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Von Andreas David
Mobil zu sein, bedeutet ein hohes Maß an Freiheit und Lebensqualität. Für den Weg zur Arbeit, im Berufsleben selbst und in der Freizeit ist für uns eine weitestgehende Mobilität immer wichtiger geworden. Wir alle möchten im Zweifel möglichst schnell von A nach B kommen, und die öffentliche Hand trägt ihren Part im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten durch eine fortlaufende Instandsetzung und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur dazu bei.
Das hat seinen Preis. Einerseits für uns Menschen, andererseits für die freilebende Fauna und Flora und damit eben auch für das Wild und zahllose weitere Wildtiere. Denn neben dem immensen Flächenverbrauch und der Zerschneidung und Beunruhigung von Lebensräumen fordert der Straßen- und Schienenverkehr durch Wild(tier)unfälle zwangsläufig einen hohen Tribut.
Fast sieben mal um die ganze Welt
Die Fakten: Die Gesamtlänge der bundesdeutschen öffentlichen Straßen des überörtlichen Verkehrs betrug zum 1. Januar 2004 etwa 231 581 Kilometer. Die Länge des Autobahn-Netzes ist dabei mit 12 037 Kilometern oder fünf Prozent fast zu vernachlässigen. Aus Sicht des Wildunfallgeschehens kommt hinzu, dass ein großer Teil der Autobahnen gezäunt ist und somit zumindest den jeweils vorkommenden Schalenwildarten die Wechsel versperrt. Bei kleineren Arten sowie einem bestimmten Spektrum der Federwild- und weiterer Vogelarten – vor allem Greifvögel – zeichnen jedoch auch oder vor allem die Bundesautobahnen für hohe Verluste verantwortlich (siehe unten). Etwa 127 Kilometer Autobahn werden bis Ende des Jahres 2004 hinzukommen. Im Jahr 2003 wurden rund 150 Kilometer neuer Autobahnen beziehungsweise Autobahnabschnitte freigegeben. Schon diese Daten verdeutlichen, welch hoher Flächenverbrauch allein durch Straßenbaumaßnahmen in unserem Land anfällt.
95 Prozent des überörtlichen Netzes entfallen aber auf die Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen, jene Verkehrswege also, auf denen sich der ganz überwiegende Teil des registrierten Wildunfallgeschehens abspielt. Rechnet man die Gemeindestraßen (innerörtlicher Straßenverkehr) hinzu, ergibt sich mit etwa 650 000 Kilometern fast der dreifache Wert. Da Wildunfälle in Städten und Gemeinden jedoch nach wie vor relativ selten sind, soll auf die Gemeindestraßen an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Betroffen sind dort überwiegend Steinmarder, Ringeltauben und Wildkaninchen sowie in zunehmendem Maße auch der Fuchs.
Zurück also zum überörtlichen Verkehr. Zu den insgesamt 231 581 Straßenkilometern kommt ein nicht weniger als 41 115 Kilometer langes Schienennetz der Eisenbahn. Wobei diese Zahl – wie bei den Autobahnen – nur die so genannte Betriebslänge bezeichnet. Zwei-, drei- oder mehrgleisige Trassen werden dabei als Einheit gerechnet. Summa summarum ergeben sich aktuell 272 696 Kilometer überörtlichen Straßen- und Schienenverkehrs in Deutschland. Orientiert am Erd-Äquator heißt das: Fast sieben Mal um die ganze Welt – nur in Deutschland!
Hinzu kommt, dass in unserem Land zur Zeit etwa 44,66 Millionen Pkw zugelassen sind. Dabei sind Motorräder und Lkw nicht berücksichtigt. Bei 82,2 Millionen Einwohnern sind das 543 Pkw pro 1 000 Einwohner! In der EU sind pro 1 000 Einwohner durchschnittlich 496 Personenkraftwagen zugelassen.
