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Fischdiebe verhaften – Lockjagd auf Kormorane

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Dass die Jagd mit dem freundlichen Lockbild bei Krähen funktioniert, wissen wir. Aber gelingt sie auch bei Kormoranen? Simon Obermeier und Peter Schmitt haben das getestet.

Noch halten sich einzelne Nebelfelder über dem Chiemsee. Die Sonne kommt langsam über den Gipfeln der Voralpen zum Vorschein und taucht die ganze Szenerie in ein weiches Licht. Auf den Bäumen am Ufer glitzert Schnee. Ein traumhafter Wintermorgen. Nichts verrät, dass hier täglich Hunderte von Kormoranen zu ausgedehnten Raubzügen auf Hecht, Renke, Aal und Rotfeder losziehen. Für die 17 Berufsfischer, die ihr Handwerk oft seit Generationen betreiben, werden die Vögel zunehmend existenzbedrohend.
An diesem Tag sollen aus den Jägern Gejagte werden. Denn noch etwas stört die morgendliche Stille: das monotone Geräusch eines Außenbordmotors. Wir fahren vorbei an ausgedehnten Schilfflächen, vor denen sich Dutzende von Blässhühnern und Graugänsen niedergelassen haben, passieren die Nordspitze der Herreninsel und nehmen Kurs auf die Krautinsel, das kleinste Eiland im Chiemsee. Das Aluminiumboot ist vollgepackt: Futterale mit Bockdoppelflinten, Tarngardine für den Stand, Jagdrucksäcke und ein großer Karton. Aus seiner Öffnung ragen die Plastikköpfe der Lock vögel, insgesamt neun Stück. Zwischen all diesen Dingen tänzelt nahezu mühelos die Große-Münsterländer-Hündin „Duffy“ über das schwankende Schiff.

 


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In einer Reihe und mit gleicher Blickrichtung werden die täuschend echt aussehenden Lockvögel auf der Landzunge verteilt. (Foto: Simon Obermeier)
Hierzulande werden die meisten Kormorane mit der Kugel tagsüber oder beim abendlichen Einfallen an den Schlafbäumen mit Schrot gestreckt. Die Jagd mit dem freundlichen Lockbild, wie sie etwa auf Krähen gang und gäbe ist, ist bei den Wasserraben allerdings weitgehend unbekanntes Terrain. Wie werden die Plastikattrappen positioniert? Wann ist die beste Tageszeit? Reagieren die schlauen Wasservögel überhaupt auf das Lockbild? Fragen über Fragen, denen wir auf den Grund gehen wollen.
Wie aus dem Nichts streicht über uns ein Flug Kormorane. Sind wir zu spät? Hätten wir bereits vor Tagesanbruch unser Lockbild aufbauen sollen, wie bei der Krähenjagd? Von Weitem schon sehen wir die markante Landzunge der Krautinsel mit dem einzelnen Busch und trauen unseren Augen kaum. Fünf weitere Kormorane sitzen an ihrer Spitze. Die Schwingen zum Trocknen ausgebreitet. Der Platz könnte passen. Als wir uns nähern, streichen sie ab.
Jagen, trocknen, verdauen – diese Tätigkeiten bestimmen den Tagesrhythmus der schwarzen Fischfresser. Ihr Gefieder hat keine wasserabweisende Fettschicht. Das erleichtert Kormoranen zwar das Tauchen, zwingt sie allerdings zu anschließenden Trockenphasen. In diesen werden die gefangenen Fische verdaut. Erst dann streichen die Vögel zu weiteren Jagden. Sie brechen bereits bei Tagesanbruch von den Schlafbäumen in Richtung Gewässer auf. Jagen dort für etwa eine Stunde und begeben sich dann auf Trockenplätze. Diese muss man vor der Jagd auskundschaften, um den Hakenschnäbeln nachzustellen. Auf der Landzunge der Krautinsel sind wir fündig geworden.
Steine kratzen an den Aluminiumwänden des Bootes, als wir anlegen. Das Ausladen geht schnell. Wir wollen keine Zeit mehr verlieren und beginnen mit dem Aufbau des Lockbildes. Unser Begleiter, ein Berufsfischer und Pächter der Seejagd, rät uns: „Die Kormorane sitzen meist in einer Reihe und schauen alle in die gleiche Richtung. An dieser Stelle nach Osten. Warum weiß ich nicht. Orientiert euch beim Aufbau danach.“ Nach zehn Minuten stehen sechs Lockvögel mit gleicher Blickrichtung aufgereiht auf der Landzunge. In drei von ihnen haben wir Plastikschwingen gesteckt. Sie nehmen dadurch die typische Trockenhaltung ein. Zusätzlich werfen wir drei aufblasbare Attrappen schwimmender Kormorane soweit es geht ins Wasser hinaus. Kleine Anker verhindern, dass sie durch die Strömung abgetrieben werden. Die Entfernung des Lockbildes zum Busch, in den wir unseren Tarnstand bauen, beträgt circa 25 Meter. Genau die richtige Schussentfernung für die 3,2 Millimeter-Stahlschrote. Ähnlich wie Graugänse sind auch Kormorane vor allem bei Entfernungen ab 30 Metern relativ schusshart. Absolute Disziplin bei den Schützen ist daher eine Grundvoraussetzung.

