254 JVG – Treibjagd an der Koppel, Pferd erlitt Stresstod
Pferde sind panikanfällig und wertvoll wie ein Automobil der Oberklasse. Diese schmerzliche Erfahrung machte ein Pächter im Verlauf einer Treibjagd auf Niederwild, bei der auch ein Pferd auf der Strecke blieb.
Mark G.v.Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das
Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen
zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ § 823 Abs. 1 Bürgerliches
Gesetzbuch „Der Jagdleiter hat den Schützen die erforderlichen Anordnungen für den gefahrlosen Ablauf der Jagd zu geben.“ § 4 Abs. 2 Unfallverhütungsvorschriften
„Ein Schuss darf erst abgegeben werden, wenn sich der Schütze vergewissert hat, dass
niemand gefährdet wird.“ § 3 Abs. 4 Unfallverhütungsvorschriften
II. Der Sachverhalt
Pächter P. hatte zur Treibjagd auf Niederwild geladen. In dem zu bejagenden Gebiet lag
eine Pferdekoppel, auf der mehrere Pferde weideten, darunter auch das Pferd „Graefin“.
Als sich die Jäger der Koppel näherten, bildeten sie einen Kessel, in dem sich auch diese
Fläche befand. Nach Beendigung des Treibens lag die „Graefin“ plötzlich tot am Boden. Sie hatte vor Aufregung eine spontane Aorten- Ruptur mit Herztamponade erlitten.
Der Eigentümer des Pferdes verlangte Schadensersatz in Höhe von 100 000 DM. Zur
Begründung machte er geltend, dass die Pferde durch das Eindringen der Jagdhunde
in die Koppel, das Aufscheuchen des Wildes aus dem anschließenden Gebüsch und das Schießen von mehreren Seiten, aufgeregt hin und her gehetzt seien, ohne dass die Jäger die Jagd abgebrochen und ihre Hunde zurückgerufen hätten. Dies sei erst erfolgt, nachdem die „Graefin“ tot zusammengebrochen sei. Der Pächter hielt dagegen. Er erklärte, dass ihm und den Jägern die Pferde nicht erkennbar gewesen seien, weil die Koppel von den Ständen aus nicht einsehbar gewesen sei. Man habe sich dem Gebäudekomplex nur bis auf 100 Meter genähert. Es sei daher ausgeschlossen, dass Hunde auf die Koppel gelangt seien und Jäger dort Schüsse abgegeben hätten. Der Tod des Pferdes habe mit der Jagd überhaupt nichts zu tun.
III. Das Urteil
Das Gericht verurteilte den Pächter zur Zahlung von 60 700 DM. Dieser sei verpflichtet
gewesen, die Treibjagd so durchzuführen, dass niemand geschädigt werde. Hiergegen hätten er und einige der Teilnehmer fahrlässig verstoßen, wodurch der Schaden
eingetreten sei. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass ein Teil der Jäger bis unmittelbar an die Koppel herangetreten sei. Die mitgeführten Hunde hätten das Wild aus den angrenzenden Büschen und Sträuchern aufgescheucht und seien laut jagend kreuz und quer über die Koppel gehetzt. Gleichzeitig hätten die Schützen von mehreren Seiten das flüchtende Wild beschossen. Zumindest diese Jäger hätten keine Notiz von den Pferden
genommen, obwohl sie verpflichtet gewesen wären, darauf zu achten, dass niemand
gefährdet oder geschädigt werde. Daher hätten jedenfalls einige der Jäger erkennen
können und müssen, dass das Schnallen der Hunde an der Koppel und der etwa zehnminütige Dauerbeschuss des Wildes zu einer Schädigung der Pferde hätte führen können. Unerheblich sei, ob auch der Pächter selbst die Gefahrensituation erkannt habe;
denn als Veranstalter der Jagd sei er gehalten gewesen, die Jagd auszuhalten und alles zu
unterlassen, was zu einer Schädigung Dritter habe führen können. Aus den Angaben des Zeugen X. ergebe sich, dass bei den Jägern die Auffassung bestanden habe, Pferde seien gegen Schüsse und Hunde „sehr resistent“. Entgegen dieser Auffassung sei jedoch festzustellen, dass ein solches Verhalten zu einer extremen Stresssituation der Tiere führe, die nach dem tierärztlichem Gutachten zu einer spontanen Aorten-Ruptur mit Herztamponade führen könne. Der Wert des Pferdes habe laut Gutachten 60 700 DM betragen. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 25. 1. 2001 – 3 O 442/98
IV. Anmerkungen
Dem Urteil ist im Ergebnis zuzustimmen. Der Pächter haftete schon deshalb, weil er als
Jagdleiter das Treiben um die Koppel zugelassen hatte, ohne sich zuvor vergewissert zu haben, dass keine Pferde dort waren. Er trägt die Verantwortung dafür, dass in den zu bejagenden Gebieten niemand geschädigt wird. Fehl geht sein Einwand, die Pferde seien von den Ständen aus nicht sichtbar gewesen; es gehört gerade zu den Pflichten des Jagdleiters/Pächters, sich davon zu überzeugen, dass niemand geschädigt wird. Der
Pächter hätte daher überprüfen müssen, ob sich Pferde auf der Koppel aufhielten und –
falls ja – die Jagd in diesem Bereich nicht zulassen oder sofort abbrechen müssen.