Eine unbekannt hohe Dunkelziffer bleibt alljährlich unberücksichtigt
Zwischen 44,66 Millionen Pkw plus Lkw und Motorrädern sowie Eisenbahnen und einer täglich unbekannt hohen Zahl ausländischer Fahrzeuge auf 272 696 Kilometern Straßen und Schienen bewegen sich mindestens(!) 172 600 Stück Rotwild, 149 260 Stück Damwild, gut 2,5 Millionen Rehe und etwa 770 000 Sauen – also rund 3,6 Millionen Stück Schalenwild – sowie weit über 1,5 Millionen Hasen, Wildkaninchen und Füchse. Und das alles auf nur 357 020 Quadratkilometern. Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass abhängig vom jeweiligen Verkehrsaufkommen, der Struktur der Verkehrs-Trassen selbst und ihres Umfeldes sowie der örtlichen Wilddichte alljährlich ein beachtlicher Teil der Streckenergebnisse auf Wildunfällen beziehungsweise Fallwild basiert. Eigentlich ist es im Gegenteil fast erstaunlich, dass es nicht viel häufiger zu Zusammenstößen mit Wild kommt. Doch bleibt eine unbekannt hohe Dunkelziffer alljährlich unberücksichtigt. Dass selbst Unfälle mit relativ großem Wild mitunter völlig unbemerkt bleiben, zeigt ein Bericht in WuH 10/2004 (S. 106). Ein Bahnunfall mit drei Stück Schwarzwild zwischen Hamburg und Bremen wurde erst einige Tage später nur durch den Nothalt eines ICE entdeckt, als diesem mindestens zwölf Mäusebussarde in die Front flogen, die sich zuvor an den Kadavern der Sauen schadlos hielten. Grundsätzlich sollten deshalb auch im Revier befindliche Straßen und Bahnlinien regelmäßig abgelaufen und ihr Umfeld (Banketten, Gräben etc.) nach möglichem Fallwild abgesucht werden. Die Ergebnisse dieser Aktionen korrigieren nicht nur die Streckenergebnisse, sie offenbaren uns teilweise auch das Vorkommen von Wildarten, die wir im Jagdbetrieb selbst nur sehr selten oder gar nicht sehen. Doch wird selbst dann noch immer eine unbekannt hohe Zahl von verunfalltem Wild nicht registriert, das oft schon nach kurzer Zeit zum Beispiel von Fuchs und Sau sowie Greif- und Rabenvögeln ohne unsere Kenntnis nutzbringend „entsorgt“ wurde. Doch soll eine gemeinsame Bilanz des Deutschen Jagschutzverbandes, des ADAC und des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) an dieser Stelle genügen, um die Dramatik des Wildunfallgeschehens allein aus menschlicher Perspektive zu verdeutlichen: In Deutschland sterben durchschnittlich 30 Menschen pro Jahr bei Wildunfällen, über 3 400 werden verletzt, mehr als 700 von ihnen schwer. Weitere Details zu Sachschäden und Schadensregulierungen durch Versicherungen schildert Alexander Krah auf Seite 20.
Das Verhalten von Rehen ist nicht kalkulierbar
Seiner Verbreitung, seiner absoluten Häufigkeit und seinem Verhalten entsprechend ist das Rehwild (nach dem Mensch!) mit großem Abstand am häufigsten an Wildunfällen beteiligt. Durch sein spontanes und rasches Flüchten mit möglichen Wendungen und erneutem Betreten der Fahrbahn ist das Verhalten von Rehen in Gefahrensituationen auf oder an Straßen nicht kalkulierbar. Dr. Michael Petrak, Leiter der Bonner Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung, stellte in einer Publikation (1999) deshalb folgenden Vergleich an: „Das unberechenbare Verhalten des Rehwildes im Straßenverkehr ist durchaus vergleichbar mit dem von Kindern und älteren Menschen – alle drei sind dadurch besonders gefährdet“.
Folgerichtig geben viele Autofahrer nach Zusammenstößen mit Rehwild an, dass sie die Gefahr eigentlich schon gebannt glaubten. Doch plötzlich drehte das Reh eben doch noch um, oder urplötzlich sprang das Stück, kurz zuvor noch völlig ruhig äsend oder sichernd, völlig unvermittelt auf die Fahrbahn beziehungsweise vor das dann meist viel zu schnell fahrende Auto. Obwohl auch Rehwild – wie Rot- und Damwild mit weitgehender Ausnahme der Brunfthirsche – vor dem Überqueren einer Straße häufig verhofft und sichert und herannahende Fahrzeuge passieren lässt, ist die Gefahr des plötzlichen Vorpreschens beim Rehwild am größten. Vor allem Sauen erweisen sich zumindest beim Brechen in Straßennähe als außerordentlich wesensfest. Es kommt nur selten vor, dass sich ein Stück Schwarzwild verschätzt und unmittelbar vor ein Fahrzeug läuft. Wird das Auto erst bemerkt, wenn das Wild bereits auf der Fahrbahn ist, trabt Rotwild bis auf wenige Ausnahmen sofort an, um aus dem Gefahrenbereich zu kommen. Rehwild springt ab, möglicherwiese aber auch wieder zurück! Damwild dagegen verhofft häufig auf der Fahrbahn und sichert zum Auto. Es bemüht sich um eine sichere Identifizierung des mit hoher Geschwindigkeit herannahenden Objektes. Die Strategie, den nahenden Feind zunächst „anzusprechen“, bevor Energie in die Flucht investiert wird, war in den ursprünglichen Lebensräumen des Damwildes sicher sinnvoll. Im Straßenverkehr hat dieses Verhalten dagegen häufig fatale Folgen.
