ANZEIGE

276 JVG – Waffenbesitzkarte widerrufen

2296

276 JVG – Alte Verurteilung – neue Unzuverlässigkeit (2) Waffenbesitzkarte widerrufen

276 JVG
FOTO: BURKHARD FISCHER

Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
1. „Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens sechzig Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.“ § 5 Abs. 2 Nr. 1a Waffengesetz

2. „Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.“ § 45 Abs. 2 Waffengesetz

II. Der Sachverhalt
Im Jahre 2001 wurde eine Waffenbesitzerin wegen vorsätzlicher Falschaussage vor Gericht zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt. Nach Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes am 1. 4 2003 widerrief das Landratsamt die im Jahre 1988 ausgestellte Waffenbesitzkarte und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Waffenbesitzerin erhob Widerspruch und beantragte bei Gericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels. Zur Begründung machte sie unter Berufung auf bayerische Gerichtsentscheidungen geltend, dass die strengeren  Zuverlässigkeitsregelungen des neuen Waffengesetzes nicht rückwirkend auf noch unter dem alten Waffenrecht erteilte Erlaubnisse anzuwenden seien.

III. Die Entscheidung
Das Gericht wies ihren Antrag ab. Entgegen dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. 7. 2003 – RN 7 S 03.1151 – (bestätigt durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. 11. 2003 – 21 CS 03.2056 -) sei bei der Frage, ob nachträglich eingetretene Tatsachen zur Versagung hätten führen müssen, nicht auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts der Tatsachen abzustellen. Vielmehr sei auch bei früheren Verurteilungen, die nach dem alten Recht nicht relevant gewesen seien, jetzt der Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf und damit das neue Waffengesetz mit seinen strengeren Zuverlässigkeitsregelungen maßgeblich. Das ergebe sich sowohl aus dem Fehlen einer entgegenstehenden Übergangsregelung als auch aus dem Zweck des neuen Gesetzes. Entgegen der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs enthalte das neue Waffengesetz keine Übergangsregelung, die einen Widerruf in diesen Fällen ausdrücklich ausschließe. Nach § 58 Abs. 1 Waffengesetz würden zwar nach altem Recht erteilte Erlaubnisse fortgelten. Das bedeute aber nur, dass erteilte Erlaubnisse mit Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes im bisherigen Umfang gültig blieben und nicht erneut beantragt werden müssten. Der weitere Fortbestand der Erlaubnisse hänge dann aber vom Vorliegen der neuen Voraussetzungen ab. Auch der Zweck des neuen Waffengesetzes spreche für eine Anwendung der neuen  Unzuverlässigkeitsregelung in diesen Fällen. Denn der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung des Waffenrechts ausdrücklich eine Verschärfung der  Zuverlässigkeitsanforderungen gewollt (Bundestagsdrucksache 14/7758, S. 1). Angesichts dieser eindeutigen Zielsetzung hätte es sich ihm aufdrängen müssen, eine Übergangsregelung für Personen zu treffen, die vor dem 1. 4. 2003 rechtskräftig wegen einer Straftat verurteilt worden seien, wenn er diesen Personenkreis von den Verschärfungen hätte freistellen wollen. Das aber sei nicht geschehen. Dem stehe der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht entgegen. Denn es handle sich nicht um eine echte, sondern nur um eine unechte Rückwirkung eines Gesetzes. Der Widerruf knüpfe nämlich nur an eine in der Vergangenheit liegende Tatsache an, seine Wirkung aber richte sich ausschließlich in die Zukunft. Bei einer unechten Rückwirkung gebe es keinen  generellen Vorrang des Vertrauensschutzes. Vielmehr sei das Vertrauen des Betroffenen an den Fortbestand seiner Rechtsposition mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl abzuwägen. Diese Abwägung ergebe ein Überwiegen der öffentlichen Belange, da der Gesetzgeber mit der Verschärfung der  Zuverlässigkeitsanforderungen einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der inneren Sicherheit habe leisten wollen. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. 8. 2004 – 1 S 1892/04 –