Unabhängig hiervon haftet jeder Schütze für seinen Schuss und Hund. Wer also sah, dass
die Pferde in Panik gerieten und trotzdem weiter feuerte und seinen Hund nicht zurückrief,
haftet ebenfalls für den Schaden. Denn es ist voraussehbar, dass stark verängstigte Tiere einen Schock- oder Stresstod erleiden oder sich auf andere Weise verletzen können.
Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalles. So liegt es anders, wenn
ein ausreichender Abstand zur Koppel eingehalten wird und nur wenige Schüsse fallen, möglichst in Richtung weg von den Pferden. In einem solchen Fall ist eine Verletzung der Tiere nicht voraussehbar (siehe V.).
V. Weiteres Urteil
Jäger J. ging zum Frühansitz. Noch bei Dunkelheit bestieg er seinen Hochsitz. Hinter ihm
befand sich eine Pferdekoppel, auf der in etwa 100 Metern Entfernung zwei Pferde standen.
Vom Hochsitz aus waren die Tiere nicht zu sehen. An diesem Morgen gab J. innerhalb
von 15 Minuten drei Schüsse ab, jeweils in die von den Pferden abgewandte Richtung.
Durch den Knall erschraken die Pferde und gingen durch, eines verletzte sich erheblich
am Stacheldraht der Koppel und musste schließlich notgeschlachtet werden. Das Gericht wies die Schadensersatzklage ab, weil J. jedenfalls nicht fahrlässig gehandelt habe. Denn er habe nicht damit rechnen müssen, dass seine Schüsse solche Folgen haben würden.
Aufgrund der Entfernung, der Schussrichtung und der geringen Zahl der Schüsse habe
eine Gefährdung der Pferde ferngelegen. Es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass
Pferde durch einen plötzlichen Knall, der sich nicht in ihrer unmittelbaren Nähe ereigne,
in der Regel in Panik gerieten. Auch beim Wild würde der Schussknall keineswegs immer
dazu führen, dass alle Stücke in der näheren Umgebung abspringen. Bei Gewittern,
Fehlzündungen von Fahrzeugen und dem Durchbrechen der Schallmauer entstünden
ähnliche Geräusche. Landgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 15. 7. 1997 – 2/8 S
50/97 – (WuH 12/1998, S. 60).
VI. Ergebnis
1. Der Pächter/Jagdleiter ist verpflichtet, Gesellschaftsjagden so zu planen, dass bei deren
Durchfürung niemand geschädigt wird.
2. Liegt in dem zu bejagenden Gebiet etwa eine Pferdekoppel, so muss er sich vor der Jagd davon vergewissern, dass sich keine Pferde im Gefahrenbereich befinden.
3. Ist einem Schützen erkennbar, dass fremde Tiere durch die Jagdausübung gefährdet werden können – durch Geschosse, den Schussknall oder den Jagdhund – so hat er die Jagd sofort einzustellen und seinen Hund zurückzurufen.