Die Zahl der Wildunfälle nimmt mit der Aktivität des Wildes zu
Die Gefahr eines Zusammenstoßes mit Rot- und Damwild steigt grundsätzlich immer dann, wenn es in Rudeln zieht und das Leittier die Straße bereits überquert hat. Die übrigen Mitglieder des Rudels geraten in den Konflikt, das Fahrzeug vorbeizulassen oder dem Leittier direkt zu folgen. Schwarzwild ist vor allem dann gefährdet, wenn die Rotten durch plötzliche Beunruhigungen in Straßennähe in Panik über die Fahrbahn flüchten (Petrak 1999).
Dass Wildunfälle weder tages- noch jahreszeitlich gleichverteilt registriert werden, ist bekannt und logisch. Die Zahl der Wildunfälle nimmt mit der Aktivität des Wildes zu. Diese steigt zumindest bei fast allen Haarwildarten in der Dämmerung, nachts und während der Fortpflanzungs- beziehungsweise Aufzuchtszeit sowie in territorialen Phasen. Die Zeit der Einstandskämpfe sowie die Blattzeit beim Rehwild, die Brunftzeit von Rot- und Damwild gehören ebenso dazu wie die Rammelzeit der Hasen, die Zeit nach der Ernte sowie jene nach ergiebigen Niederschlägen. Gleiches gilt zum Beispiel für die ersten weiteren Ausflüge der Jungfüchse sowie die Abwanderungen der dann meist einjährigen Dachsrüden. Diesbezügliche Untersuchungen zeigten, dass das Gros der überfahrenen Dachse junge Rüden sind.
Ein ernstes Problem aus Sicht des Tierschutzes
Eine Untersuchung des Institutes für Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover beweist darüber hinaus, dass die Zahl der auf bundesdeutschen Straßen getöteten Wildtiere unterschätzt wird. Dabei wurde auch deutlich, dass besonders die bei einem Verkehrsunfall verletzten, aber nicht sofort getöteten Tiere aus Sicht des Tierschutzes ein ernstes Problem darstellen. Dabei wurden auf einem 85 Kilometer langen Abschnitt der BAB 2 in Niedersachsen zwischen Hannover und Helmstedt von Mai 1992 bis April 1993 unter anderem alle aufgefundenen Säugetiere von der Trasse (Mittelstreifen bis rechtsseitigem autobahnbegleitendem Grünstreifen) untersucht. Ein Wildschutzzaun bestand nicht. Insgesamt wurden 1 566 Wildsäuger registriert. Davon entfielen etwa zwei Prozent oder 38 Individuen auf das vorkommende Schalenwild (33 Rehe, fünf Sauen). Die mittelgroßen Wildsäuger (Raubwild, Hase, Kaninchen) war mit etwa 46 Prozent oder 707(!) Tieren an der Statistik beteiligt: 311 Kaninchen, 53 Hasen, 149 Füchse, 42 Katzen, 87 Marder, 8 Dachse, 17 Iltisse und 40 Große beziehungsweise Mauswiesel. Das heißt im Klartext, dass an dem beschriebenen Abschnitt der A 2 in nur einem Jahr durchschnittlich nicht weniger als 0,4 Rehe, 0,6 Hasen, 3,7 Kaninchen, 1,8 Füchse und ein Marder pro Autobahnkilometer(!) „zur Strecke kamen“. Die übrigen 805 gefundenen Kadaver entfielen auf Kleinsäuger. Dabei ist davon auszugehen, dass die gefundenen 1 566 Säugetiere nur einen Bruchteil der tatsächlich getöteten ausmachten. Ein weiterer Schwerpunkt war die Untersuchung der ökologischen Barrierewirkung von Straßen auf wildlebende Säugetiere. Die Notwendigkeit von gefahrlosen Querungsmöglichkeiten für terrestrische Wildtiere in Form von Unterführungen oder Wildbrücken speziell an Autobahnen steht heute generell außer Frage. Die Umsetzung lässt allerdings „zu wünschen übrig“. Das Institut für Wildtierforschung gab seinerzeit die Empfehlung, den Autobahnabschnitt mit einem Wildsperrzaun auszustatten. Ein solcher würde die Barrierewirkung der BAB 2 nur unwesentlich verstärken, die Zahl der Wildunfälle und -verluste jedoch deutlich verringern (Fehlberg 1994).
