278 JVG – Rechtsfolgen von Ordnungswidrigkeiten Keine Unzuverlässigkeit bei Bagatellverstößen
Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen eine jagdrechtliche, tierschutzrechtliche, naturschutzrechtliche oder waffenrechtliche Vorschrift verstoßen haben.“ § 17 Abs. 4 Nr. 2, Nr. 1d BJG
II. Der Sachverhalt
Jäger J. besitzt seit rund vierzig Jahren einen Jagdschein. Im Sommer 2000 erklärte die untere Jagdbehörde seinen Jagdschein für ungültig, zog ihn ein und ordnete die sofortige Vollziehung an. In der Begründung war zu lesen, dass er jagdrechtliche Ordnungswidrigkeiten begangen habe und zu Unbeherrschtheit neige. Neben anderen Herabsetzungen habe er die untere Jagdbehörde als „Katastrophenbehörde“ bezeichnet. J. legte Widerspruch ein und ging vor Gericht. Dort beantragte er, erst einmal die sofortige Vollziehung zu beseitigen, um bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens seinen Jagdschein behalten zu können.
III. Die Entscheidung
Das Gericht gab J. in zweiter Instanz Recht. Es stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her, weil der Bescheid mit den darin enthaltenen Gründen „nicht zu halten“ sei. Nach § 17 Abs. 4 Nr. 2 BJG seien Personen in der Regel unzuverlässig, wenn sie wiederholt oder gröblich gegen jagdrechtliche Vorschriften verstoßen hätten. Hiernach könnten auch Ordnungswidrigkeiten die Unzuverlässigkeit begründen, sofern das in ihnen zum Ausdruck kommende Fehlverhalten ein solches Gewicht habe, dass es den mit der Unzuverlässigkeit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsposition des Jägers rechtfertige. Das ergebe sich aus einem Vergleich mit § 17 Abs. 4 BJG, wonach nicht jede Straftat zur Unzuverlässigkeit führe. Die Schwere des Fehlverhaltens könne sich entweder aus der Zahl der Verstöße („wiederholt“) oder aus der Schwere einer einzigen Zuwiderhandlung („gröblich“) ergeben, ein rechtskräftiger Abschluss des Ordnungswidrigkeitsverfahrens sei nicht erforderlich. Die J. vorgeworfenen Zuwiderhandlungen erreichten nicht dieses Gewicht. Soweit ihm zur Last gelegt werde, den Abschussplan für Rot- und Damwild nicht vorgelegt zu haben, handle es sich nur um ein leichtes Fehlverhalten. Gleiches gelte für den Vorwurf, die Streckenliste und Trophäen nicht vollständig oder rechtzeitig vorgelegt zu haben. Aus diesem Verhalten ergebe sich noch keine allgemeine Weigerung, den jagdrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Auch die der Behörde gegenüber geäußerten Unhöflichkeiten rechtfertigen noch nicht die Einziehung des Jagdscheins. Selbst wenn es sich hierbei um Beleidigungen handeln sollte, ließe das noch nicht den Schluss zu, dass J. eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei. Denn mit seiner Wortwahl (die Bediensteten seien der Sache „nicht gewachsen“, hätten etwas „gezielt verzögert“, würden jemanden „einen Strick drehen“) sei er nur geringfügig über das Maß an Kritik hinaus gegangen, das Bedienstete des öffentlichen Dienstes noch zuzumuten sei. Hiervon abgesehen sei der Behörde dieser Sachverhalt nicht erst nachträglich bekannt geworden, vielmehr habe sie bereits bei Erteilung des Jagdscheins davon gewusst und sich gegen die „unsachlichen Äußerungen“ verwahrt. Jedenfalls bedeute eine derart „robuste Ausdrucksweise“ noch nicht, dass der Betroffene mit Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig umgehen werde. Oberverwaltungsgericht Mecklenburg – Vorpommern, Beschluss vom 12.2.2003 – 2 M 141/02 –
IV. Anmerkungen
Das Urteil ist noch unter dem alten Waffenrecht ergangen. Nach dem neuen Recht würde auch eine Verurteilung wegen Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede (alles Straftaten) ausreichen, um die Unzuverlässigkeit zu begründen, sofern die Geldstrafe mindestens sechzig Tagessätze beträgt oder es sich um einen Wiederholungsfall handelt.
