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Schlagen, Plätzen, Fegen

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Markierungen und Scheinkämpfe:
Mit einem Testosteron-Schub im zeitigen Frühjahr fängt alles an. Die Rehböcke plätzen, (ver)fegen und schlagen. Erst mit dem Ende der Brunft werden sie diese Aktivitäten wieder gänzlich einstellen. Bis dahin aber zeigen sie uns ihre Anwesenheit unmissverständlich auch über die bekannten Plätz- und Fegestellen. Ob weitere Interpretationen dieser Pirschzeichen – zum Beispiel in Bezug auf Alter und Stärke – zulässig sind, zeigt der folgende Beitrag.

 

Das Schlagen beschreibt eine Art Scheinkampf. Es wird imponiert, geplätzt, es kommt zum Hinterlaufschlag, zum Lösen und Nässen

Von Andreas David

The same procedure as every year…“ Ähnlich wie beim seit 1963 im deutschen Fernsehen bekannten Klassiker „Dinner for one“ wiederholen sich in unseren Revieren alljährlich bestimmte Abläufe – zwar ohne Tigerfell und Mr. Winterbottom, dafür aber schon einige Jahre länger. Denn neben zahllosen anderen jahreszeitlich bedingten Lebensäußerungen unserer Wildtiere plätzen und fegen die Rehböcke seit Jahrtausenden im zeitigen Frühjahr etwa ab Ende Februar/Anfang März und darüber hinaus.

Grenzen werden festgelegt und vehement verteidigt

Rehböcke folgen dabei genetisch bedingten Verhaltensmustern. Das Fegen und Plätzen ist ihnen „angewölft“. Mit der im Frühjahr erfolgenden Auflösung der Sprünge, die im Wald nicht oder nur in begrenztem Umfang beobachtet werden, besetzen die Rehböcke ihre Territorien. Die folgende Zeit ist gekennzeichnet von Einstandskämpfen und der intensiven Markierung ihrer Territorien. In dieser Phase bis etwa Anfang/Mitte Juni werden die Grenzen endgültig festgelegt und vehement verteidigt. Diese Grenzverläufe dürfen allerdings nicht metergenau als exakte Demarkationslinien im menschlichen Sinne betrachtet werden. Aus Sicht der Rehböcke dienen die Markierungen im Grenzbereich eher als grobe Orientierungspunkte rund um den Kernbereich der Territorien. Obwohl es bei intensiver Beobachtung in halbwegs übersichtlichen Jagdbezirken gelingt, die Reviere der Platzböcke in etwa zu umreißen, bleiben selbst grobe Abgrenzungen in unterwuchsreichen Wäldern ebenso wie viele dort lebende Rehe für uns oft unsichtbar.

Die geruchliche (olfaktorische) Markierung erfolgt dabei über das so genannte „Stirnlocken-Reiben“ schon vor dem Verfegen der Gehörne. Zwischen und vor den Rosenstöcken der Böcke befindet sich ein Drüsenfeld, über dessen Sekrete die geruchliche Territorialmarkierung erfolgt. Jeder Jäger kennt dieses Feld mit den talgigen, verlängerten Haaren der Stirnlocken durch das Abschärfen der Decke vom Haupt erlegter Rehböcke. Im Winter zeigen die Drüsen des Stirnorgans keine Aktivität. Ein erster Höhepunkt wird etwa ab März, ein weiterer in der Blattzeit erreicht. Ebenfalls der Markierung dienen Drüsenfelder an den Wangen und Rändern der Lichter. Das Reiben der Stirnlocken ebenso wie das Schlagen erfolgt nicht nur an stehenden, meist wenig beasteten und dünnen Pflanzenstämmen, die einen ausreichenden Widerstand bieten, sondern auch mit gestrecktem Träger an überhängenden stärkeren Ästen.