In diesen Kontext passen die Ergebnisse einer Studie zur Zusammensetzung der Fuchsnahrung in Österreich. Suchentrunk (1995) führte im Rahmen der Erhebungen auch Fallwildzählungen entlang der österreichischen Bundesstraße B 3 (Wien-Krems) über einen Zeitraum von zwei Jahren durch. An den durch die freie Feldflur führenden Abschnitten der Straße zeigte sich, dass dort pro 300 Meter Bundesstraße und Jahr ein Hase von einem Fahrzeug getötet wird! In Kärnten belief sich nach Angaben des Statistischen Zentralamtes der Anteil der im Straßenverkehr getöteten Hasen auf 22,3 Prozent der Jahresstrecke, selbst beim Fasan erreichte die Straße noch einen Streckenanteil von 4,5 Prozent.
Immer wieder wird die weitgehende Wirkungslosigkeit der bundesweit üblichen Wildwechselschilder in Diskussionen um die Wildunfallverhütung zitiert. Im Vorfeld dieses Beitrages im April und Mai 2004 habe ich mich deshalb an verschiedenen Abschnitten der B 4 zwischen Lüneburg und Gifhorn, der niedersächsischen L 234 sowie der Uelzener K 21 und der Lüneburger K19 in der Dämmerung und bei Dunkelheit gut gedeckt mit dem Sitzstock an Verkehrsschildern „Vorsicht Wildwechsel“ angesetzt. Die Kriterien für die Streckenauswahl waren: ebenes Gelände, links und rechts der Straße Wald und mindestens drei Kilometer vorher durfte kein Wildwechselschild stehen. Als Reaktion seitens des Fahrzeugführers wurde eine sichtbare Verlangsamung ohne Bremsen oder die aufleuchtenden Bremslichter gewertet.
Ein psychologisches Problem?
Durch die Bank zeigte sich, dass die normalen Wildwechsel-Warnschilder nur sehr geringe Änderungen auf das jeweilige Fahrverhalten bewirken. An der gut ausgebauten B 4 zeigten von 242 Autofahrern lediglich neun oder 3,7 Prozent eine sichtbare Reaktion in obigem Sinne. An der Landesstraße 234 zeigte sich, dass zahlreiche Fahrzeugführer im Ortsausgangsbereich trotz einer Dopplung der Warnschilder „Achtung Wildwechsel“ und etwa 100 Meter weiter „Keiler kommt“ sichtbar beschleunigten und viele im Anschluss offenbar weit mehr als die dort erlaubten 70 Stundenkilometer fuhren. Nur 3,8 Prozent beziehungsweise vier Fahrer (n=104) reagierten mit einer sichtbaren Verlangsamung oder einem Abbremsen. An der Uelzener
K 21 beziehungsweise der Lüneburger K 19 zeigten gar nur 3,2 Prozent oder drei von 92 beobachteten Fahrzeugführern eine verlangsamende Reaktion. Während der Beobachtungen im Rahmen eines zusätzlichen „Ansitzes“ an einem Rinder-Warnschild zeigten immerhin elf von 64 Fahrzeugführern (= 17,2 %) eine Geschwindigkeitsreduzierung und nahmen den Fuß vom Gaspedal oder traten auf die Bremse.
