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273 JVG – Ablenkungsfütterung rechtswidrig versagt

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273 JVG – Fehlerhafte Ermessensausübung der Behörde Ablenkungsfütterung rechtswidrig versagt

273 JVG
FOTO: HEINZ HESS

Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Aus Gründen der Wildschadensverhütung kann die untere Jagdbehörde Ablenkungsfütterungen für Schwarzwild genehmigen.“ § 25 Abs. 2 S. 2 LJG NRW

II. Der Sachverhalt
Zur Reduzierung der Wildschäden beantragte der Jagdausübungsberechtigte die Genehmigung zur Errichtung einer Ablenkungsfütterung für Schwarzwild. Seinem Rechtsvorgänger waren solche Fütterungen seit 1986 regelmäßig erlaubt worden. Die Untere Jagdbehörde lehnte den Antrag ab. Eine Ablenkungsfütterung sei nicht notwendig, da entlang der Feld- Wald-Grenze ein vier bis fünf Kilometer langer Elektrozaun verlaufe. Wegen der Gefahr der Schweinepest müsse aus seuchenhygienischen Gründen jede Massierung von Schwarzwild vermieden werden, um Ansteckungen zu verhindern. Ein zusätzliches Nahrungsangebot sei kontraproduktiv, da es zu einer unerwünschten Vermehrung des Schwarzwildes führe. An Stelle einer Ablenkungsfütterung sei daher eine konsequente Bejagung angezeigt. Nach erfolglosem Widerspruch erhob E. beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage auf Erteilung der Genehmigung. Zur Begründung machte er geltend, dass der Elektrozaun lückenhaft und unvollständig sei, so dass er mit hohem Aufwand erneuert werden müsse. Sein Revier sei seuchenfrei, im übrigen werde durch die Bindung des Schwarzwildes einer Ausbreitung der Seuche entgegen gewirkt. Er verwende lediglich geringe Mengen an Futter, das auch auf den angrenzenden Feldern angebaut werde. Dadurch werde die Population nicht erhöht.

III. Das Urteil
Das Gericht gab E. Recht: Es hob den Versagungsbescheid auf und verpflichtete die Untere Jagdbehörde, unter Beachtung dieses Urteils erneut über den Antrag zu entscheiden. Nach § 25 Abs. 2 S. 2 LJG NRW kann die Untere Jagdbehörde zur Verhinderung von Wildschäden Ablenkungsfütterungen genehmigen. Hierbei handle es sich um eine rmessensentscheidung, wie sich aus dem Wort „kann“ ergebe. Dieses Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt worden. Zum einen habe die Untere Jagdbehörde nicht geprüft, ob dem Jagdausübungsberechtigten die mit einem Elektrozaun verbundenen finanziellen Aufwendungen und das tägliche Kontrollieren zumutbar seien. Hierzu enthalte der Bescheid keinerlei Ausführungen. Auch sei nicht geklärt, ob die Geländeverhältnisse die Erstellung einer solchen Anlage überhaupt zuließen und die Grundeigentümer dem zustimmen würden. Zum anderen liege ein Ermessensfehler darin, dass sich nach Auffassung der Unteren Jagdbehörde die Gewährung von zusätzlichem Futter kontraproduktiv auf die Vermeidung von Wildschäden auswirken würde, weil dadurch ein weiterer Anstieg der Population bewirkt würde. Denn es sei davon auszugehen, dass das Schwarzwild ohne die Ablenkungsfütterung auf die anliegenden Felder auswechseln würde, um sich dort bei Bedarf das gleiche Futter zu holen. Im Übrigen stehe die Ablenkungsfütterung der von der Behörde geforderten konsequenten Bejagung nicht entgegen. Schließlich sei es nicht zulässig, das von der Behörde verfolgte Ziel der Verringerung des Schwarzwildbestandes mittels konsequenter Bejagung durch die Versagung der Ablenkungsfütterung durchzusetzen. Denn nach § 25 Abs. 2 S. 2 LJG NRW habe die Behörde davon auszugehen, dass Ablenkungsfütterungen vom Gesetzgeber grundsätzlich als ein geeignetes und sinnvolles Mittel zur Verhütung von Wildschäden angesehen würden. Zur Erzwingung einer konsequenten Bejagung sehe das Gesetz andere Maßnahmen vor. Bei dieser Sachlage könne dahingestellt bleiben, ob die Versagung der Genehmigung auch deshalb fehlerhaft sei, weil die Untere Jagdbehörde Ablenkungsfütterungen bei hohem Schwarzwildbestand generell als nicht sinnvoll ansehe und damit letztlich der vom Gesetz eingeräumten Möglichkeit der Genehmigung solcher Anlagen von vornherein ablehnend gegenüber stehe. Richtigerweise sei daher das Interesse des Jagdausübungsberechtigten an einer wirksamen Verhütung von Wildschäden mit dem öffentlichen Interesse an einer möglichst geringen „künstlichen“ Zufuhr von Futtermitteln abzuwägen. Hierbei könne die Höhe der Schwarzwildpopulation nur dann eine Rolle spielen, wenn sie tatsächlich durch die Genehmigung der Ablenkungsfütterung beeinflusst werde. Das aber sei im gegebenen Falle nicht ersichtlich. Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 14. 1 2004 – 6532/02 –