IV. Anmerkungen
Zwei Gerichte – zwei unterschiedliche Meinungen, höchste Zeit für eine baldige Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht. Die Entscheidungen des bayerischen und badenwürttembergischen Verwaltungsgerichtshofs sind in vorläufigen Verfahren ergangen, so dass Abweichungen in den nachfolgenden Hauptsacheverfahren nicht auszuschließen sind. Hier noch einmal die wesentlichen Unterschiede in den  Entscheidungen beider Gerichte:
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist der Widerruf einer nach altem Recht erteilten Waffenbesitzkarte wegen einer vor dem 1. 4. 2003 rechtskräftig gewordenen Verurteilung, die damals waffenrechtlich nicht relevant gewesen ist, nach den Vorschriften des neuen Waffengesetzes nicht möglich, weil sich in diesen Fällen der Widerruf nach dem alten Waffenrecht richtet. Es handle sich nicht um eine Tatsache, die (damals) „zur Versagung hätte führen müssen“, weil die Verurteilung unerheblich gewesen sei. Außerdem sehe die in § 58 Abs. 1 Waffengesetz enthaltene Übergangsregelung vor, dass bisherige Erlaubnisse fortgelten, so weit nachfolgend nicht Abweichendes bestimmt werde. Letzteres sei nicht der Fall (siehe WuH 24/2003, S. 104 und 21/2004, S. 150).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ist auch in den vorgenannten Fällen die  Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerruf maßgebend. Entscheidet also die Waffenbehörde nach  dem 1. 4. 2003 über den Widerruf, weil die Verurteilung vorher nicht relevant gewesen ist, so gilt das neue Recht. Die in § 58 Abs. 1 Waffengesetz enthaltene Regelung besage nämlich nur, dass alte Erlaubnisse und Waffenbesitzkarten mit Inkrafttreten des neuen Rechts zunächst einmal fortgelten und nicht erneut beantragt beziehungsweise ausgestellt werden müssten. Ihr weiterer Fortbestand aber hänge dann vom Vorliegen der neuen Voraussetzungen ab.

Die bayerische Linie befasst sich intensiv mit dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Waffengesetz und verneint die Voraussetzung „die zur Versagung hätten führen müssen“. Die badenwürttembergische Lösung stellt vor allem auf den Gesetzeszweck ab (Erhöhung der inneren Sicherheit) und gelangt so zu dem Ergebnis, dass das neue Recht anzuwenden ist. Man darf gespannt sein, wie die übrigen Oberverwaltungsgerichte entscheiden werden, bis das Bundesverwaltungsgericht eine Grundsatzentscheidung gefällt haben wird.

In einem aber sind sich beide Gerichte einig: Bei der Neuerteilung einer Waffenbesitzkarte sowie der Neuerteilung/Verlängerung eines Jagdscheins gilt das neue Recht, wenn die Erlaubnis nach dem 1. 4. 2003 beginnt, so dass in diesen Fällen auch frühere Verurteilungen, die nach altem Recht unerheblich waren, jetzt in der Regel zur Versagung der Erlaubnis führen (siehe WuH 21/2004, S. 150). Ebenso dürfte es sein, wenn zwar die Tat und das Urteil vor dem 1. 4. 2003 liegen, die Rechtskraft aber erst danach eingetreten ist, weil die Unzuverlässigkeit an den Tag der Rechtskraft anknüpft.

V. Ergebnis
1. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof : Eine nach dem alten Waffengesetz erteilte  Erlaubnis (Waffenbesitzkarte) kann nicht widerrufen werden, wenn vor dem 1. 4. 2003 eine rechtskräftige Verurteilung erfolgte, die damals nicht zur Unzuverlässigkeit führte, heute aber die Unzuverlässigkeit zur Folge hätte.
2. Baden-Württembergischer Verwaltungsgerichtshof: Auch in diesen Fällen ist der Widerruf zwingend vorgeschrieben, weil jetzt die neue Rechtslage maßgebend ist.

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot