Reize schnell in einen jaulenden Schmerzensschrei auf, wenn der Schwarzdorn dem Schienbein eine durchschlagende „Injektion“ verteilt. Maßgefertigte Ledergamaschen der „robusten Art“ waren der erste positive Kontakt – nicht nur unserer Beine – zu dem kleinen Familienbetrieb von Sattlermeister Uwe Schmid (Tel. 0 74 28/91 88 05, www.uwsdesign.de.
Ganz oben auf dem Dachboden, in seinem Haus in Geislingen-Erlaheim, tauchen wir dann auch gleich in die Grundlagen der Sattlerarbeit ein. Liebe zum Naturprodukt Leder und qualifiziertes Fachwissen über Gerbverfahren und Verwendungszwecke vermittelt uns der Schwabe in einem Kurzlehrgang. Überwiegend Vollrindleder, aber auch Elch oder Wasserbüffel kommen bei „UWS“ – so der Name des Betriebes – zur Verarbeitung. „Die Qualität des Leders steht absolut im Vordergrund“, betont Firmensenior und Jäger, Karl Schmid. Ledergamaschen auf Maß, Segeltuchgamaschen, Jagdtaschen, Rucksäcke sowie Apportiersäcke für Land- und Wasserarbeit sind das „Standardrepertoire“ für den jagdlichen Markt.
Wir sitzen immer noch auf den Brettern des Dachbodens, ein Stück pflanzengegerbtes Leder in der linken Hand, den jagdlichen Prospekt auf den Knien und die logische Frage auf den Lippen: Was produziert ein kleiner Sattlerbetrieb sonst noch? „Auf Maß alles, was möglich ist“, lautet die einfache Antwort – „außer Hosen und Jacken“. Neben der Produktion von Jagdausrüstung ist das zweite Standbein die Autosattlerei. Hochwertige Motorradsitze und die Restaurierung der Lederausstattung von Oldtimern stehen auf dem Programm. Dem ursprünglichen Standbein des Familienbetriebes – Pferde- und Kutschfahrsport – bleibt man natürlich auch treu. Und auch die Historienliebhaber haben Uwe Schmid entdeckt und lassen Stulpen- oder Landsknechtgamaschen für Kostüme und Uniformen fertigen.
Über das Hobby und die Mithilfe im väterlichen Betrieb ist Uwe Schmid zum Sattlermeister geworden. Eigentlich erlernte der 36-Jährige den Metzgerberuf und erwarb hier auch den Meistertitel, so dass der Sprung in einen anderen Beruf zuerst schwer fiel. Doch diese mit Kälte und Feuchtigkeit verbundene Arbeit beeinträchtigte Uwe Schmid gesundheitlich erheblich. Und es war alles andere als ein abrupter Wechsel. Die Arbeit mit Ahle, Nadel, Faden und Sattlerhammer lag im Blut beziehungsweise in der Familie. „Meine Jeans habe ich stets selbst geflickt“, blickt Uwe Schmid zurück, und Vater Karl ist gelernter Sattler. Diesen Beruf behielt er aber nicht bei, sondern wechselte zur Polizei. Aber mit dem Ruhestand holte ihn vor gut zehn Jahren die Sattlerei wieder ein, und durch vermehrte Aufträge war die Mithilfe von Sohn Uwe gefragt.
Seit 1998 steht der 2,03-Meter-Riese hinter „UWS“. Ideen für jagdliche Ausrüstung und Anforderungen kommen vom Vater, mit erfahrenen Hundeführern und -züchtern wurden darüber hinaus Apportiersäcke entwickelt.
“Altes Sattlerwerkzeug hat eine Qualität
Lichtdurchflutet ist der Zuschnittraum im Anbau, Lederduft liegt in der Luft. Auf dem großen Zuschneidetisch wartet eine Auswahl an Sattlerwerkzeug und Schablonen für Gamaschen und Jagdrucksack auf uns. Mit routinierten Strichen zeichnet Uwe Schmid eine Gamasche aufs Vollrindleder und erklärt uns die Funktionen von Halb- und Viertelmond, Kantenbrecher, Falzbein und Reifelholz.
Anhand der Gürtelherstellung bekommen wir wesentliche Produktionsschritte aufgezeigt. Der rasiermesserscharfe Riemenschneider wird auf vier Zentimeter eingestellt und macht seinem Namen alle Ehre. „Schärfe ist beim Werkzeug alles“, sagt Uwe Schmid, „beim Nachschärfen ist mein Wissen aus der Metzgermeisterzeit äußerst hilfreich.“
Mit dem Gürtelrohling ziehen wir in den Nähraum um. Eine Einfassmaschine, zwei leichtere Nähmaschinen und eine schwere Sattler-Nähmaschine sind hier die zentrale Ausrüstung. Das gesamte jagdliche Produktspektrum findet sich ebenfalls auf den Tischen. Doch wir sollen die Sattlernaht von Hand kennenlernen und wenden uns wieder dem Gürtel zu. Mit dem Halbmond wird er zunächst abgekantet und die Gürtelecke nach Augenmaß geschnitten. Durch Reibung, Wärme und Druck bringen Reifelholz und Falzbein Verzierungen aufs Leder. Sorgfältig wird mit dem Halbmond das Leder für die Schließe ausgeschärft, dann kommt der Gürtel auf den Amboss und das Langloch für den Dorn wird geschlagen.