Die Erklärung dieses signifikant höheren Wertes ist schwer. Ich vermute, dass es sich um ein psychologisches Problem handelt. Vielleicht sind Haustiere für viele Menschen einfach „realer“ und vor dem geistigen oder tatsächlich sehenden Auge präsenter. So kommen die Rinder kurz nach dem Schild auch tatsächlich „in Anblick“, zumindest in dieser Jahreszeit. Dadurch, dass viele unserer Mitbürger Wild eigentlich kaum sehen und – wenn überhaupt – meistens nur vom Teller kennen, sehen sie vielleicht auch die Gefahr eines Wildunfalls als sehr gering oder „nicht real“ an. So fahren auch etliche nichtjagende und auch sonst weniger naturverbundene Freunde und Bekannte trotz meiner Warnungen noch immer mit 120 Stundenkilometern oder mehr bei völliger Dunkelheit unbeirrt durch die „dicken“ Rot- und Schwarzwildeinstände der Lüneburger Heide.
Nachts erhöht sich das Unfallrisiko um den Faktor 1
Doch ist dies nur ein Erklärungsversuch und vielleicht würden weitere Beobachtungen an anderen Straßen ergeben, dass dort auch die Haustier-Warnschilder keine oder kaum Wirkung zeigen. Sicher ist die Reaktion eines jeden Verkehrsteilnehmers auf die Schilder auch von etwaigen persönlichen Erfahrungen abhängig. Denn wer bereits einmal an einem mehr oder minder schweren Wildunfall direkt beteiligt war, wird sicher eher vom Gas gehen als „Nicht-Vorgeschädigte“. Denn das mögliche Ausmaß von Wildschäden wird häufig unterschätzt. So erreicht ein nur 20 Kilogramm schweres Stück Rehwild bei einer Kollission mit einem 100 Stundenkilometer schnellen Pkw ein Aufschlaggewicht von über einer halben Tonne! Weiterhin wäre schon wenigstens etwas erreicht, wenn die Schilder eine erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Umfeld der Straße bewirken würden. Umfragen dazu liegen nicht vor. Verschiedene Untersuchungen zeigten jedoch, dass sich unsere Aufmerksamkeit in der Dämmerung und nachts deutlich mehr auf die Fahrbahn selbst und weniger auf die Randbereiche konzentriert. Durch eine durch verschiedene Faktoren bedingte eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit erhöht sich das Unfallrisiko in der Nacht für Autofahrer etwa um den Faktor 1,5.
Offensivere „Straßenverkehrspolitik“
Aus der Perspektive des Trägers der Straßenbaulast (je nach Art der Straße der Bund, das Bundesland, der Landkreis oder die Gemeinde) erfüllen die Schilder in jedem Fall eine eminent wichtige Funktion. Denn der Umfang der Straßenbaulast umfasst unter anderem die von einer Straße selbst ausgehenden Gefahren und begründet damit eine Straßenverkehrssicherungspflicht. Und hinsichtlich der Gefahren, die dem Verkehr auf der Straße durch Wild drohen, ist dieser Verkehrssicherungspflicht in der Regel genügt, wenn an besonderen Gefahrenstellen wie etwa bekannten Wechseln oder in Gebieten mit hoher Wilddichte die entsprechenden Verkehrszeichen (§ 40 Abs. 6 Z 142 STVO) angebracht sind. Unterbleibt jedoch das Aufstellen der Schilder an solchen Stellen, obwohl die Gefahren dem jeweiligen Träger der Straßenbaulast bekannt sind oder bekannt sein mussten, so können sich etwaige Schadensersatzansprüche gegen ihn richten und er hat im Zweifel für den „Wildschaden“ einzustehen. Dies besagt unter anderen ein Urteil des Oberlandesgerichtes Braunschweig vom 24. Juni 1998 (Az. 3 U 30/98).
Trotz alledem sollten wir über die örtlichen Jägerschaften und Hegeringe bezüglich unserer „Straßenverkehrspolitik“ noch offensiver werden. Zum Beispiel durch regelmäßige Beiträge in der Tagespresse mit den Hinweisen auf die grundsätzlichen Gefahren und Wildunfall-Schwerpunkten ließe sich sicher noch etwas mehr bewegen. Prinzipiell gilt es meines Erachtens, die ständige Gefahr eines Wildunfalls und damit die ständige Präsenz des Wildes selbst stärker in das Bewusstsein unserer Mitbürger zu rücken – auch über das Wildunfallgeschehen hinaus. Die Wirkungsweisen und Fehschläge bei der Wildunfallverhütung in der Praxis schildert Alexander Krah auf den folgenden Seiten.