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Sächsische Weihnachtsböcke

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Umstrittene Jagdzeitänderung beim Rehwild:
Unmut und Unverständnis löste unter der Mehrzahl der sächsischen Jäger die
Verlängerung der Jagdzeit auf Rehböcke vom 16. Oktober 2003 bis 31. Januar 2004 aus.

 

Dieser Rehbock kann in Sachsen bis zum 31. Januar straffrei erlegt werden

Von Alexander Krah

Jetzt haben es die kleinen unkündbaren, ultragrünen Männchen unter den sächsischen Landesforstbediensteten doch tatsächlich noch geschafft“, sagte ein Jagdpächter aus dem Erzgebirge verbittert gegenüber WILD UND HUND. Mit „geschafft“ war der Erlass des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) vom 28. August 2003 zur Verlängerung der Jagdzeit auf Rehböcke vom 16. Oktober 2003 bis 31. Januar 2004 in den Verwaltungsjagdbezirken des Freistaates gemeint. Er enthielt die Option für alle sächsischen Revierinhaber, dies ebenfalls beantragen zu können. Wie die nichtstaatlichen Revierpächter aber Kenntnis von dem internen Erlass erhalten können, wurde nicht extra geregelt.
Anfang 2002 hatten einige Bundesländer im Bundesrat eine Änderung der Jagdzeit auf den Rehbock gefordert und waren gescheitert. Die meisten unionsgeführten Länder hatten sich gegen eine Verlängerung der Jagdzeit ausgesprochen. Der DJV hatte sich intensiv für die Beibehaltung der Schonzeit ab dem 16. Oktober für den Bock eingesetzt.

Zwei Gründe

Um die Verlängerung jetzt doch durchzusetzen, strapazierte das sächsische Landwirtschaftsministerium Paragraf 34 des Sächsischen Landesjagdgesetzes (SächsLJagdG), der den Minister für Umwelt und Landwirtschaft ermächtigt, „zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden“ und „bei Störungen des Naturhaushaltes“ abweichende Entscheidungen auch für Jagdzeiten zu treffen.

Zwei Gründe, so war aus Kreisen der Landesforstverwaltung zu erfahren, sollten diese Regelung ausgelöst haben: Erstens hätte das neue Verbissgutachten, das nach Aussagen des sächsischen LJV-Präsidenten Dr. Günter Giese noch gar nicht vorläge, noch deutlich überhöhte Rehwildbestände ausgewiesen, und zweitens wollte man für Bewegungsjagden die Jagdgäste bei „versehentlichen“ Fehlabschüssen vor der gesetzlich geforderten Selbstanzeige einschließlich des damit verbundenen Ordnungsgeldes bewahren. Doch das Wohl der Jagdgäste hatte die Regelung nicht allein im Auge, schaffte sie doch auch für alle Forstbediensteten den Freibrief „etwas lockerer“ mit dem Rehwild, insbesondere auch bei Drückjagden, umzugehen. Dies sicher nicht zuletzt auch deshalb, weil die Verwaltungsvorschrift des SMUL über die Jagd in den Verwaltungsjagdgebieten des Freistaates Sachsen (VwV-Jagd) vom 25. März 2003 vorschreibt, dass „Abschüsse nicht freigegebenen Wildes zum Schadenersatz in Höhe des Trophäenentgeltes, mindestens jedoch in Höhe des Zulassungsentgeltes“ auch für Forstbedienstete gilt und „entsprechend den Regelungen für Forstbedienstete mit der Dienstaufgabe Jagd zu ahnden“ sind.

Klärungsbedarf

Zwei Monate brauchte es, bis der SMUL-Erlass am 27. Oktober 2003 als Dienstanweisung vom Landesforstpräsidium an die sächsischen Forstämter ging. Es wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass keine Extrafreigaben von Rehböcken bei Gesellschaftsjagden erfolgen sollten. So blieb es dann der jagdlichen Geisteshaltung der Forstamtsleiter und ihrer mit den Jagdaufgaben betrauten Mitarbeiter überlassen, wie mit dieser Ermächtigung umgegangen wird. Manche hielten aus eigenem Unbehagen heraus das Papier „als Joker im Ärmel“, nur um reagieren zu können, wenn beim Abschuss etwas schief lief. Andere erläuterten, wie das beispielsweise aus dem Forstamt Olbernhau zu erfahren war, diese Regelung so süffisant, dass auch prompt bei der nächsten Jagd (am 22.11.03) vier Böcke, davon hatten zwei noch auf, mit auf der Strecke gelegen haben sollen. Für diese sollen dann feierlich und „rechtlich korrekt“ die Brüche überreicht worden sein.

Interessant ist, dass gerade in diesem Forstamt der sächsische Ökologische Jagdverband mit Revierförster Thomas Bader als dessen 1. Vorsitzenden sein geistiges Zentrum hat.

So war es auch nicht verwunderlich, dass am 15. Dezember 2003 eine Gruppe aufgebrachter Jäger der Jägerschaft Marienberg, mit ihrem Vorsitzenden Jürgen Börner, in Großrückerswalde zusammenkamen, um sich mit einem Brief an den sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (siehe Kasten) über den „Bockerlass“ des SMUL zu beschweren. Sie verbanden ihren Protest mit einer Schilderung rüder Jagdpraktiken der „Ökojäger“ in diesem Forstamt, die schon ans Unglaubliche grenzten.