 


Tarnung ist auch bei der Kormoran-Lockjagd entscheidend. Wir tragen Schilf- und Schneetarnkleidung in den Mustern MAX-4 sowie Realtree AP Snow. Ein Kopfnetz verdeckt die Gesichtspartien. Unser Stand besteht aus in den Boden gesteckten Stäben, an denen wir eine doppelt gefaltete Tarngardine mit Schilfmuster festklammern. Der Vorteil dieser Variante: Der Stand kann um den Busch drapiert werden. Zudem bietet die Gardine beste Sicht in Richtung Lockbild, ohne von anstreichenden Vögeln entdeckt zu werden.
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Ein gut getarnter Schützenstand und die passende Camouflage-Kleidung sind bei der Lockjagd die Grundpfeiler des Erfolges. (Foto: Peter Schmitt)

 


Platsch – Das ist doch unglaublich! Noch während wir neben dem Lockbild stehen und die letzten Plastikschwingen in die Attrappen stecken, fällt kaum zehn Meter von uns entfernt der erste junge Kormoran ein – zu erkennen an dem hellen Brustgefieder. Zum einen ärgerlich, weil die Flinten noch ungeladen sind und die Munition im Boot liegt, zum anderen aber ein vielversprechender Auftakt, auch wenn der Schwarze unbeschossen abstreicht. Nachdem das Fischerboot auf der gegenüberliegenden Seite der etwa 3,5 Hektar großen Insel angelandet ist, beziehen wir zu zweit im Tarnstand Stellung.

 


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Diesen Kormoran hat die Garbe der 3,2-Millimeter-Stahlschrote voll erfasst. (Foto: Simon Obermeier)
Vor uns erstreckt sich das Nordufer der Herreninsel, links, etwa 600 Meter entfernt, befindet sich mitten im See eine kleine Sandbank – auf ihr kleine schwarze Vögel. Kormorane. Zwei von ihnen stehen auf. Pfeilschnell streichen sie direkt auf die Landzunge zu. Ihre Schwingen scheinen fast die Wasseroberfläche zu streifen, so knapp sind sie über den Wellen. Die Hälse haben die Vögel weit nach vorne gereckt. Noch 50 Meter, 40, 30 – sie stellen ihre Ständer nach vorne, verringern ihre Geschwindigkeit – die Flinten schnellen an die Wangen. Ein Schuss, der zweite, der dritte. Ihre Schwingen klappen zusammen, und mit einem dumpfen Schlag prallen die beiden Jungvögel auf den gefrorenen Boden.
Keine zwei Meter von den Erlegten entfernt stehen regungslos aufgereiht ihre vermeintlichen Artgenossen. Den beiden Jungvögeln wurden sie gerade zum Verhängnis. Noch einer nähert sich ohne Argwohn dem Lockbild. „Fertig machen“, flüstern wir uns synchron zu. Ohne zu Kreisen setzt er zum Einfallen neben den schwimmenden Plastikattrappen an. Da ereilt auch ihn eine Schrotgarbe. Wie ein Stein klatscht er auf die Wasseroberfläche.
Kurzer Rundumblick. Keine weiteren in Sicht. „Duffy“, die Münsterländer-Hündin, prescht aus dem Schirm, nimmt das Wasser an und apportiert einen der verendeten Jungvögel. Bei krankgeschossenen Kormoranen sollte man allerdings Vorsicht walten lassen, ehe der Hund geschickt wird. Die wehrhaften Wasservögel können dem Vierläufer ansonsten mit ihren Schnäbeln schwere Verletzungen, etwa in den Augen, zufügen. Ein Fangschuss ist in solchen Fällen zunächst die bessere Option. An größeren Gewässern bietet der Einsatz von Booten große Vorteile, sei es für einen Fangschuss oder das Bergen krankgeschossener Vögel. Angebleite Kormorane neigen dazu, sofort abzutauchen. Sie können bis zu einer halben Minute unter Wasser bleiben, wobei sie beachtliche Strecken zurücklegen. Selbst ein firmer Hund hat keine Chance. Ohne Boot ist die Beute verloren.