Vermehrtes Markieren

Ab etwa Mitte Juni geht die Fege- und Markierungsaktivität der territorialen Böcke dann zunächst zurück, um später in der Brunft erneut zuzunehmen. In dieser Zeit kommt es dann zum vermehrten Markieren, Plätzen und Schlagen der revierlosen Böcke. Dabei handelt es sich in heute „normalen“ Rehwildrevieren überwiegend um vom Platzbock geduldete Jährlinge. Es sind eben nicht nur die Revierinhaber, sondern auch die so genannten Underdogs, die sich diesbezüglich bemerkbar machen, ohne dabei allerdings die übergeordnete Stellung der Territoriumsinhaber ernsthaft in Frage zu stellen. Wer von uns hat nicht selbst schon einen Jährlingsspießer im Territorium eines älteren Bockes plätzen und auf Teufel komm raus fegen sehen? Nicht selten gewinnt man den Eindruck, als ob die Jünglinge „Hausherren“ seien, um bei der nächsten Begegnung angesichts des Platzbockes in hoher Flucht das Feld zu räumen.

Dabei steht das Fegen bekanntlich nicht (nur) für das Befreien des fertig ausgebildeten Gehörns vom Bast im Sinne des „Verfegens“, sondern in erster Linie als Synonym für das Geweih- beziehungsweise Gehörnschlagen im Zusammenhang mit der Markierung über die Stirn- und anderer Drüsen am Haupt. Hinzu kommt, durch das oft großflächige Entfernen der Rinde, eine deutlich sichtbare Form der optischen Markierung. Es ist der in dieser Zeit steigende Testosteronspiegel, der einerseits das Geweihwachstum stoppt und andererseits das Fegen und/oder Schlagen auslöst. Kurth (1991) bezweifelt generell, dass das Fegen mit der Bastentfernung direkt verknüpft ist: „Wenn ein Bock…schlägt, wird dabei möglicherweise auch der Bast vom Geweih entfernt, das Verhalten ist aber ein Teil des Kampfrituals und dient der Markierung seines Standortes im Lebensraum. In der Regel wird der Bast mit den Schalen der Hinterläufe vom Geweih gekratzt und dann aufgenommen. Sonst trocknet er rasch aus und fällt ab. Jedenfalls ist das Geweihschlagen kein Verhalten, das im Dienste der Bastentfernung steht!“

Eine Glaubensfrage

Ob nun der Bast lediglich mit den Schalen der Hinterläufe entfernt wird (was ich noch nie beobachtet habe), eintrocknet und abfällt oder im trockenen Zustand beim Markieren, Fegen oder Schlagen quasi als Nebeneffekt abgefegt wird, sei dahingestellt. Für Kurth’s Annahme spricht in jedem Fall, dass auch Böcke ohne Gehörn zu dieser Zeit „fegen“ und damit markieren. Es wird sich in letzter Konsequenz nicht klären lassen, ob nun die Rehböcke am Anfang fegen, um das Gehörn vom Bast zu befreien oder eben nur normal schlagen und markieren – eine Glaubensfrage. Sollte der erste Fall zutreffen, wird das Gehörn mehrheitlich innerhalb weniger Stunden, mitunter in Minuten gänzlich „verfegt“. Dafür wiederum sprechen Beobachtungen, nach denen beim „Verfegen“ die Stangen vorsichtig und langsam an der Pflanze gerieben werden und eine Verletzung der Pflanze im Gegensatz zum späteren Schlagen nicht sichtbar wird. Vielleicht handelt es sich dabei auch nur um ein vorsichtiges Schlagen, da der Bast noch nicht gänzlich schmerzunempfindlich ist.

Ein ebenso alter wie zutreffender Jägerspruch lautet: Alte Böcke verfegen früh und verfärben spät, junge Böcke verfegen spät und verfärben früh. Wobei hier mit dem Verfegen lediglich der wie auch immer geartete Übergang vom fertig ausgebildeten Bastgeweih hin zum blanken Gehörn „ohne Bast“ gemeint ist. Abgesehen von der Tatsache, dass unter „alt“ in diesem Fall zwei- oder mehrjährig zu verstehen ist, hat dieser Merksatz nach wie vor Gültigkeit. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Auch wenn dies von reinen „Zahl-vor-Wahl-Jägern“ immer wieder bestritten wird. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Jährlinge oder besser Bockkitze meist erst im Februar oder März mit dem Schieben ihres zweiten Gehörns beginnen – zu einem Zeitpunkt also, an dem die älteren Böcke teilweise schon Fegen – ist dies nicht mehr als logisch.