• Denn nach § 5 Abs. 2 Nr. 1a WaffG hat jetzt jede vorsätzliche Straftat die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zur Folge, unabhängig davon, ob ein Bezug zum Waffenumgang oder zur Jagd besteht. In solchen Fällen darf dann nur noch ein Falknerjagdschein erteilt werden, was allerdings voraussetzt, dass der Betroffene die Falknerprüfung bestanden hat (§ 17 Abs. 1 S. 2 BJG). Im vorliegenden Fall lag keine Verurteilung wegen einer Straftat vor. Die dem Jäger zur Last gelegten jagdrechtlichen Ordnungswidrigkeiten waren insgesamt zu geringfügig, um die schwerwiegenden Folgen einer Unzuverlässigkeit zu begründen (Verlust von Jagdschein und Waffenbesitzkarte, Erlöschen des Jagdpachtvertrages, Schadensersatz an den Verpächter und Abgabe der Waffen).
• Selbst bei Straftaten ist eine Mindesthöhe von 60 Tagessätzen nötig; geringere Strafen reichen nicht aus, außer im Wiederholungsfall. Wenn aber selbst leichte Straftaten mit Waffenumgang nicht genügen, dann müssen Ordnungswidrigkeiten schon ein sehr erhebliches Gewicht haben, um zur Unzuverlässigkeit zu führen.
• Anders als bei strafrechtlichen Verurteilungen bestimmt das Gesetz nicht, wie lange die Unzuverlässigkeit wegen schwerwiegender oder Ordnungswidrigkeiten dauert. Die untere Jagdbehörde muss daher die Dauer unter Berücksichtigung der Anzahl und Schwere der Taten sowie der Person des Betroffenen (bisheriges Verhalten) festlegen. Die Zeitspanne wird in der Regel deutlich unter der für Straftaten geltenden Fünf-Jahres-Frist liegen, weil Ordnungswidrigkeiten ein deutlich geringeres Gewicht haben als strafrechtliche Verurteilungen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat das Erlegen einer Ricke im Dezember bei stockdunkler Nacht als groben Verstoß gegen das Nachtjagdverbot angesehen und die Unzuverlässigkeit bejaht. Denn die Nachtzeit hatte bereits seit über einer Stunde begonnen, und Rehböcke hatten Schonzeit. Da ein sicheres Ansprechen unmöglich war, hätte es ebenso gut ein Bock sein können. Damals war jede Verletzung der Schonzeit noch eine Straftat, heute wäre das eine Ordnungswidrigkeit. Das Gericht hat eine Sperrfrist von 18 Monaten als angemessen und verhältnismäßig angesehen (Beschluss vom 22.11.1996 – 5 S 2661/96 -, WuH 7/1997, S. 44). Zwischen Unzuverlässigkeit bei schweren und keine Folgen bei leichten Verstößen gibt es noch eine Zwischenstufe: Nach § 41a Abs. 1 BJG kann ein Jagdverbot von einem bis zu sechs Monaten verhängt werden, wenn gegen den Jäger eine Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit festgesetzt wird, die er unter grober oder beharrlicher Verletzung seiner Pflichten bei Ausübung der Jagd begangen hat. Das Jagdverbot muss im Bußgeldbescheid angeordnet werden, der Jagdschein wird für die Dauer des Verbots bei der Unteren Jagdbehörde amtlich verwahrt und danach zurückgegeben.
V. Ergebnis
1. Auch Ordnungswidrigkeiten können die Unzuverlässigkeit begründen, wenn es sich um grobe oder wiederholte Zuwiderhandlungen gegen jagd-, tierschutz-, naturschutz- oder waffenrechtliche Bestimmungen handelt. 2. Die Dauer der Unzuverlässigkeit wird von der unteren Jagdbehörde unter Beachtung der Tat, des Täters und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festgelegt.