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„Raus aus den grünen Unterhosen“

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Der neue CIC:
Der Internationale Jagdrat (CIC) übt Kritik an der eigenen Zunft. Zahlreiche Aktionen rund um den Erdball sollen der Jagd im heimischen Revier zugute kommen.

 

In 78 Staaten arbeitet der CIC ehrenamtlich für die Erhaltung des Wildes und der Jagd

Von Andreas Kläne

Man könnte glauben, er produziere einen Monumentalfilm. Ständig auf Suche nach Akteuren und Schauplätzen, klappert er den Globus ab. Überzeugt Widersacher, glättet Wogen, treibt Geld ein. Und das alles hinter den Kulissen. Dennoch hat dieser Macher namens CIC keine Illusionsfabrik. Als „Internationaler Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd“ rackert er seit 78 Jahren dafür, dass Jagd nicht längst zur Illusion verkommen ist.

In diesem Szenarium ist der Jäger der Leinwandstar. Er steht im Rampenlicht, im öffentlichen Interesse, in der Kritik. Der CIC ist sein Produzent. Die Öffentlichkeit registriert ihn kaum, und die Wenigsten ahnen, was der Produzent in die Wege leitet, damit die Geschichte der Jagd zum weltweiten Dauerbrenner wird.

CIC in 78 Staaten

Sämtliche Frauen und Männer dieser international agierenden Organisation engagieren sich ehrenamtlich. Auch ihr Präsident: Der gebürtige Kölner Dieter Schramm lebt als selbstständiger Unternehmensberater in London. Auf die Frage, wie er es schaffe, den CIC in 78 Staaten und verschiedensten Kulturen unter einen Hut zu bringen, erwähnt er ein „sehr, sehr weites Spinnennetz“, das er beruflich international aufgebaut habe. Heute komme ihm zugute, seinen Lebensunterhalt stets im „Umherziehen durch verschiedene Kulturen“ verdient zu haben. Das heißt unter anderem vier Jahre Amerika und vier Jahre, in denen er ein Büro im Iran hatte. Heute, in seiner mittlerweile zweiten Amtsperiode als CIC-Präsident, erinnert sein Terminkalender an den des Bundesaußenministers: gestern Paris, heute Oslo, morgen Amman, übermorgen Budapest. Schramm würde sich deshalb aber nicht als Zigeuner bezeichnen. Er beschreibt sich als einen Mann, „der mit großen Kinderaugen immer gern auf neue Herausforderungen, neue Kulturen, neue menschliche Eigenarten zugeht“. Das bedeutet für ihn keineswegs, sich ständig und überall anzupassen. Der CIC-Chef nimmt das Fremde „einfach mit Freude zur Kenntnis.“

Weltweit 1.100 Mitstreiter

Mit einem Hang zu Anpassung und Defensivität sieht der 65-Jährige keine Chancen, das Feld für die Jagd immer wieder neu zu bereiten. Nicht alle im CIC teilen diese Meinung. Schramm spricht von „einigen Leuten“, die ihm „gehörig die Kugeln um die Ohren schießen“. Dennoch: Er trimmt seine weltweit 1 100 CIC-Mitstreiter auf Offensivität. Nur so könne der Verband auch künftig gewährleisten, was er sich als „Unternehmensziel“ auf die Fahnen geschrieben habe. Nämlich überall dort auf der Welt mitzuarbeiten, zu beraten und zu beobachten, wo richtungsweisende Entscheidungen in Sachen Naturschutz gefällt werden: zum Beispiel bei den Vereinten Nationen, bei den Internationalen Konferenzen oder der Vereinigung zur Erhaltung der Natur und Naturressourcen (IUCN).