 


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Der Einsatz des firmen Apportierhundes empfiehlt sich nur bei sicher verendeten Kormoranen. (Foto: Peter Schmitt)
Wir haben in den kommenden Stunden reichlich Anflug und ebenso reichlich Waidmannsheil. Die Kormorane streichen direkt auf das Lockbild zu. Meist sind es einzelne Anschlusssuchende. Ein Kreisen, wie man es etwa bei Krähen beobachten kann, ist bei den wenigsten zu erkennen. Nur zwei streichen sehr hoch über das Lockbild, drehen bei und schrauben sich in drei großen Kreisen herunter. Dann holen auch sie die Schrote vom Himmel. Einmal mehr ein Zeichen dafür, wie attraktiv die Lockvögel für die Fischräuber sind. Auch die Windrichtung scheint weit weniger Einfluss beim Einfallen zu haben. Sie lassen sich sowohl mit dem Wind, als auch gegen ihn nieder. Nur zwei der Seeraben fallen im Lockbild an Land ein, der Rest entscheidet sich für eine Wasserlandung.
Einige beginnen daraufhin sofort mit der Fischjagd und entfernen sich tauchend außer Schussweite. Ein Schuss auf das Wasser ist wegen der Abprallgefahr der Schrote zu gefährlich. Zudem bieten Hals, Kopf und der von den Schwingen geschützte Körper schwimmender Kormorane schlichtweg – vor allem bei weiteren Schüssen – zu wenig Angriffsfläche für die Stahlschrote.
Sechs Stunden sind seit dem Aufbau des Lockbildes vergangen. Die Sonne senkt sich langsam aber stetig hinter dem markanten Gipfel der Kampenwand, und die Dämmerung bricht an. In den vergangenen Stunden hatten wir im Schnitt alle zwanzig Minuten erneuten Anflug. Jetzt bleibt er aus. Die Kormorane sind zu ihren Schlafbäumen entlang des Chiemseeufers zurückgekehrt. Für uns heißt das: Hahn in Ruh‘. Zwölf Stück liegen auf der Strecke, neun Jung- und drei Altvögel – die Jagd mit dem Lockbild hat funktioniert.

 


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Von wegen nur Weißfische. Im Mage der Kormorane befand sich ein Potpourri der heimischen Fischfauna. Zum Größenvergleich eine Stahlpatrone.
Nachdem wir bei einigen Schüssen beobachten konnten, dass die Vögel frisch erbeutete Fische, zumeist Renken, auswürgten, wollen wir es genau wissen: Was haben sie im Magen? Mit einem kleinen Schnitt am Brustbein legen wir das dunkle Muskelfleisch frei und schärfen es entlang der Rippen ab (Was Sie daraus zaubern können, verrät dieses Kormoran-Rezept). Dann widmen wir uns dem Magen. Hechte, Renken, Aale, Barsche und kleine Weißfische. Viele Fische allerdings sind nicht mehr zu erkennen, so aggressiv ist die Magensäure der Fischräuber. Ihre größte Beute, ein Hecht, misst knapp 40 Zentimeter.
Zufrieden sitzen wir wieder im Boot. Zufrieden ist auch unser Begleiter, der ehemalige Berufsfischer. Die Seejagd würde immer mehr eingeschränkt, sagt er. Mal wird hier eine Jagdfläche gesperrt, im nächsten Jahr dort. Auf Kormorane darf er dank einer Allgemeinverfügung der Regierung von Oberbayern am Chiemsee immerhin noch an wenigen Stellen waidwerken. Die Strecken seien allerdings eher mau, man komme den Vögeln kaum bei. Der Himmel vor uns ist vom Sonnenuntergang glutrot gefärbt, und der alte Fischer und Jäger verrät uns: „Ich habe an einem Tag schon mal drei Kormorane erlegt, zwölf Stück aber sind bisher hier am See noch nie gefallen.“

 

 


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