Danach nimmt er einen rustikalen Nähkloben zur Hand. „Rustikal“ ist wohl das richtige Wort, denn „altes Sattlerwerkzeug hat eine Qualität, die man heute kaum mehr findet“, resümiert der Sattlermeister. Es stecke da einfach mehr Wissen um geeignetes Holz und Verarbeitung in den Werkzeugen, weiß Schmid.
Jetzt greift er zu Nadel, Faden und Ahle. Eine Sattlernaht ist nicht nur aufwändiger, sondern auch haltbarer als eine herkömmliche Maschinennaht. Mit der Ahle werden dabei die Löcher vorgestochen und mit den Nähnadeln das Garn von links und rechts durch das Leder gezogen. Die Fäden kreuzen sich also im Material. Bei Forstgürteln, die das Ausrüstungsgeschirr tragen müssen, kommt dieser „Kreuzstich“ beispielsweise immer zur Anwendung. Jagdliche Gürtel stehen bei „UWS“ selbstverständlich auch auf dem Programm, ebenso wie Messerscheiden. Findet man eine Schließe mit Jagdmotiv, kann man sich in Geislingen den passenden Gürtel dazu anfertigen lassen.
Wer Lederrucksäcke mit starr und extrem schwer verbindet, liegt bei „UWS“ falsch. Handschuhweiches, griffiges fettgegerbtes Vollrindleder, die Taschen und der Deckel ledergefüttert und eine hochwertige Verarbeitung von Riemen, Verschlüssen und Schnürung, machen den Jagdrucksack zu einem Schmankerl. „Ist das nur etwas für Schönwetterjäger“, fragen wir unwillkürlich. „Nein, das ist ein Allrounder“ lautet die klare Antwort von Uwe Schmid, „aber Pflege muss sein“. Regelmäßiges Einfetten mit Lederfett gehört bei einem Naturprodukt einfach dazu. „Gängigstes Produkt sind allerdings die Gamaschen“, wird uns erklärt. Lederrucksäcke kaufen überwiegend eingefleischte Lederliebhaber. „Aber unsere Kunden wissen es zu schätzen, dass auch bei den Rucksäcken Sonderwünsche und Maßanfertigungen kein Problem sind.“
„Reklamationen sind Mangelware“, sagt Vater Karl zufrieden, Sonderwünsche dagegen häufig: Für seine Gamaschen wünschte sich ein Jäger eine metallfarbene Schließe in Grün – „das sehen sonst die Rehe“. Flugs wurde der Wunsch ausgeführt. Und wer auf seinem Rucksackriemen unbedingt einen Knopf haben will, damit das Gewehr nicht herunterrutscht, bekommt ihn auch. „Den Wunsch nach einem ledernen Gummistiefelersatz für einen Angler mussten wir ablehnen, das kann Leder dann doch nicht leisten“, schmunzelt der Vater.
Ein weiteres Standbein für den kleinen Handwerksbetrieb
Der heutzutage exotische Wunsch nach einer so genannten Bockschürze – einem probaten Verhütungsmittel in Ziegenkreisen – konnte hingegen problemlos erfüllt werden. Als die Schürze dann auf dem betreffenden Bauernhof angeliefert wurde, fragte die Bäuerin ganz verwundert nach Sinn und Zweck der Lieferung, da sie von dem Auftrag ihres Mannes nichts wusste. „Da kommt man schon kurz in Erklärungsnot“, so Schmid.
Als uns um die Mittagszeit der Magen knurrt, werden wir gefragt, ob wir ein paar geräucherte Würstchen vertragen würden. „Nach drei Jahren Pause habe ich doch wieder geschlachtet“, erzählt uns Uwe Schmid, und zeigt uns die Schlachtküche – mittlerweile ein weiteres Standbein für den kleinen Handwerksbetrieb. Der Verkauf der jagdlichen Produkte spielt sich neben Prospekt- und Internetbestellungen viel auf Messen ab. Dem Geruch von Leder können einige widerstehen, dem Duft von Wildschinken und Wurst nur wenige. „Ich kann halt beides bieten“, schmunzelt Uwe Schmid, „ich bin sozusagen der Sattler-Metzger“.
Mit prüfendem Blick: Qualität ist wichtig – Leder aus verschiedenen Gerbereien findet bei UWS seine Verwendung |