Dieter Schramm weiß, dass Jäger sich leidenschaftlicher um die Belange im eigenen Revier sorgen, als um den Erfolg wissenschaftlich komplizierter CIC-Aktionen auf der anderen Seite des Erdballs. Aber er sagt: „Auf internationaler Ebene spielt die Musik.“ Dort werde auch das Schicksal der Jagd in Deutschland bestimmt. „Dortige Entscheidungen schlagen durch. Und zwar immer schneller: gestern in Johannesburg, heute in Brüssel, morgen in Berlin und übermorgen in der Gemeinde, in der wir leben.“

Im Interesse der Öffentlichkeit tätig

Apropos Mitsprache auf internationaler Ebene: Seit Anfang November sind die Möglichkeiten des CIC diesbezüglich gewachsen: Dieter Schramm spricht von einem „Quantensprung“. Der Grund: Sein Verband hat die staatliche Anerkennung der österreichischen Regierung bekommen. Das heißt: Er genießt künftig international den Status, im Interesse der Öffentlichkeit tätig zu sein. Ausgerüstet mit dieser Anerkennung kommt der CIC nicht nur leichter an Geld, seine Stimme findet auch auf höchster Ebene stärker Gehör. Auf diese Weise etabliert, strebt der CIC nicht zuletzt folgendes Ziel an: Wenn die Bundesrepublik im Rahmen der Konvention für biologische Vielfalt den hohen Stellenwert der Jagd unterschreibt, „kann eine Verbraucherschutzministerin das Ding nicht mehr auf den Kopf stellen“.

Zahlreiche einflussreiche Mitglieder weltweit und König Juan Carlos als Schirmherr geben diesem Verband Stärke. Deshalb drängt sich die Frage auf: Wo war der CIC, als der niederländischen Jagd seitens ihrer Regierung die Patronen aus dem Lauf genommen wurden? Diese Frage stellt sich, zumal die Niederlande neben weiteren 33 Nationen Staatsmitglied des CIC war und ist. Schramms Antwort: „In diesem Fall hatten wir keine Möglichkeit. Die Beamten, die auf Seiten der Jagd standen, wurden einfach politisch kalt gestellt.“

Jäger an einem Tisch

Woanders ist der CIC umso erfolgreicher. Er hat es geschafft, sämtliche Jagdverbände des ehemaligen Jugoslawien an einen Tisch zu holen. Die Menschen dort in Eintracht zu versammeln haben bisher nicht einmal UNO und EU fertig gebracht. Die Themen der Verbandsmitglieder: „Minen entfernen“ und „Sicherheit in den Wäldern“. Ferner rangen sie zusammen um Antworten auf die Frage: „Was können wir tun, damit neuseeländisches Farmwild bei uns nicht billiger verkauft wird als das, was wir selber schießen?“ Was Dieter Schramm dabei als „große Faszination“ erlebte, ist, „Menschen über ihre gemeinsame Passion zusammen zu bringen“. Ein weiterer Erfolg: Das Verbot der Bärenjagd in Teilen Kanadas konnte aufgrund präziser wildbiologischer Fakten gestoppt werden.

Als eine „große Baustelle“ bezeichnet Dieter Schramm die Falknerei. Den Erziehungsminister der Vereinten Arabischen Emirate nennt er „einen Freund“, und gemeinsam wollen sie versuchen, die Falknerei als Kulturerbe bei der UNESCO zu etablieren.

Jagdgegnern nicht das Feld überlassen

Vieles was der CIC weltweit erreicht, scheint der Jagd in Deutschland nichts zu bringen. Aber nur auf den ersten Blick. Ein Beispiel: 1999 traf sich die CITES in Nairobi zu ihrer Weltkonferenz. CITES ist die Vertretung von 146 Staaten, die den Handel mit Tierprodukten kontrolliert. Neben den 146 Staaten waren auch 132 Nicht-Regierungsorganisationen (Lobbyisten) zugelassen. Und Letztere waren dort bestens organisiert gegen die Jagd angetreten. Ergebnis des Treffens: Der Handel mit Elfenbein wurde untersagt. Aber nicht nur das: In Botswana und Simbabwe stieg der Elefantenbestand auf das Doppelte und fing an, seinen eigenen Lebensraum nachhaltig zu zerstören. Die nächste CITES-Weltkonferenz fand 2002 in Santiago statt. Diesmal war der CIC mit von der Partie. Unter anderem mit dem Ergebnis: Der Handel wurde trotz Protestgeschrei der Gegner vorsichtig geöffnet. Schramm sagt, der Handel mit Elfenbein „juckt mich eigentlich weniger. Mir geht es um die Erhaltung der Jagdmöglichkeit vor meiner Haustür“. Er denkt sich: „Wenn heute der Handel mit Elfenbein verboten wird, ist womöglich morgen der Transport eines Gamsbartes über die Nachbargrenze illegal.“

Schramm wirft der eigenen jagdlichen Zunft vor, das Feld der internationalen Entscheidungen jahrelang „kurzsichtig und kampflos“ den Jagdgegnern überlassen zu haben. Vor allem die Gegner hätten Begriffe wie Ökosystemgerechtigkeit und Nachhaltigkeit in Umlauf gebracht. Dabei gehöre insbesondere die Nachhaltigkeit nicht nur zum Prinzip des CIC, sondern zur Jagd schlechthin. Wer als Jäger dieses Prinzip im Revier missachte, zerstöre schließlich wirkungsvoll seine eigene Jagdmöglichkeit.