IV. Anmerkungen 

Die Zulässigkeit von Ablenkungsfütterungen ist in den einzelnen Bundesländern  unterschiedlich geregelt. Teilweise sind sie ohne Genehmigung erlaubt (zum Beispiel in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Sachsen und Thüringen), teilweise dürfen sie nur mit Genehmigung durchgeführt werden (zum Beispiel in Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen- Anhalt).

● In der Regel dürfen Ablenkungsfütterungen nur innerhalb des Waldes errichtet werden (weil das Schwarzwild vom Feld abgehalten werden soll), das Futter (Getreide, Mais) darf dem übrigen Schalenwild nicht zugänglich sein (Abdecken mit Erdschicht, Gatter mit  Pendeltoren, Rolltonnen und ähnliche Behältnisse). Je nach Landesrecht ist eine Bejagung im Umkreis von 200 Metern zur Vermeidung von Störungen untersagt (Baden-Württemberg, Hessen, NRW und andere).

● Liegt eine Entscheidung im Ermessen der Behörde, so bedeutet das nicht, dass sie nach Gutdünken entscheiden kann, wie sie will. Denn Ermessen bedeutet nicht „freie“ Entscheidung, schon gar nicht Willkür, sondern Entscheidung nach sachlichen Kriterien unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles und – vor allem – der Zielsetzung der zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift (hier: § 25 Abs. 2 S. 2 LJG NRW).

● Hiernach ist zum Beispiel eine Ermessensentscheidung rechtswidrig, wenn sie auf falschen entscheidungserheblichen Tatsachen beruht, wichtige Aspekte nicht berücksichtigt oder anderen Zwecken dient, als die gesetzliche Grundlage vorgibt. Umgekehrt liegt eine fehlerfreie Ermessensentscheidung zum Beispiel dann vor, wenn die Genehmigung versagt wird, weil im konkreten Fall schutzbedürftige Felder gar nicht vorhanden sind oder ein Schwarzwildbestand nicht existiert, die Ablenkungsfütterung also in Wirklichkeit nicht der Ablenkung, sondern dem Anlocken und Halten des Schwarzwildes dient.

● Hebt das Gericht eine Ermessensentscheidung auf, dann verpflichtet es zugleich die Behörde, nochmals über den Antrag zu entscheiden, wobei die vom Gericht dargelegten Beanstandungen und Hinweise zu berücksichtigen sind. Das bedeutet, dass die Behörde jetzt entweder dem Antrag mit zutreffender Begründung stattgibt oder ihn erneut ablehnt, dieses Mal aber mit fehlerfreier Begründung.

V. Ergebnis

1. Ablenkungsfütterungen sind in der Regel nur innerhalb des Waldes erlaubt. Das Futter muss so ausgebracht werden, dass es vom übrigen Schalenwild nicht aufgenommen werden kann.
2. Sofern Ablenkungsfütterungen nach Landesrecht genehmigt werden „können“, muss die Untere Jagdbehörde eine Ermessensentscheidung treffen. Hierbei hat sie alle maßgeblichen Tatsachen fehlerfrei zu berücksichtigen und sich am Zweck der zugrunde liegenden Vorschrift zu orientieren.

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