Der alt Duft muss vertrieben werden

Nach meinen Beobachtungen in zahlreichen norddeutschen Revieren „fegt“ die große Mehrheit der Jährlinge durchschnittlich(!) etwa sechs Wochen nach ihren mehrjährigen Geschlechtsgenossen und nur sehr selten nach Ende Mai. Dies bestätigen die wissenschaftliche Literatur und zahllose Beobachtungen aus der Praxis, auch wenn der Fegetermin in einigen Fällen deutlich später liegen kann.

Aus Sicht der Jagdpraxis aber ist das „Fegen“ oder „Schlagen“ im Sinne der Markierung in Kombination mit aggressivem Verhalten viel wichtiger. Denn über diese Fegestellen können wir die Anwesenheit mindestens(!) eines Bockes bestätigen. Mehr aber auch leider nicht. Denn einerseits sind die Markierungsstellen nicht nur auf die Grenzen beschränkt, sondern im gesamten Territorium zu finden, andererseits fegen – wie bereits erwähnt – eben teilweise auch die nicht territorialen Böcke in den Revieren der Platzböcke.

Dabei motivieren sich die Rehböcke quasi gegenseitig zum Fegen beziehungsweise Schlagen. Meier (1983) wies in seinen Versuchen im Schweizer Kanton Aargau nach, dass noch nicht markierte Pflanzen häufiger gefegt werden, als solche, die bereits eigene Duftstoffe tragen und am intensivsten und aggressivsten solche Pflanzen bearbeitet werden, die den Individualgeruch anderer Böcke tragen. Meier beobachtete weiterhin, dass das Markieren bis dato „neutraler“ Pflanzen häufig nur über das Reiben der beschriebenen Drüsenfelder an der Pflanze ohne das aggressive Schlagen vonstattengeht. So erklärt sich im Umkehrschluss auch das besonders intensive Schlagen von Böcken, die teilweise oder gänzlich ein zuvor besetztes Territorium übernehmen, wenn der vorherige Platzbock verendet ist. Sie müssen quasi den alten Duft verteiben.

Die Auswahl der Pflanzen unterliegt offenbar nicht dem Zufall

Erstaunliche Unterschiede werden in der Literatur bei der Größe der Rehbock-Territorien beschrieben. Sie schwankt etwa zwischen fünf und 500 Hektar. Sehr wahrscheinlich sind diese extremen Differenzen vielfach auf eine unzureichende Unterscheidung zwischen Aktionsräumen (home ranges) oder Wohngebieten und wirklichen Territorien zurückzuführen. Wie soll ein Rehbock ein Gebiet von beispielsweise 350 Hektar markieren, kontrollieren und verteidigen können? Die Größe der abgegrenzten, markierten und wirklich verteidigten Territorien ist neben anderen Faktoren abhängig von der Lebensraumqualität (Äsungsangebot!), dem Geschlechterverhältnis, der Wilddichte sowie den strukturellen Standortgegebenheiten und mit Abstrichen dem Alter der Böcke. Sie umfasst zumindest in Waldgebieten oder Feld-Wald-Revieren selten mehr als etwa 40 bis 50 Hektar. Oft sind sie deutlich kleiner.

Jeder Praktiker weiß, dass die Auswahl der gefegten Pflanzen offenbar nicht dem Zufall unterliegt. Einige Autoren geben an, dass zum Beispiel durch ätherische Öle und Harz besonders aromatisch riechende Holzarten mit Vorliebe befegt werden. Es fällt weiterhin auf, dass besonders lokal seltene Baum- und Straucharten – sofern sie nicht zu viele oder starke Seitenzweige tragen – bevorzugt angenommen werden. In meinem eigenen Nordheiderevier trifft es besonders die vergleichsweise wenigen Eichen-, Ahorn- oder Ebereschenpflanzen, während den dominierenden Kiefern (obwohl intensiv riechend) weniger Beachtung geschenkt wird. Weiterhin beliebt sind „neue“ Jungbäume, die zum Beispiel im Rahmen von Hegebüschen, Hecken oder anderen Strukturen gepflanzt werden sowie standortfremde oder eingebürgerte Arten.