Agieren statt reagieren

Ein wesentliches Ziel des CIC ist die Bewusstseinsbildung des Jägers. Schramm drückt das anders aus, indem er sagt: „Wir müssen ihn dazu bringen, aus seinen grünen Unterhosen zu hüpfen und zu agieren, statt ständig nur zu reagieren.“ Dieses Ziel werde durch eine Erziehung zum Naturverständnis erreicht. Er nennt ein Beispiel aus Südafrika: „Dort bekommt niemand ein Amt in der Behörde, wenn er nicht nachweisen kann, dass er eine Ausbildung im Naturbereich hat. Er kann im Finanzamt nichts werden, wenn er diese Ausbildung nicht nachweisen kann.“ Der CIC-Präsident findet diesen Gedanken nicht nur in jagdlicher Hinsicht faszinierend, denn er sagt sich: „Die Kenntnis um die Zusammenhänge in der Natur bedeuten auch Kenntnisse um die Natürlichkeit von Tod und Leben. Bei uns wird der Tod ja mittlerweile total tabuisiert.“

Zum überzeugten Handeln passt es nach Auffassung Schramms nicht, sich um Jagdgegner allenfalls zu kümmern, indem man sie „vom Hochsitz aus bespuckt“. Und zum überzeugenden Agieren wünscht er sich überzeugende Selbstkritik. Nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen als Unternehmensberater sagt er: „Wenn Jagdverbände und CIC von sich aus nicht die schwarzen Schafe im eigenen Beritt brandmarken und konsequent ausgrenzen, verlieren wir jegliche Glaubwürdigkeit.“ Überhaupt sieht Schramm es als zwingend notwendig an, „dass Jagdverbände und CIC sich gegenseitig grün sind“. Wenn nicht, käme ihm das Bemühen um das „Produkt Wildtier“ vor wie ein „Körper ohne zentrales Nervensystem“. Mit Sorge schaut Schramm auf die „Fanatiker aus den eigenen Reihen“. Damit meint er solche, die jede zeitgemäße Überlegung bezüglich einer zukunftsfähigen Jagd „als Verrat und Aufgabe liebgewordener Traditionen anschießen“. Sie fügten der Glaubwürdigkeit der Jägerschaft erheblichen Schaden zu.

Weg von den Rekordlisten

Regelrecht ins Hornissennest sticht der Verband mit seinem heutigen Denken bezüglich des CIC-Punktesystems. In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts etablierte er die Punkte schlicht als Messsystem für die Qualität der Trophäen. Heute geht es dem CIC um etwas anderes. Er sagt: „Fort mit den Erleger-Rekordlisten. Ehren wir stattdessen die Reviere, in denen dank nachhaltiger Hege starkes Wild heranwachsen kann.“ Dem CIC geht es nicht um das Goldmedaillengeweih, sondern um die Durchschnittstrophäe. Sie sieht er als einen Indikator für gesunde Wildpopulationen. Darum will er sie fördern und ihr einen entsprechenden Rahmen geben. „Wir müssen weg von den Rekordlisten,“ sagt Schramm. „Es ist das Revier und das Biotop, das zu loben ist. Die Rekordmanie ist nicht werbewirksam. Sie ist tödlich.“

Noch Fragen zum CIC?

Weitere Informationen über den CIC sind bei Dr. Sigurd Lehmann-Tolkmitt, Armin-Knab-Straße 7, 97074 Würzburg, Telefon 09 31/7 70 21, erhältlich.

CIC-Präsident Dieter Schramm (rechts) mit Shafgat Kakahel, dem stellvertretenden Executivdirektor des Umweltprogramms der UN (UNEP), bei einer Tagung in Bishkek

 

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