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272 JVG Pachtpreisminderung (7)

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272 JVG Pachtpreisminderung (7) Kein Rotwild im Hochwildrevier

272 JVG
FOTOS: BURKHARD WINSMANN-STEINS

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Hat die Pachtsache zur Zeit der Überlassung an den Pächter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Pachtzeit ein solcher Mangel, so ist der Pächter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung des Pachtpreises befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur einen angemessen herabgesetzten Pachtzins zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.“ § 581 Abs. 2, § 536 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch
2. „Jede Vertragspartei kann das Pachtverhältnis aus wichtigem Grund fristlos kündigen.“ „Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn dem Pächter der vertragsgemäße Gebrauch der Pachtsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird.“ §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch

II. Der Sachverhalt
Die Pächter hatten im Jahre 1994 drei aneinander liegende Jagdbezirke gepachtet. In den Pachtverträgen wurden die Jagden als „Hochwildreviere“ bezeichnet, ein bestimmter Wildbestand wurde nicht angegeben. In den folgenden Jahren ging der Rotwildbestand stark zurück, Standwild war nicht mehr vorhanden. Aus diesem Grunde erklärten die Pächter mit Schreiben vom 26.3.1997 eine Minderung des Pachtpreises um 50 Prozent und zahlten fortan nur noch die Hälfte. Daraufhin erhob der Verpächter Klage auf Zahlung des Restbetrages. Er machte geltend, dass die Jagden immer noch als Hochwildreviere  einzustufen seien, außerdem sei eine Gewähr für die „Größe und Ergiebigkeit der Jagd“ und damit auch für das Vorhandensein von Rotwild im Pachtvertrag ausgeschlossen worden.

III. Das Urteil
Das Gericht gab den Pächtern recht; es wies die Klage des Verpächters auf Zahlung des restlichen Pachtpreises ab und legte dem Verpächter die vollen Kosten des Verfahrens auf.

● Eine Minderung des Pachtpreises sei nicht schon deshalb ausgeschlossen, so das Gericht in seiner Begründung, weil der Verpächter keine „Gewähr für die Ergiebigkeit der Jagd“ übernommen habe. Denn diese Klausel sei dahin auszulegen, dass nur für eine bestimmte Anzahl des Abschusses von Hochwild keine Gewähr übernommen werde. Dagegen könne diese Klausel nicht dazu führen, dass dem Pachtgegenstand die vertragliche  Beschaffenheitsangabe „Hochwildrevier“ im Nachhinein wieder genommen werde.

● Spätestens seit dem Jagdjahr 1997/98 seien die Jagdbezirke mit einem Mangel behaftet gewesen, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Zweck nicht unerheblich  gemindert habe. Denn spätestens seit diesem Zeitpunkt hätten die verpachteten Jagdbezirke ihre Eigenschaft als Hochwildreviere verloren. Damit habe der Verpächter den vertragsgemäßen Gebrauch teilweise, nämlich hinsichtlich der Jagdausübung auf Rotwild, nicht mehr erbracht, lediglich die Jagd auf Niederwild sei noch möglich gewesen. Die Jagdbezirke seien laut Pachtvertrag als „Hochwildrevier“ verpachtet worden. Bei der Auslegung dieses Begriffes sei nach § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches von dem Sinn und Inhalt auszugehen, der ihm in Jägerkreisen, insbesondere unter Pächtern und  Verpächtern, gegeben werde.

● Danach sei es für den Pächter  entscheidend, dass er Hochwild erlegen könne. Dafür sei er bereit, einen wesentlich höheren Pachtpreis zu zahlen. Das sei auch dem Verpächter bekannt. Deshalb sei unter einem „Hochwildrevier“ nur ein solches Revier zu verstehen, in dem Hochwild als Standwild vorkomme, zumindest während der Jagdzeit, und regelmäßig zu erlegen sei. Denn die erhöhten Aufwändungen für ein Hochwildrevier übernehme ein  Pächter nur, wenn er tatsächlich die Gelegenheit erhalte, Hochwild zu erlegen. Dazu reiche es nicht aus, dass Hochwild gelegentlich als Wechselwild vorkomme oder das Revier nur innerhalb eines Rotwildgebietes liege (vergleiche § 8 der Ausführungsverordnung zum Bayerischen Jagdgesetz). In den hier betroffenen Jagdbezirken sei Rotwild seit dem Jagdjahr 1997/98 nicht mehr als Standwild vorhanden gewesen. Zu diesem Ergebnis sei der hierzu beauftragte Sachverständige anhand der Jagdstreckenentwicklung im Umfeld sowie der Schäl- und Verbisssituation gekommen. Insbesondere an den besonders gefährdeten Hölzern seien keine stärkeren Verbiss- und Schälschäden in solchem Ausmaß festzustellen gewesen, die auf einen Rotwildbestand als Standwild hätten schließen lassen.

● Infolge dieses Mangels habe der Pächter nur einen entsprechend geringeren Pachtpreis geschuldet. Der Umfang der Reduzierung bemesse sich nach dem Verhältnis des  Revierwertes in mangelfreiem Zustand (als Hochwildrevier) zu dem tatsächlichen Wert in mangelhaftem Zustand (als Niederwildrevier).