In einem Fall fehlte uns angesichts der hereinbrechenden Dunkelheit die Zeit, etwa 20 Eichen- und Feldahornpflanzen, die einen Ackerschlag vom direkt angrenzenden Waldrandweg trennen und diesen vor einer weiteren sukzessiven „Unter-Pflug-Nahme“ bewahren sollten, noch zu zäunen. Trotz Magendrucks und größter Bedenken musste die Pflanzenschutzmaßnahme auf den nächsten Tag verschoben werden. Als ich am frühen Morgen wieder an Ort und Stelle eintraf, waren (wie befürchtet) sämtliche Pflanzen im Sinne des Wortes auf Rummel und Stummel „zusammengeschlagen“ worden.

Nicht immer ein Indiz für eine hohe Rehbockdichte

Hier wie dort werden Holunder, Vogelbeeren, Weiden, Pappeln, Eschen sowie Lärchen und Douglasien häufig befegt. Eine Konzentration von Fegestellen wird regelmäßig an oft genutzten Wechseln oder Wechselkreuzungen sichtbar und ist keinesfalls immer ein Indiz für eine hohe Rehbockdichte auf engem Raum. Eine kleinräumig zu beobachtende große Zahl von Plätz- und Fegestellen wird häufig durch Jährlinge verursacht.

Noch immer wird die Meinung vertreten, dass alte und starke Böcke auch dickere Stämme befegen. So schreibt Dr. Walter Kerschagl in seiner 1952 erschienenen Rehwildkunde: „Meist nimmt ein starker Bock ein stärkeres Bäumchen an als ein schwacher.“ Weiterhin soll das Befegen stärkerer Stämme laut Kerschagl von der Auslage des Gehörnes abhängig sein. Diese Beobachtungen kann ich aus eigener Erfahrung und vielen Gesprächen mit anderen Jägern nicht bestätigen. Ein Beispiel: In einem feuchten Revierteil, der nach meiner Beobachtung Teil des Territoriums eines zweijährigen Sechsers war, fielen mir Ende Juni Fegespuren an mehreren etwa dreieinhalb Zentimeter starken Weiden auf. Der trotz besseren Wissens eilends anberaumte Abendansitz auf dem Sitzstock offenbarte einen Jährlingsspießer, der weitere umstehende Weidenstämme so gut es ging bearbeitete, während sich weder der vermeintliche Platzbock noch der erhoffte „Unbekannte“ die Ehre gaben. An stärkeren Stämmen werden Fege- oder Schlagspuren bei genauem Hinsehen häufig nur in Form von wenigen Kratzspuren sichtbar.

Intensives Scharren mit den Vorderläufen

Fegen und Plätzen sind häufig zeitlich und räumlich unmittelbar miteinander verknüpft. Das Plätzen bezeichnet letztlich nichts anderes als ein intensives Scharren mit den Vorderläufen, bei dem nicht selten der blanke Erdboden freigelegt wird. Rehböcke plätzen bereits vor dem Fegen beziehungsweise Verfegen der Gehörne. Ein aggressives Verhalten, dass auch vorm beziehungsweise beim Kampf mit anderen Rehböcken gezeigt wird. Die Tatsache, dass Plätzstellen häufig direkt vor befegten Pflanzen zu finden sind, ist ein weiteres Indiz dafür, dass das Fegen – neben der Funktion des Markierens – im übertragenen Sinne auch mit einem Scheinkampf verglichen werden kann. Wie beim Kampf können beim intensiven Fegen und Plätzen einerseits der Hinterlaufschlag, andererseits die Losungsabgabe oder Nässen beobachtet werden, mit denen ebenfalls markiert wird. Beim Hinterlaufschlag kommt es zur Sekretabgabe durch die so genannte Zwischenklauendrüse. Die Größe der Plätzstellen ist ebenso wie der Durchmesser der befegten Pflanzen nicht mit dem Alter oder der Stärke des Rehbockes verknüpft, sondern eine Funktion der jeweiligen Situation und der herrschenden Aggressivität.

Alles in allem können wir aus den Plätz- und Fegestellen für die Bejagung der Rehböcke also relativ wenig Nutzen ziehen. Mitunter gelingt es allerdings, wenn es mit dem Blatten nicht klappt, oder die Situation es nicht zulässt, selbst mit einem Stock oder den Stiefelspitzen entsprechend hörbar zu plätzen und so den Rehbock auf Schussentfernung heranzulocken. Weidmannsheil!

 

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