So wurde beispielsweise eine „Jagd“ am 6. Dezember in der etwa 180 Hektar (!) großen Waldinsel Mordelgrund geschildert, die bekannt dafür ist, dass sich bei schneidendem Nordostwind nahezu das gesamte Wild der angrenzenden Jagdbezirke zum Schutz einstellt. Unter Ausnutzung einer solchen Wetterlage sollen etwa 40 handverlesene „Ökojäger“ mit zwei Hundemeuten (zirka 35 bis 40 Hunde) 16 Stück Rehwild, 16 Stück Rotwild, darunter neun Hirsche, und acht Sauen erlegt haben. Da das ausbrechende Wild immer wieder in den (scheinbar) schützenden Wald zurückkehrte, hatten die ÖJV-Jünger leichtes Spiel. Anschließend sollen den Hirschen die Stangen einzeln abgesägt worden sein, weil diese nicht mehr auf dem Abschussplan standen. Zwei Tage später wurde eine Abschussplanerhöhung beantragt, um die haushohe Überziehung des Planes zu legalisieren. Da in Sachsen die Landesforstverwaltung sich alle hoheitlichen behördlichen Rechte für die eigene Jagd vorbehalten hat, können solche Überziehungen praktischerweise „in der eigenen Familie“ geklärt werden.

Weiterhin sollen bei der Drückjagd abenteuerliche Hunde zum Einsatz gekommen sein, so die Marienberger Jäger. Unter ihnen sollen sich allerlei Mischlinge bis hin zum Pit Bull Terrier befunden haben. Überjagende Hunde bei Jagden im Staatsforst seien schon fast die Regel, statt ein Ausnahmefall, berichteten angrenzende Revierpächter. Es laufen Anzeigen bei der Polizei, in denen es bis zur persönlichen Bedrohung von Reviernachbarn geht.

Höchst unerfreuliche Jagdverhältnisse also, die mit der Legalisierung von ÖJV- Zielen wie dem erwähnten „Bockerlass“ weiter eskalieren werden, meinen die in Marienberg anwesenden Jäger. Das Forstamt Olbernhau hatte bis zum Redaktionsschluss zu den Vorwürfen keine Stellung genommen.

Ein Dorn im Auge

Der sächsische Bockerlass ist nicht nur eine Ländersache. Juristen sehen darin einen Präzedenzfall, der bei anderen Bundesländern Schule machen könnte. Die jagdpolitische Dimension wird nicht zuletzt darin deutlich, dass der Bruch mit der Tradition, den Rehbock ohne Kopfschmuck nicht zu erlegen, schon seit langem dem ÖJV und einigen Naturschutzverbänden unter dem Dach des Deutschen Naturschuztringes ein Dorn im Auge ist und mit einer Novelle des Bundesjagdgesetzes abgeschafft werden soll. Die Ökoseite erhofft sich darin die Lösung ihrer „Schalenwildprobleme“, die traditionellen Jäger sehen darin den Freibrief, alles zu schießen, was einem vor die Büchse und – wenn es nach den Ökojägern ginge – vor die Flinte käme.

Die generelle Verlängerung der Jagdzeit auf den Rehbock steht noch vor dem Schrotschuss auf Rehwild mit an oberster Stelle eines DNR-Forderungskataloges zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes. Der ÖJV gibt sich dabei gerne die Rolle des kompetenten Beraters. So dürfte die sächsische Entscheidung im Ökolager als Etappensieg gefeiert wird.

Entsetzen und auch Bedauern

Das nun ausgerechnet in dem unionsgeführten Land Sachsen als erstes mit jagdlichen Traditionen gebrochen wird und „grünes Gedankengut“ umgesetzt werden soll, will den sächsischen Jägern nicht in den Kopf: „Wir haben diese Partei und damit unsere gegenwärtige Landesregierung gewählt, weil die CDU bei uns für die Bewahrung guter alter Traditionen und nicht zuletzt auch für das damit verbundene jagdkulturelle Erbe steht“, so die enttäuschten Jäger aus dem Erzgebirge, die sich mit einer Beschwerde an die Landesregierung wendeten.

Der Präsident des Landesjagdverbandes, Dr. Günter Giese, erfuhr erst durch WILD UND HUND von dem sächsischen Bockerlass. Er war vom Ministerium nicht informiert worden. Er reagierte sofort und brachte in einem Brief an die Kreisvorsitzenden des LJV seine Empörung und sein Unverständnis über diese, nach seiner Auffassung durch nichts gerechtfertigte Entscheidung zum Ausdruck, für deren Korrektur er sich einsetzen wolle.

Auch der Präsident des Deutschen Jagdschutz-Verbandes Jochen Borchert brachte gegenüber WILD UND HUND sein Entsetzen und auch Bedauern über die sächsische Entscheidung zum Ausdruck, die den verbandspolitischen Zielen des DJV direkt entgegenstünde. Er würde alles unternehmen, um diese Entscheidung korrigieren zu lassen, ließ der DJV-Chef verlauten.
Als nächstes wollen die Jäger in Großrückerswalde Unterschriften für ihre Anliegen sammeln und bereiten Listen für ihre Mitglieder vor. „Und dann“, meint einer, „ sind in Sachsen im kommenden Jahr immer noch Landtagswahlen.“

 

 


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