● Hiervon ausgehend habe der Pachtpreis für die Hochwildreviere 39,38 DM/ha betragen, was angemessen gewesen sei, während der Pachtpreis für Niederwildreviere in der Umgebung durchschnittlich bei 10 bis 20 DM/ha liege. Damit sei für ein Niederwildrevier von einem Mittelwert von 15 DM/ha auszugehen. Diesen Betrag habe das Gericht aufgrund freier Schätzung auf 19,69 DM/ha (= 50 % des ursprünglichen Pachtpreises) erhöht, weil in den Revieren immerhin noch Rotwild als Wechselwild vorgekommen sei. Oberlandesgericht Bamberg, Urteil vom 4. 7. 2002 – 1 U 38/00 –

IV. Anmerkungen

●Wichtig ist zunächst, dass die Jagd im Pachtvertrag ausdrücklich als „Hochwildrevier“ oder „Rotwildjagd“ bezeichnet wird, damit diese Eigenschaft zum Inhalt des Vertrages wird. Denn nur was im Vertrag steht, wird vom Verpächter geschuldet.

● Ist das der Fall, dann gehört es zur Hauptleistungspflicht des Verpächters, dem Pächter das Jagdausübungsrecht auf Hochwild zu übertragen. Ist aber kein Hochwild als Standwild vorhanden oder fällt es  später weg, so kann er diese Pflicht nicht (mehr) erfüllen. Der Pächter hat dann die Wahl: Er kann entweder die Jagd behalten und den Pachtpreis mindern oder den Pachtvertrag fristlos kündigen und für die zurückliegende hochwildfreie Zeit den Pachtpreis mindern und in entsprechender Höhe zurückverlangen  Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 16. 3. 1977 – 13 U 147/76 –, WuH 13/1987, Seite 20; Landgericht Amberg, Urteil vom 15.11.1994 – 24 O 550/93 -, WuH 3/1996, Seite 46).

● Damit er diese Rechte nicht durch Verwirkung verliert, muss er sie innerhalb  angemessener Frist ab Kenntniserlangung von dem Mangel ausüben. Die Weiterzahlung des vollen Pachtpreises ohne Vorbehalt über einen längeren Zeitraum führt zum Verlust der Rechte (Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 25. 6. 2003 – 8 U 8/03 -, WuH 5/2004, S. 100).

● Ein „Hochwildrevier“ ist gegeben, wenn zum Hochwild gehörendes Schalenwild außer Schwarzwild während der Jagdzeit als Standwild vorkommt und regelmäßig zum Abschuss freigegeben wird, sofern Landesrecht nicht anderes bestimmt (vgl. z.B. § 8 AV z. BayJG, § 13 Abs. 2 LJG Brandenburg, § 14 Abs. 3 LJG Thüringen; Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum BJG, § 11 Randnummer 30). Nur in diesem Sinne wird der Begriff „Hochwildrevier“ in Jagdkreisen verstanden. Ganz vereinzelt wird auch die Auffassung vertreten, dass für ein Hochwildrevier das Vorkommen von Schwarzwild ausreicht, weil diese Wildart nach § 2 Abs. 4 BJG ebenfalls zum Hochwild gehört. Diese Auslegung ist unzutreffend; denn hierbei wird übersehen, dass die Aufzählung des Hochwildes in § 2 BJG auf historischen Gründen beruht (die  Jagd auf Hochwild war früher den Landesfürsten vorbehalten), während es bei einer Hochwildjagd im Zusammen hang mit Pachtverträgen um eine wertsteigernde Eigenschaft des Jagdbezirks geht.

● Eine solche Wertsteigerung ist aber nur bei einem Vorkommen von Rot-, Dam-, Sika-, Muffel- und Gamswild anzunehmen, nicht aber auch bei Schwarzwild. Denn ein Schwarzwildbestand wirkt sich in der Regel nicht oder nur wenig auf den Pachtpreis aus, weil er mit hohen Wildschäden verbunden und schwierig zu bejagen ist. Hinzu kommt ein geringerer Wildbretwert und die Gefahr der Schweinepest mit all ihren negativen Folgen.

● Die häufig verwendete Klausel „Der Verpächter haftet nicht für die Ergiebigkeit der Jagd“ bedeutet, dass eine Gewähr für eine bestimmte Höhe des Abschusses nicht gegeben wird. Dieser Passus bezieht sich auf Änderungen des Wildbestands, die naturbedingt sind (zum Beispiel nasskaltes Frühjahr, wildbiologische Gründe) oder auf ordnungsgemäßer land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung beruhen. Der Verpächter wird dadurch nicht von seiner Hauptleistungspflicht, dem Pächter das Jagdausübungsrecht auf Hochwild zu übertragen, befreit. Ein Hochwildrevier ohne Hochwild ist kein weniger ergiebiges Hochwildrevier,  sondern überhaupt keines!

V. Ergebnis
1. Ein im Pachtvertrag als „Hochwildrevier“, „Rotwildjagd“ oder ähnlich bezeichneter Jagdbezirk hat einen erheblichen Mangel, wenn Hochwild von Anfang an fehlt oder später wegfällt. 2. Der Pächter kann in solchen Fällen grundsätzlich den Pachtpreis um die Differenz zu einer vergleichbaren Niederwildjagd mindern oder den Pachtvertrag fristlos kündigen. Beides muss innerhalb angemessener Frist erfolgen.
3. Die Klausel „Der Verpächter haftet nicht für die Ergiebigkeit der Jagd“ steht dem nicht entgegen. Sie besagt nur, dass eine bestimmte Höhe des Abschusses nicht zugesagt wird.
4. Ein Hochwildrevier liegt vor, wenn zum Hochwild gehörendes Schalenwild außer Schwarzwild als Standwild vorkommt und regelmäßig zu erlegen ist.
5. Um Klarheit zu schaffen, bezeichne man die Jagd im Pachtvertrag als „Hochwildrevier mit Rotwild oder Damwild usw. als Standwild“.
6. Bei Verdacht auf einen Mangel sollte der volle Pachtpreis nur mit dem Vermerk  vorbehaltlich einer Minderung des Pachtpreises wegen fehlenden Rotwildes“ gezahlt werden, um dieses Recht nicht zu verlieren.


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