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Rehwild: Trophäenqualität als Indikator

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Die Hegeschauen haben es mancherorts wieder gezeigt: die Trophäen schwächer, die Wildbretgewichte geringer, die Böcke jünger. Wir gehen der Sache auf den Grund.

 

Die besten Böcke eines Jahres – langjährige Hege mit Lebensraumgestaltung hat sich bezahlt gemacht

von Wildmeister Dieter Bertram

Starke Rehgehörne sind kein speziell gewachsenes „Jägerglück“, sondern Indikator für Lebensqualität von Wildtieren. Und sieht man sich auf manchen Hegeschauen um, drängt sich die Frage auf, wie robust sie denn noch sind, unsere Rehe?

Da hängen die Wände voll mit jungem „Geraffel“, da entlocken selbst die stärksten Böcke dem Betrachter nur noch ein mitleidiges Lächeln.

Kapitale Böcke als Zufallsprodukt?

Woran liegt es? Hat uns Jäger das Glück verlassen? Das Glück, zufällig einen kapitalen Bock strecken zu können? Sind es auch hier scheinbar anonyme Kräfte, die Lebensraum und Lebensqualität verändert haben, die Wildbret- und Gehörngewichte sinken lassen, die es einem kräftigen Vorstehhund erlauben, ein ausgewachsenes Reh zu apportieren?

Nein, der Mensch und sein Wirtschaften sind verantwortlich, denn in unserer modernen Zeit wird doch nur zu gern Bewährtes über Bord geworfen, Neues angeboten, ohne das Alte verstanden zu haben.

Da heißt die Winterfütterung auf einmal „überflüssige Mast“ und wird abgeschafft, da verbuschen die Wildwiesen im Wald, da werden die Wildäcker im Feld wieder zu landwirtschaftlichen Monokulturen.

So sind bereits im Frühherbst, nach der Ernte, die Ackerflächen geschält, die Wiesen kurz gemulcht und mit der letzten Gülledusche abgedeckt. Das Wild bleibt auf der Strecke, geht schlecht genährt in den Winter, wo es nach der neuen Fütterungsverordnung vom Herbstfeist zehren soll.

Neue Bejagungsstrategien

Der Ausgleich dafür? Gatter, frühzeitig aufgelichtete Einstände, Wirtschaftswege bis in den letzten Winkel und neue „topmoderne“ Bejagungsstrategien.

„Wie Wölfe in die Wildbestände einfallen“, hieß vor Jahren auf einmal die Methode der Wahl, die man der Natur nachzuzeichnen glaubte und als besonders tierschutzgerecht erachtete. Bleibt nur die Frage, um welche Wolfsart es sich handelt, die selbst in großem Rudel 20 oder auch mehr Stück Schalenwild am Tag reißt.

Doch der „Erfolg“ gab den Vordenkern anfangs recht. Die Strecken schnellten in die Höhe, die Wildbestände schienen unerschöpflich. Und da die Niederwildbesätze in vielen Revieren keine Gesellschaftsjagden mehr zuließen, führte man diese eben auf das üppig vorhandene Rehwild durch.

Jetzt tritt Ernüchterung ein: Trotz Großaufgeboten von Jägern, tendieren die Strecken nicht selten gen Null. Was steigt, ist die Zahl führungsloser Kitze, da die Geiß auf der Bewegungsjagd zur Strecke kam. Wer dann noch erwartet, dass aus dem verwaisten Bockkitz ein starker und vitaler Jährling wird, träumt.

Nicht träumen

Wir dürfen aber nicht träumen, uns nicht diesen ungünstigen Entwicklungen anpassen. Es reicht kein Bekenntnis, der Trophäenjagd abgeschworen zu haben, sich an Hungergehörnen zu freuen, weil nur das Erlebnis zählt.

Es darf uns nicht unbekümmert lassen, eine Wildart zu bejagen, die in ihrer Alterspyramide und in ihrer Gesundheit streckenweise im Koma liegt.
(Haupttodesursache bei Fallwilduntersuchungen: „allgemeiner Schwächezustand“).

Was wir daraus lernen sollten? Ganz einfach: Nicht das Rehwild ist an der sinkenden Trophäenqualität, der geringeren Vitalität schuld, sondern Menschen – wirtschaftliche und politische Interessengruppen, die eines noch nicht verstanden haben: Dass man in einem Ökosystem Pflanzen und Wildtiere nicht gegeneinander ausspielen kann.

Die besten Böcke des gleichen Revieres acht Jahre später: Erhöhte Abschußzahlen und fehlende Lebensraumgestaltung fordern ihren Tribut

 


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